HR ist vielerorts in der Struktur und im Kompetenz-Set gut aufgestellt. Was strategisches und digitales Arbeiten angeht, gibt es aber Nachholbedarf. Das geht aus dem diesjährigen „HR Excellence Check“ von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) und der Boston Consulting Group (BCG) hervor. Dafür wurden rund 130 Unternehmen zwischen Januar und März 2025 gefragt, wie sie den Reifegrad von HR in unterschiedlichen Dimensionen und Aufgaben bewerten. Es antworteten Vorstände und Führungskräfte, die meisten davon aus der obersten und mittleren HR-Führungsebene (62 Prozent).
Sie sollten auf einer Skala von 1 („schwach“) bis 5 („exzellent“) abstimmen, für wie gut sie ihre Arbeit in besagten Bereichen einschätzen. Daraus ergibt sich folgender Reifegrad in den fünf zentral untersuchten HR-Dimensionen:
- HR-Rolle und Personalstrategie (3,10)
Die HR-Funktion wird laut den Studienteilnehmenden als relevant wahrgenommen und viele haben das Gefühl, in Entscheidungen miteinbezogen zu werden. Jedoch ist eine strategische Personalplanung häufig nicht genügend vorhanden und ausbaufähig.
- HR-Organisation (2,97)
Viele Personalerinnen und Personaler sehen ihre Abteilung gut aufgestellt. Es gebe klare Stellenbeschreibungen und regelmäßige Strukturüberprüfungen. Was in dieser Dimension allerdings nicht gut bewertet wird, ist die Ende-zu-Ende-Verantwortung für HR-Themen und die Umsetzung agiler Arbeitsweisen.
- HR-Prozesse und Governance (2,75)
In diesem Bereich gibt es laut den Befragten vor allem bei der Mitarbeiterzentrierung und der datengestützten Arbeit Verbesserungspotenzial. Aber auch bei den Schritten im Talentlebenszyklus nach dem Recruiting sei Luft nach oben. Das gilt etwa für das Performance Management sowie die Mitarbeiterentwicklung und -bindung.
- HR-IT und digitale Tools (2,67)
GenAI ist bisher laut den Studienteilnehmenden keine wirksame Unterstützung für HR. Zudem sei die Digitalstrategie vielerorts ausbaufähig und IT-Systeme seien oftmals eher funktional als wertbringend.
- Fähigkeiten des HR-Personals (2,86)
Was die fachlichen Skills angeht und die Rolle als Business Partner, so schätzen sich die Personalerinnen und Personaler als gut ein. Allerdings gebe es zu wenig strukturierte Weiterbildungsangebote für HR-Personal und Potenziale durch Mobilität mit anderen Funktionen werden kaum genutzt.
Überraschende Schwachstellen
Diese fünf Dimensionen wurden von den Studienmachern weiter ausdifferenziert. Dadurch konnten die Befragten konkretisieren, an welchen Stellen es noch hakt. Am schlechtesten schätzten sich die Unternehmen darin ein, GenAI zu nutzen (2,07) und intern in andere Funktionen und andere Abteilungen zu wechseln (2,17). Doch auch ihre eigene Leistung durch KPI-Systeme zu messen (2,23) HR Analytics zu nutzen und datengestützt Entscheidungen zu fällen (2,37) fällt offenbar schwer – ebenso wie mitarbeiterzentriert zu arbeiten (2,37).
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Das Fazit der Studienautoren: „Die deutsche HR ist zwar insgesamt solide aufgestellt, oft gibt es aber noch Schwachstellen in der Umsetzung. Es fehlt vielerorts an strategischer Tiefe, KPI-basierter Steuerung und digitaler Exzellenz“, sagt Kai H. Helfritz, Leiter Mitgliedermanagement & Kooperation bei der DGFP. Helfritz’ Co-Studienautor Felix Kroh, Partner bei BCG, fügt hinzu, welche Ergebnisse das Forschungsteam überrascht haben. Dass die Weiterbildung des HR-Managements selbst Lücken aufweist, zu wenig digital und nicht interdisziplinär aufgestellt ist, hätten sie nicht erwartet. Auch sei es überraschend, dass einer der schlechtesten Werte die Mitarbeiterzentrierung hatte. „Im Markt beobachten wir, dass hierzu viel gemacht wird, aber die effektive Umsetzung noch nicht ausreichend scheint“, sagt Kroh.
Tipps, um sich zu verbessern
Was kann HR jetzt aber tun, um sich in den Themenbereichen weiterzuentwickeln, die besonders schlecht abgeschnitten haben? Ein paar Quick-Wins:
Wie kann HR sich an die Nutzung von GenAI herantasten?
Laut den Studienautoren ist es hier zunächst wichtig, ein Verständnis für Use Cases zu bekommen und das jeweilige Potenzial der Anwendungsbereiche. Unser Redakteur Sven Frost hat zudem nach einer intensiven Recherche zu KI in HR festgehalten: „Es braucht eine Strategie. Ohne Klarheit über Rollen, Prozesse und Ziele bleibt KI ein Tool ohne Wirkung. Fragen, die sich Personalerinnen und Personaler vor der Anwendung von KI stellen sollten, seien beispielsweise: Welche Prozesse sollen automatisiert werden? Wer trägt die Verantwortung für die Ergebnisse? Welche arbeitsrechtlichen und ethischen Grenzen gelten?
Zudem sei eine Kultur des Ausprobierens nötig sowie ein Wille zur Veränderung, um Schritt für Schritt KI-Kompetenzen aufzubauen. Nur so könne Vertrauen sowie regulatorische Klarheit gewonnen werden. „Die Nutzung von GenAI ist hervorragend geeignet, damit sich HR mit den anderen Abteilungen im Unternehmen vernetzt, sie voneinander lernen und HR das Business noch besser versteht“, sagt Helfritz.
Wie kann HR die Mobilität mit anderen Abteilungen verstärken?
Dieses Defizit lässt sich laut Kroh und Helfritz leicht beheben. Beispielsweise mit interdisziplinären Austauschprogrammen oder indem man an konkreten Projekten mit anderen Abteilungen zusammenarbeitet – auch mittels GenAI oder HR-Analytics. Ein weiteres Beispiel liefert Teresa Baler, Employer Branding & Talent Marketing Specialist bei MAN Truck & Bus. Mit „MAN myCareer“ hat sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eine interne Skill-Matching-Plattform entwickelt, auf der Mitarbeitende ihre Skills hinterlegen und diese mit aktuellen Jobangeboten im Unternehmen matchen können.
Wie kann HR KPI-basierter arbeiten?
Wie aus der Recruiting-KPI-Umfrage von der Personalwirtschaft hervorgeht, muss zunächst ermittelt werden, welche Ziele man messen möchte und welche KPIs dabei hilfreich sein können. Dabei spielt auch eine Rolle, ob man die dafür nötigen Daten bereits erhebt, oder noch Wege finden muss, wie das gelingt. „Im Zweifel lieber weniger KPIs nutzen, dafür aber eine beständige Messbarkeit gewährleisten“, rät auch Helfritz von der DGFP. Weit verbreitete KPIs in HR sind etwa die Fluktuationsrate, die Mitarbeiterzufriedenheit, die Cost of Hire und Cost of Vacancy sowie die Time to Hire. Auch ein Ergebnis der Personalwirtschaft-Umfrage: KPIs müssen immer in ihrem Kontext gesehen werden und passgenau auf die hausinternen Prozesse abgestimmt sein. Im Idealfall können die KPI-Daten auch aus ihren Silos geholt und mit anderen Daten in Verbindung gebracht werden.
Wie gelingt es, mehr mit People Analytics zu arbeiten?
Doch Daten und KPIs bringen nichts, wenn man nicht mit ihnen arbeitet und sie analysiert. Katharina Schulze, CEO und Mitgründerin des People-Analytics-Softwareanbieters beyobie, rät: Zunächst müsse die Datenqualität überprüft und sichergestellt werden, dass man mit den vorhandenen Daten auch wirklich die ausgewählte Frage beantworten kann. Die Daten und Ergebnisse sollten mittels verständlicher und einfach zu bedienender Dashboards aufbereitet werden. „Das Ziel sollte nicht sein, alles darzustellen, was technisch möglich ist“, sagt Schulze, „sondern genau das, was hilft.“ Kroh von BCG empfiehlt zudem: „Strebt den Austausch mit den Fachbereichen an, die stark in Analytics sind, beispielsweise das Marketing oder das Controlling. Mit diesen Experten kann man sicherlich einige Ansatzpunkte für das People Analytics erarbeiten.“
Wie kann HR mitarbeiterzentrierter arbeiten?
Helfritz von der DGFP bezeichnet die Mitarbeitenden als Kunden von HR. Auf deren Bedürfnisse gilt es bei der Personalarbeit einzugehen. Wie das geht, verrät unter anderem Kimberly Breuer, CEO von nilo, in ihrer Personalwirtschaft-Kolumne. Es bedürfe einer Unternehmenskultur, die durch offene Kommunikationswege, regelmäßige Feedbackgespräche, die Förderung von Teamarbeit, den offenen Umgang mit Fehlern und Weiterbildungsangebote geprägt ist. So würde das Wohl der Mitarbeitenden fokussiert. Wenn ein Arbeitgeber auf anerkennende und wertschätzende Weise den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, eigene Werte und Ziele zu verfolgen und so auf den Unternehmenserfolg einzuzahlen, steigt nicht nur die Mitarbeiterbindung, sondern auch das mitarbeiterzentrierte Arbeiten.
Wie gelingt eine strategische Personalplanung?
Wo entwickelt sich das Unternehmen hin? Und welche Skills und wie viel Personal braucht es, um diese Transformation zu bewerkstelligen? Um diese Frage zu beantworten, braucht HR laut Helfritz von der DGFP ein Verständnis fürs Business. Zwei Beispiele: BMW orientiert sich strategisch an den „4D“: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Deglobalisierung. In den vergangenen 13 Jahren wurden deshalb laut Personalvorständin Ilka Horstmeier rund 52.000 Mitarbeitende im Bereich Elektromobilität weiterentwickelt. SAP wiederum will zum KI-Vorreiterunternehmen werden, restrukturiert dafür um und fährt eine Skill-First-Strategie, bei der Skills als Orientierungspunkte gelten und nicht mehr Jobprofile.
Info
Hier finden Sie die komplette Studie HR Excellence check.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.