Eine aktuelle Blue-Collar-Studie von Onlyfy zeigt: 93 Prozent der befragten Recruiterinnen und Recruiter haben Schwierigkeiten, neue Mitarbeitende für Jobs zu finden, die vor allem von körperlicher Arbeit geprägt sind. Darunter fallen Jobs aus den Bereichen Handwerk, der Industrie, dem Einzelhandel oder klassischen Dienstleistungsberufen wie Beherbergung und Gastronomie sowie Gesundheits- und Sozialwesen. 74 Prozent wollen aktuell mindestens genauso viele neue Mitarbeitende einstellen wie 2022. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die Forsa im Auftrag von Onlyfy durchgeführt hat. Befragt wurden in Deutschland 200 Personalentscheiderinnen und -entscheider in Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden.
Es mangelt an Verfügbarkeit und Qualifikation
80 Prozent der Befragten, die mehr neue Mitarbeitende einstellen wollen als im vergangenen Jahr geben als Grund dafür an, dass die anfallende Arbeit zugenommen hat beziehungsweise nicht durch vorhandenes Personal erledigt werden kann. Trotz rückläufiger Konjunktur kollidiert der Arbeitskräftemangel bei einem Teil der Unternehmen offensichtlich mit einer weiterhin stabilen Auftragslage. Sie trifft auf Personalknappheit, bei der auch der langsam beginnende Rückzug der Babyboomer-Generation vom Arbeitsmarkt seine Schatten voraus wirft.
Die am meisten genannten Gründe, warum es beim Blue-Collar-Recruiting hakt, sind allgemein zu wenige Arbeitskräfte auf dem Markt (83 Prozent), aber auch unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerbenden (62 Prozent). „Trotz Konjunkturkrise ist die Auftragslage vieler Betriebe nach wie vor gut. Unternehmen müssen die Einstiegshürden für eine Bewerbung reduzieren und flexibel agieren, um für Arbeitskräfte attraktiv zu sein“, sagt Frank Hassler, verantwortlicher Vorstand für Recruiting und Employer Branding bei der New Work SE, dem Mutterkonzern von Onlyfy.
Stellenbesetzung oft langwierig
Jedes fünfte Unternehmen braucht für die Besetzung offener Blue-Collar-Jobs über sechs Monate. Der Grund: Auch bürokratische Hürden im Bewerbungsprozess spielen eine Rolle bei der schwierigen Besetzung in diesem Bereich. Beim Thema Bewerbungsunterlagen zum Beispiel gehen die Bedürfnisse von Bewerbenden und Personalverantwortlichen aneinander vorbei. 45 Prozent der Befragten ist es wichtig, sich auch über mobile Endgeräte bewerben zu können. 20 Prozent wünschen sich die Möglichkeit einer One-Click-Bewerbung (zum Beispiel über das eigene Social-Media-Profil). Gut jeder Dritte (35 Prozent) würde sich gerne ohne Anschreiben und jeder Fünfte (20 Prozent) lieber ohne Lebenslauf auf eine neue Stelle bewerben.
Passungsprobleme und Hürden beim Bewerben
Allerdings legen 84 Prozent der befragten Personalverantwortlichen Wert auf einen Lebenslauf, für 66 Prozent sollte er lückenlos sein. Eine vollständige Bewerbungsmappe möchte mehr als jeder zweite Personalentscheider sehen (56 Prozent). Für 63 Prozent sind Arbeitszeugnisse relevant, das Anschreiben für 54 Prozent. „Traditionelle Bewerbungsunterlagen stehen bei vielen Unternehmen weiter hoch im Kurs. Wer allerdings heute im Blue-Collar-Bereich immer noch starr auf Anschreiben, Zeugnisse und Lebenslauf beharrt und zu viele administrative Hürden im Bewerbungsprozess aufstellt, muss sich nicht wundern, wenn er bei Neueinstellungen leer ausgeht“, so Frank Hassler.
Laut knapp jedem zweiten befragten Personalentscheider (44 Prozent) vergehen von dem Moment, in dem sich die Personalabteilung erstmals mit der offenen Position beschäftigt, bis zum ersten Arbeitstag des neuen Mitarbeitenden meist drei bis sechs Monate. Bei 13 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen dauert es sieben bis zwölf Monate – und bei sechs Prozent der befragten Unternehmen sogar länger als ein Jahr.
Jobsicherheit und Gehalt entscheidet
Oft schätzen die befragten Recruiter jedoch auch falsch ein, was ihrer Zielgruppe bei einem neuen Job wirklich wichtig ist. Sie sehen gutes Führungsverhalten (98 Prozent) an der Spitze, gefolgt von pünktlicher Bezahlung (91 Prozent), dem guten Ruf des Unternehmens (90 Prozent) und einem höheren Gehalt (84 Prozent). Auf der Wunschliste dessen, was ein neuer Arbeitgeber bieten sollte, liegt dagegen bei den befragten Arbeitnehmern mit 74 Prozent die Jobsicherheit vorn, dicht darauf folgen ein höheres Gehalt (71 Prozent), pünktliche Bezahlung (70 Prozent) sowie ein attraktiver Standort (69 Prozent).
„Mehr Geld, Jobsicherheit und eine pünktliche Bezahlung sind für viele Blue-Collar-Beschäftigte Gründe für einen Jobwechsel. Damit sie bleiben, müssen Personalentscheidende aber vor allem die Atmosphäre im Arbeitsalltag im Blick haben und auf motivierendes Führungsverhalten sowie eine gute Unternehmenskultur achten. Sonst wird aus dem Perfect Match schnell ein Mismatch“, so Frank Hassler.
Auch bei Benefits und Zusatzleistungen gibt es eine Schere zwischen Erwartung und Wirklichkeit: Die große Mehrheit der befragten Personalentscheider (79 Prozent) geht davon aus, dass Dinge wie ein Smartphone oder Jobticket bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers wichtig sind – tatsächlich sind solche Benefits jedoch nur für 45 Prozent der Blue-Collar-Beschäftigten relevant. Ein Betriebsrat (31 Prozent) beziehungsweise die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft (20 Prozent) ist den befragten Blue-Collar-Beschäftigten dagegen deutlich wichtiger, als Personalentscheidende vermuten (sieben beziehungsweise sechs Prozent).
Kontakte und Empfehlungen als Recruitingkanäle
Der mit Abstand wichtigste Kanal für das Recruiting sind persönliche Empfehlungen beziehungsweise private Kontakte: Jeweils über 90 Prozent der befragten Personalentscheider rekrutieren über diese Quellen, und 61 Prozent der befragten Blue-Collar-Beschäftigten würden bevorzugt auf private Kontakte setzen, wenn sie auf Jobsuche wären. Mit etwas Abstand folgt bei den Personalsuchenden die Bundesagentur für Arbeit (87 Prozent), die jedoch nur 41 Prozent der Blue-Collar-Beschäftigten bei der Jobsuche nutzen würden. Die Möglichkeiten fachspezifischer Jobportale nehmen 51 Prozent der befragten Personaler sowie 46 Prozent der befragten Blue-Collar-Beschäftigten wahr, wenn sie einen neuen Job suchen.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

