Während die mentale Gesundheit von Führungskräften oft immer noch hinten angestellt und mitunter von Führungskräften selbst stigmatisiert wird, hat sie einen signifikanten Effekt auf Teamproduktivität und langfristigen Erfolg. Doch wie können Leader mental gesund führen und dabei ihre eigene mentale Gesundheit schützen?
Warum mentale Gesundheit ein Führungskräfte-Thema ist
Jede Führungskraft sollte sich mit mentaler Gesundheit auseinandersetzen. Und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen sind Leader selbst oft überproportional von mentalen Gesundheitsproblemen betroffen. Sie haben eine der höchsten mentalen Belastungen im Unternehmen, aber können oft am wenigsten darüber sprechen. Fast ein Drittel der Führungskräfte sieht sich selbst als Burnout-gefährdet (Hernstein Management Report). Ihre Arbeit ist geprägt von Interessenkonflikten, widersprüchlichen Erwartungen und einer hohen Komplexität – Faktoren, die eine Herausforderung für die mentale Gesundheit sein können.
Gleichzeitig ist das Stigma rund um mentale Gesundheit unter Führungskräften so ausgeprägt wie kaum anderswo. Viele Managerinnen und Managern haben immer noch Annahmen wie: Man muss, um jeden Preis den Schein des Funktionierens aufrechterhalten. Oder: Auf die mentale Gesundheit zu achten bedeutet, dass keiner mehr hart arbeitet.
Darüber hinaus sind Führungskräfte nicht nur für sich selbst und ihre eigenen Aufgaben, sondern auch für die Leistungsfähigkeit ihres Teams verantwortlich und haben ihm gegenüber eine Fürsorgepflicht. Zudem ist die mentale Gesundheit der Teammitglieder die Basis, um ihr Potenzial optimal zu nutzen. Nur wenn sich Führungskräfte folglich um sich selbst kümmern, sind sie in der Lage, ihre Führungsrolle voll auszufüllen und das Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen.
Der Zusammenhang zwischen Führung und mentaler Gesundheit im Team
Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss, den Leader auf die mentale Gesundheit ihres Teams haben: Denn neben dem direkten Einfluss durch beispielsweise zugeteiltes Arbeitspensum oder gegebene Autonomie, kann sich das Stresserleben der Vorgesetzten auf die Mitarbeitenden übertragen und so deren mentale Gesundheit indirekt beeinflussen.
Studien wie die des Harvard Business Reviews von 2021 zeigen, dass Mitarbeitende unter guten Führungskräften niedrigere Stresslevel und eine höhere Arbeitszufriedenheit zeigen. Im Gegensatz dazu kann eine schlechte Führung zu verminderter Arbeitsmotivation und sogar einer höheren Anzahl an Krankheitstagen führen. Der Gallup Engagement Index Deutschland zeigt zudem, dass die „erlebte Führung“ einer der Hauptgründe dafür ist, dass sich nur noch 14 Prozent der Arbeitnehmenden mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen.
Wie Führungskräfte mental gesund führen können
Im Umkehrschluss heißt das: Ihren großen Einfluss auf die mentale Gesundheit des Teams können Führungskräfte durch mental gesunde Führung auch positiv einsetzen. Mit folgenden fünf zentralen Strategien kann dies gelingen:
- Empathie und emotionale Intelligenz: Führungskräfte, die Empathie und emotionale Intelligenz zeigen, können eine engagiertere und resilientere Belegschaft schaffen. Indem sie aktiv zuhören, sich regelmäßig Feedback einholen und selbst ihr Verhalten reflektieren, können Führungskräfte diese Fähigkeiten stärken.
- Offene Kommunikation: Transparenz und offene Kommunikation fördern das Vertrauen innerhalb des Teams, reduzieren Unsicherheit und dadurch auch Stress unter den Mitarbeitenden. Mit Techniken wie gewaltfreier Kommunikation – einem Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess der sich auf empathisches Zuhören und eine klare und respektvolle Artikulation von Bedürfnissen konzentriert – können Führungskräfte sicherstellen, sich klar und ehrlich auszudrücken und gleichzeitig auf die eigenen Bedürfnisse und die des Gegenübers zu hören.
- Wertschätzung: Führungskräfte, die sich Zeit nehmen und Mühe geben, die Arbeit ihrer Teammitglieder anzuerkennen, schaffen eine positive Atmosphäre, die Produktivität und Motivation fördert. Das geht beispielsweise durch direktes positives Feedback, eine öffentliche Anerkennung guter Leistung im Team oder Unterstützung bei der beruflichen Weiterentwicklung.
- Vulnerabilität: Sich verletzlich zu zeigen und darüber zu sprechen, wie es einem wirklich geht, trägt dazu bei, Vertrauen und die emotionale Bindung innerhalb des Teams zu stärken. Indem sie emotionale Offenheit vorleben, Emotionen also bewusst wahrnehmen und verarbeiten, dienen Führungskräfte zudem als Vorbilder für emotionale Intelligenz.
- Unterstützung der mentalen Gesundheit: Bieten Führungskräfte ihren Mitarbeitenden Unterstützung für ihre mentale Gesundheit, helfen sie ihnen, mentale Belastungen schneller zu bewältigen. Das geht zum Beispiel durch das Anbieten von externen Ansprechpartnern wie ein EAP oder digitale Plattformen für mentale Gesundheit. Sehen Mitarbeitende ihre emotionalen und mentalen Bedürfnisse am Arbeitsplatz ernst genommen und unterstützt, steigert das zudem ihre Zufriedenheit und ihr Engagement.
Was Führungskräfte für die eigene mentale Gesundheit tun sollten
Doch mental gesund zu führen heißt nicht nur, sich „richtig“ um das eigene Team zu kümmern. Um das eigene optimale Leistungsniveau und so auch das des Teams zu erreichen, müssen Führungskräfte lernen, auch für sich selbst gut zu sorgen. Folgende Taktiken und Vorgehensweisen können dabei helfen:
Sich selbst reflektieren
Wenn wir uns darüber bewusst sind, wie wir uns fühlen, haben wir die Möglichkeit, ruhiger und sicherer aufzutreten, klarer zu denken und bessere Entscheidungen zu treffen. Hierfür müssen wir die Gewohnheit aufbauen, die eigenen Bedürfnisse zu reflektieren und auf sie zu hören. Wenn wir verstehen, was unser Nervensystem hoch oder herunter reguliert – was uns stresst und was uns beruhigt -, können wir gezielt Maßnahmen ergreifen, um unsere Stimmung zu verbessern und Stress effektiver zu managen. Dies ermöglicht es uns, in herausfordernden Situationen gelassener zu reagieren und unser Wohlbefinden langfristig zu fördern.
Arbeitsbezogene Werte kennen
Sind wir uns unserer (arbeitsbezogenen) Werte bewusst, fördert dies unsere mentale Gesundheit, unter anderem indem
- unsere Entscheidungsfähigkeit verbessert wird,
- wir wissen, wo wir Grenzen setzen müssen und
- es uns leichter fällt, schwierige Aufgaben und Situationen durchzuhalten, da wir unser Warum kennen
Non-Negotiables definieren
Legen wir fest, welche Regeln und Standards im Team nicht verhandelbar sind, setzen wir klare Erwartungen darüber, was im Team akzeptiert wird und was nicht. Klare Erwartungen reduzieren Unsicherheit, Konflikte und Missverständnisse. Beispiele hierfür sind der pünktliche Beginn von Meetings, respektvolle Kommunikation oder Lösungsorientierung.
Grenzen setzen
Grenzen sind gesunde Instrumente, die allen Seiten das Gefühl geben, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden und dass sie gehört und gesehen werden. Nur indem wir klare Grenzen setzen, können wir unsere Arbeitsbelastung effektiv verwalten und eine gesunde Work-Life-Balance erhalten. Zu solchen Grenzen können beispielsweise das Definieren von Verfügbarkeitszeiten für Anrufe gehören, die klare Definition von Zuständigkeiten und Aufgabenbereichen oder die Festlegung von persönlichen Themen, die nicht am Arbeitsplatz diskutiert werden.
Fazit
Die mentale Gesundheit von Führungskräften beeinflusst ihre eigene Leistungsfähigkeit und sowohl direkt als auch indirekt die ihrer Teams. Nur mental gestärkte Führungskräfte können auf die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden achten und sie fördern. Wenn Teams und Führungskräfte nachhaltig leistungsstark sein sollen, müssen sowohl die Führungskräfte selbst als auch das Unternehmen mentale Gesundheit als Priorität behandeln.
