Während einzelne andere Unternehmen derzeit die Vier-Tage-Woche testen, zieht der Holzaccessoires und –Dekorationshersteller Kerbholz bereits ein erstes Résumé. Und das ist recht positiv. Durch die verringerte Arbeitszeit habe sich die Stimmung im Team verbessert und die Bereitschaft der Mitarbeitenden, Verantwortung zu übernehmen sei gewachsen, sagt Gründer Matthias Köppe. Zudem hätten sich deutlich mehr Talente bei Kerbholz beworben als zuvor. Er und sein Team seien allerdings auf ein Problem gestoßen, das sich nur hatte lösen lassen, indem Aufgaben outgesourct werden.
Ursprünglich wollte Köppe mit der Vier-Tage-Woche das Wohlbefinden der rund 20 Beschäftigten verbessern. „Mir liegt es am Herzen, dass unser Team mental ausgeglichen ist“, sagt der Gründer. Es habe immer wieder Phasen gegeben – beispielsweise die Weihnachtszeit –, die sehr anstrengend für die Mitarbeitenden waren. Um das Team zu entlasten, habe er beschlossen, die Arbeitszeit von ursprünglich 40 Stunden für alle zu verringern. Es war nicht nur sein persönlicher Wunsch, dass Kolleginnen und Kollegen nur noch 32 Stunden pro Woche bei gleichem Lohn arbeiten, sondern er hatte ihn auch bei seinem Team herausgehört.
Es gab auch Skeptiker
Vor der Einführung galt es, Bedenken aufzulösen. Köppe befürchtete, er könne nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen – gerade die, die sich einen festeren Rahmen wünschten, könnten ein Problem darstellen. Außerdem stand die Frage im Raum, ob es das Team schaffen würde, in der kürzeren Zeit die gleiche oder sogar eine höhere Leistung zu bringen. Dies sei durch „clevereres Priorisieren“ aber gut möglich gewesen.
Als die Geschäftsleitung ankündigte, die Arbeitszeit zu reduzieren, entschieden sich laut Köppe 95 Prozent der Belegschaft dafür, vier Tage voll statt fünf Tage mit jeweils weniger Stunden zu arbeiten. Der neue freie Tag sollte nicht individuell wählbar sein. „Wir haben uns basisdemokratisch im Team für den Freitag entschieden“, sagt Köppe. Das bedeutet, alle Beschäftigten hatten sich gemeinsam für diesen Tag ausgesprochen. Dadurch, dass es den Freitag als festen freien Tag gibt, wären auch die Skeptiker überzeugt worden – schließlich biete ihnen das den gewünschten festen Rahmen.
Der freie Tag stellte Kerbholz allerdings vor ein Problem: Was ist mit Bereichen, die fünf Tage die Woche erreichbar sein müssen, wie der Logistik und dem Kundensupport? Gut für Kerbholz war es, dass einzelne Aufgaben wie die Logistik bereits outgesourct waren. Der Kundensupport hingegen war und ist noch im Haus. Ihn galt es, mit zusätzlichen freien Mitarbeitenden, die meisten von ihnen Studierende, zu unterstützen. Sie arbeiten jeweils 20 Stunden die Woche und besetzen den Support am Freitag.
Zu Zeiten, zu denen besonders viel los ist, wie zum Beispiel im Dezember, setzt Kerbholz zusätzlich Freelancer ein. Was manch einer oder eine als Fake-Vier-Tage-Woche ansehen kann, ist es keinesfalls. Denn Köppe versuche eigenen Aussagen nach alles, um seinen Festangestellten zu ermöglichen, nur vier Tage die Woche zu arbeiten. Der Gründer ist von dem Nutzen zu sehr überzeugt, um sich nicht mit Unterstützung von außen zu helfen.
Planung ist gefragt
Und dennoch gelang die Vier-Tage-Woche bei Kerbholz im vergangenen Jahr nicht immer. Es komme ungefähr einmal im Monat bis alle zwei Monate vor, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin auch mal freitags arbeitet. Gerade im E-Commerce passiere das. Schließlich solle der Support der Kunden und Kundinnen durch das neue Arbeitszeitmodell nicht leiden und müsse an fünf Tagen in der Woche geleistet werden. Eine Herausforderung sei es für einige – inklusive Köppe selbst – auch gewesen, ihre Aufgaben auf vier Tage zu verteilen. „Bei vier Arbeitstagen bleibt weniger Ansprechzeit mit einzelnen Stakeholdern – das muss man bedenken“, sagt der Gründer.
Abgesehen von diesen Schwierigkeiten ist die Belegschaft von Kerbholz zufrieden mit der Vier-Tage-Woche. Das Team freue sich über mehr Wohlbefinden. Das hätten die Mitarbeitenden bei den unternehmensinternen Feedbackschleifen, die es nach der Einführung der verkürzten Arbeitszeit öfter gab, vermittelt. Die positiven Effekte kommen auch bei der Geschäftsleitung an: „Das Team zeigt sich dankbar, indem sie mehr Verantwortung übernehmen und in einer Arbeitsstunde produktiver sind als zuvor.“ Zudem sei die Arbeitgeberattraktivität des Unternehmens gestiegen. Köppe sieht sie klar als Wettbewerbsvorteil bei jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wie Mitgliedern der Generation Z und der Millenials. Diesen Erfolg misst er daran, dass ein Jahr nach der Einführung jetzt mehr Bewerbungen eingehen als vorher. Für das Unternehmen ist die Vier-Tage-Woche ein Erfolg und wird weiterhin als Arbeitszeitmodell verwendet.
Stefanie Jansen ist Volontärin in der Redaktion der Personalwirtschaft. Ihre Themenschwerpunkte sind Aus- und Weiterbildung, der Job HR und neue Arbeitszeitmodelle.