Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Wie erlernen Führungskräfte emotionale Intelligenz?

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Frage an die HR-Werkstatt: Wie erlernen Führungskräfte emotionale Intelligenz?
Es antwortet: Nicole Truchseß, Expertin für Sales, Leadership und Recruiting

Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle in der Gestaltung und Steuerung von Organisationen. Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung steht der Mensch dabei im Mittelpunkt. Das bedeutet: Leader müssen menschenzentriert führen – und dafür braucht es emotionale Intelligenz.

Emotionale Intelligenz (EQ) ist die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die der anderen zu erkennen, zu verstehen, zu steuern und effektiv zu nutzen. Nur verbirgt sich dahinter noch viel mehr als Empathie oder soziale Kompetenz – zwei Aspekte, die am häufigsten mit dem Begriff in Verbindung gebracht werden.

Ein Blick hinter die Kulissen der emotionalen Intelligenz

Bevor die Frage „Wie erlernen Führungskräfte emotionale Intelligenz?“ beantwortet werden kann, ist es daher wichtig, einen Blick auf die weiteren Kompetenzfelder zu werfen: Zu den Kompetenzfeldern der EQ nach dem US-amerikanischen Psychologen Daniel Goleman, einem Pionier auf dem Gebiet, gehören:

  1. Selbstwahrnehmung: Führungskräfte müssen sich ihrer eigenen Emotionen, Stärken, Schwächen und Motivationen bewusst sein. Diese Selbstkenntnis ermöglicht es ihnen, fundierte Entscheidungen zu treffen und authentisch zu führen.
  2. Selbstregulation: Die Fähigkeit, impulsive Reaktionen zu kontrollieren und sich flexibel an Veränderungen anzupassen, ist entscheidend für eine stabile und vertrauenswürdige Führung.
  3. Motivation: Eine intrinsische Motivation, die über materielle Belohnungen hinausgeht, zeichnet emotional intelligente Führungskräfte aus. Sie sind leidenschaftlich bei der Arbeit und treiben ihre Teams durch ihre Begeisterung an.
  4. Empathie: Das Verständnis und die Berücksichtigung der Gefühle anderer ermöglicht es Führungskräften, bessere Beziehungen zu pflegen und ihre Teams effektiver zu unterstützen.
  5. Soziale Fähigkeiten: Dazu gehört die Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen, Konflikte zu managen und andere zu inspirieren. Soziale Fähigkeiten sind für eine erfolgreiche Teamführung unerlässlich.

Aus welchen Gründen ist der EQ nun so wichtig?

Emotionale Intelligenz sollte ein Skill jeder Führungskraft sein, denn sie ermöglicht es, bessere Entscheidungen zu treffen, Beziehungen effektiver zu pflegen und ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen. Führungskräfte mit einer hohen emotionalen Intelligenz können ihre eigenen Emotionen gut regulieren, was ihnen hilft, unter Druck ruhig zu bleiben und rationale Entscheidungen zu treffen. Sie sind auch in der Lage, die Emotionen ihrer Teammitglieder zu erkennen und darauf einzugehen, was zu einer höheren Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit führt.

Alles zum Thema

Die HR-Werkstatt

Immer wieder bringen kleine Probleme die Personalarbeit zum Erliegen oder man weiß einfach nicht, wo anfangen bei neuen Anforderungen. Hier finden Sie alle Beiträge unserer HR-Werkstatt zum Nachlesen. Von Problemen bei der Ausbildung über technische oder Recruiting-Fragen bis hin zu Führungsthemen.

Wege zum Erlernen emotionaler Intelligenz

Emotionale Intelligenz ist eine essenzielle Fähigkeit für Führungskräfte, die durch gezieltes Training und neurowissenschaftlich fundierte Ansätze erlernt und gestärkt werden kann. Führungskräfte können ihre emotionale Intelligenz auf verschiedene Weisen entwickeln:

  1. Selbstreflexion: Führungskräfte sollten regelmäßig Zeit für Selbstreflexion einplanen, um ihre emotionalen Reaktionen zu verstehen und zu hinterfragen.
  2. Feedback einholen: Das Einholen von Feedback von Kollegen und Kolleginnen, Vorgesetzten und Teammitgliedern hilft Führungskräften dabei, blinde Flecke zu identifizieren und sich gezielt weiterzuentwickeln. So werden Führungskräften Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale gespiegelt, die ihnen selbst nicht bewusst sind, anderen aber auffallen – positiv wie negativ. Unsere Selbstwahrnehmung wird dadurch mit der Fremdwahrnehmung abgeglichen.
  3. Achtsamkeit und Meditation: Praktiken wie Achtsamkeit und Meditation fördern die Selbstwahrnehmung und Selbstregulation. Sie helfen Führungskräften dabei, ihre Emotionen besser zu verstehen und zu steuern.
  4. Coaching und Mentoring: Der Austausch mit erfahrenen Mentoren und Mentorinnen oder professionellen Coaches kann Führungskräften helfen, spezifische Aspekte ihrer emotionalen Intelligenz zu verbessern.
  5. Lernen durch Erfahrung: Emotionale Intelligenz wird oft in herausfordernden Situationen entwickelt. Führungskräfte sollten bewusst solche Gelegenheiten suchen, um ihre Fähigkeiten in der Praxis zu stärken.

Übungen und Tools für den Alltag

Um emotionale Intelligenz im beruflichen Alltag zu fördern, können Führungskräfte verschiedene Übungen und Tools in ihre tägliche Routine integrieren. Als akkreditierte EQ-Beraterin kenne ich viele Techniken, hier nur kurz angerissen, was möglich ist:

  • Atemachtsamkeit bedeutet, die Aufmerksamkeit bewusst auf den Atem zu lenken, ohne ihn zu verändern, und ihn einfach so zu beobachten, wie er ist. Du konzentrierst dich auf das Ein- und Ausströmen der Luft, spürst die Bewegung in deinem Körper und kehrst sanft zu diesem Fokus zurück, wenn deine Gedanken abschweifen. Diese einfache Praxis hilft dir, innerlich zur Ruhe zu kommen und im gegenwärtigen Moment zu verweilen.
  • Ein Bodyscan ist eine Achtsamkeitsübung, bei der du diese langsam durch deinen ganzen Körper wandern lässt und dabei jede Empfindung bewusst wahrnimmst, ohne sie zu bewerten. Du beginnst bei den Füßen und arbeitest dich Stück für Stück bis zum Kopf hoch, um Spannungen oder Entspannung zu spüren und sie achtsam zu akzeptieren. Diese Praxis hilft dir, im Moment zu sein, Stress abzubauen und eine tiefere Verbindung zu deinem Körper zu entwickeln.

Grenzen der emotionalen Intelligenz

Emotionale Intelligenz kann folglich ein Stück weit erlernt werden – allerdings nur bedingt. Die Fähigkeit, den EQ zu steigern, wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Angeborene Eigenschaften wie Empathie können stark genetisch bedingt sein, wodurch das Potenzial zur Entwicklung dieser Fähigkeiten variiert. Zudem ist die persönliche Motivation dazu, die emotionale Intelligenz zu vergrößern, entscheidend. Denn wer sich nicht ausreichend zum Lernen motivieren kann, wird weniger Fortschritte machen.

Das organisatorische Umfeld hat einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des EQ. Ein unterstützendes Umfeld fördert diese Entwicklung, während ein toxisches Umfeld sie hemmen kann. Besonders wichtig sind dabei die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Um den EQ weiterzuentwickeln, bedarf es einer Reflexionsfläche sowie Feedback von anderen Personen oder Vorbildern. Kulturelle Unterschiede und psychologische Barrieren, wie die Angst davor, sich verletzlich zu zeigen, können die Entwicklung des EQ zusätzlich erschweren. Hierbei spielen nicht nur Unterschiede in der Unternehmenskultur eine Rolle, sondern auch länderspezifische Gegebenheiten.

Fazit

Emotionale Intelligenz ist eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreiche Führung, und viele Führungskräfte können diese Fähigkeit durch gezielte Arbeit weiterentwickeln. Dennoch ist es wichtig anzuerkennen, dass nicht jeder Mensch dieselben Voraussetzungen hat, um einen hohen Grad an emotionaler Intelligenz zu erreichen. Für einige Führungskräfte kann die Entwicklung des EQ eine größere Herausforderung darstellen, da sie von persönlichen, genetischen oder kulturellen Faktoren beeinflusst wird.

Diese Herausforderungen machen die Arbeit an der emotionalen Intelligenz jedoch nicht weniger lohnenswert. Die Entwicklung des EQ kann dazu beitragen, die Selbstregulierung der eigenen Emotionen zu stärken und damit die Motivation im Team zu fördern. Niemand behauptet, dass dieser Prozess einfach ist, aber am Ende wird sich die (für viele anstrengende) Arbeit am EQ für die Führungskraft, die Mitarbeitenden und das Unternehmen, auch in monetärer Hinsicht, auszahlen.

Autor