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Darum geht es beim HR-Start-up FreeMOM

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Vergangenes Jahr kamen Lena Pieper und Anika Schmidt auf die Idee, eine Freelancing-Plattform für Unternehmen zu bauen. Selbstständige Mütter sowie Unternehmen registrieren sich, geben vorhandene oder gewünschte Kompetenzen an und werden für ein Projekt gematcht – auch unter dem Aspekt des Cultural Fits. Am 4. September 2023, drei Monate nach offizieller Unternehmensgründung, waren sie in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ auf VOX. Dort pitchten sie ihre Idee vor Investoren und Investorinnen. Über den Deal berichten wie hier:


Personalwirtschaft: Wer seid ihr und was habt ihr vor FreeMOM gemacht?
Lena:
Ich habe zunächst Sozialwissenschaften, BWL und Jura studiert und war dann eigentlich mein ganzes Berufsleben lang im Personalwesen: von internationalem HR-Management, Projektmanagement in HR oder auch HR-IT. Zuletzt, vor meiner Elternzeit, war ich Head of HR. 2019 habe ich eine Tochter bekommen. Während der Elternzeit wurde mir gesagt, dass es meine Stelle nicht mehr gibt. Als ich zurückkam, haben mein Anspruch an Flexibilität im Job und den Anforderungen des Unternehmens an eine Arbeitskraft nicht mehr zusammengepasst. Kinderbetreuung, Organisationsstrukturen und Büropräsenz macht es Eltern im Job einfach schwerer. Daher habe ich mich als HR-Managerin selbstständig gemacht.
Anika: Ich habe Psychologie studiert und ebenso meine Karriere im Personalbereich gestartet. Ich habe mich dabei in verschiedenen HR-Funktionen unter anderem mit den Themen Change und auch New Career beschäftigt. Recht früh in meiner Karriere habe ich Lena kennengelernt, denn wir haben beide bei dem Marktforschungsunternehmen GfK als HR Business Partner gearbeitet. Auch ich bin dann in Elternzeit gegangen und habe ebenso wie Lena die Vereinbarkeit vermisst. Das war allerdings auch noch vor Corona und eine Remote-Tätigkeit war einfach noch nicht üblich.

Eure eigenen Erfahrungen haben euch also zur Idee von FreeMOM gebracht?
Lena:
Ganz genau. Wir haben schnell gemerkt, dass es zwar einige Freelancer-Plattformen gibt, aber keine, die flexible, teilzeitfähige Projekte und Vereinbarkeit in den Fokus stellen. Wir waren und sind immer noch der Meinung, dass Flexibilität, Vereinbarkeit und mehr Selbstbestimmung wichtig sind, um den selbstständigen Müttern gewährleisten zu können, dass sie die Aufträge der Unternehmen umsetzen können. Nur dann stehen sie wirklich als Potenziale für den Arbeitsmarkt zur Verfügung. Im Übrigen fußt unsere Geschäftsidee nicht nur auf unseren eigenen Erfahrungen – vielen Müttern geht es so. Immer wieder haben wir hier wiederkehrende Mütter aus der Elternzeit begleitet und die Schwierigkeiten gesehen.

Was genau erleben sie?
Lena:
Ihnen wird nach der Elternzeit auf einmal weniger zugetraut und sie werden anders behandelt. Nicht selten wird gesagt „Du hast ja jetzt andere Prioritäten“. Und schnell kommt man in deren Augen für gewisse Projekte und Aufgaben nicht mehr in Frage. Unser Ziel ist es, Müttern die Unabhängigkeit zurückzugeben. 

Und bei FreeMOM können die Mütter sicher sein, dass die Unternehmen sie nicht auf ihre familiäre Situation reduzieren?
Anika: Sie können sicher sein, dass die Unternehmen auf unserer Plattform Verständnis mitbringen, ohne sie auszuschließen. Bei der Arbeit als Freelancerin geht es aber vor allem nicht um die Frage, was man noch mit begrenzteren Ressourcen schaffen kann, sondern die Kompetenz und das konkrete Projekt. Beide Seiten stimmen unserer FreeMOM-Charta zu, garantieren also ein familienfreundliches, ortsunabhängiges Freelancing für Working Moms.

So viel zu den Müttern. Aber nicht jedes Produkt wird von den Unternehmen tatsächlich gebraucht – selbst wenn es das noch nicht gibt.
Anika:
Absolut! Die Frage „Braucht das denn die Welt?“ haben wir uns natürlich gestellt. Wir haben viele Gespräche mit Unternehmen geführt. Es gab bislang noch viel zu sehr die Denk- und Vorgehensweise, dass automatisch eine festangestellte Vollzeit-Arbeitskraft gesucht wird, wenn es Personalbedarf gibt. Das muss sich ändern, denn viele Menschen mit einer großen Expertise fallen dann schon aus dem Pool. Das Ideal der Festanstellung als einzige Form der Karriere ist nicht mehr zeitgemäß. Und wie wir alle wissen, geht diese Denkweise mit dem aktuellen Arbeitsmarkt auch gar nicht auf. Der Fachkräftemangel hat die Unternehmen inzwischen darauf aufmerksam gemacht, wie viele Arbeitskräfte es noch gibt, wenn man Mütter wieder auf den Arbeitsmarkt kriegt. Freelancing ist einer der Wege und kommt Müttern wie auch Unternehmen entgegen.

Lena Pieper (l.) und Anika Schmidt präsentieren die Job-Matching-Plattform für Working Moms: FreeMOM. (Foto: RTL/Bernd-Michael Maurer)

Was können Unternehmen und HR-Abteilungen von eurer Plattform im Gegensatz zu anderen Anbietern erwarten?
Anika:
Wir enden nicht beim Matchmaking, sondern bieten Services von Matching bis Bezahlung. Zudem findet man bei uns erfahrene Freelancerinnen, die man sonst so auf anderen Plattformen nicht findet. Die selbstständigen Mütter sind in ihrem Berufsleben meistens schon weiter und kommen tendenziell nicht frisch von der Uni. Das sieht man an dem Durchschnittsalter der Mütter von Erstgeburten. Unsere Freelancerinnen sind schnell eingearbeitet und arbeiten unserer Erfahrung nach extrem effizient und organisiert.

Ihr heißt FreeMOM – was ist denn mit den Vätern?
Lena:
Working Moms sind erst der Anfang. Sie sind ein großer Hebel für den Fachkräftemangel und Innovationsstau. Wir prüfen aber nicht nach, ob jemand wirklich eine Mutter oder eine Frau ist. Wir fangen erst einmal mit den Müttern an, weil es bei ihnen einfach die größten gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Probleme gibt. Die Domains FreeDAD oder FreePARENTS sind aber bereits gesichert. Es gibt viele Gründe, weshalb mehr Vereinbarkeit notwendig ist: Behinderungen, Pflege von Angehörigen, chronische Krankheiten. Wir schließen niemanden aus, im Gegenteil!

Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie die Erstellung der zahlreichen Newsletterformate sowie unser CHRO-Panel.