Die gute Nachricht ist: Unternehmen, die sich um einen sinnvollen Ausbau ihrer Arbeitgebermarke kümmern, können bestenfalls schon in Kürze wichtige Erfolge feiern. Doch um sich gegen den Wettbewerb zu behaupten, ist ein Umdenken zwingend notwendig: Arbeitgeber müssen sich deutlich bewusster positionieren und ihre Vorzüge aktiv kommunizieren, sich nicht kleiner machen als sie sind – aber auch nicht größer. Employer Branding als Werkzeug, um sich der eigenen Arbeitgeberidentität bewusst zu werden, das Leben zeitgemäßer Werte und humane Arbeitsbedingungen sind dabei die Mittel der Wahl.
Dabei reichen flotte Sprüche aber nicht aus, ebenso wenig wie die Vortäuschung unechter Tatsachen. Workwashing ist genauso der falsche Weg wie Green- oder Pinkwashing. Gerade die jüngeren Generationen sind diesbezüglich enorm sensibilisiert. Employer Branding ist nichts, was zwischendurch erfolgt, wenn es gerade in den Zeitplan passt. Vielmehr handelt es sich um einen langfristigen, kontinuierlichen Prozess, bei dem Arbeitgeber gut darauf achten sollten, wie sich die Bedürfnisse der Menschen ändern. Die besten Chancen beim Wettlauf um passende Kandidaten haben solche Unternehmen, die am Puls der Zeit (oder besser: des Arbeitsmarkts) sind.
Post & Pray funktioniert nicht mehr
Das gilt umso mehr für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Sie machen zwar einen bedeutenden Teil der deutschen Wirtschaft aus und stehen in einem intensiven Wettbewerb mit vielen nationalen wie internationalen Playern. Doch während Konzerne, wie sie etwa im DAX zu finden sind, auch entsprechende Bekanntheit in der Öffentlichkeit genießen, so sieht das bei vielen KMU ganz anders aus. Zwar mag es den einen oder anderen Hidden Champion geben, der auch überregional bekannt ist. Jedoch muss die Mehrheit der Arbeitgeber (besonders im B2B-Bereich) um Aufmerksamkeit im Wettbewerb um die Talente buhlen.
Dabei ist klar, dass qualifizierte Mitarbeitende für Unternehmen elementar sind. Doch was sollten KMU tun, um bei der Suche nach Personal nicht auf der Strecke zu bleiben. Abwarten kommt als Strategie jedenfalls nicht mehr infrage. Stattdessen müssen Zielgruppen und Persona neu gedacht und definiert werden. Mit neuen Definitionen gehört auch die bisherige HR-Kommunikation bei vielen Unternehmen dringend auf den Prüfstand. Post & Pray funktioniert inzwischen selbst für Konzerne nicht mehr. Kurzum: Proaktive Kommunikation und Kandidatendialoge auf Augenhöhe sind für die Wettbewerbsfähigkeit von KMU heute alternativlos. Und damit steigt auch der Anspruch an eine zeitgemäße und starke Identität als Arbeitgeber – gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen.
Aktuelle Mitarbeitende nicht vergessen
Was dabei gerne vergessen wird: Vereinfacht gesagt gibt es drei Arten von Mitarbeitenden, potenzielle, aktuelle und ehemalige. Wichtig für das Employer Branding sind dabei nicht nur die potenziellen, sondern vor allem auch die aktuellen Mitarbeitenden. Arbeitgeber müssen darauf achten, dass Beschäftigtete sich wohlfühlen und ihnen gegenüber möglichst (lange) loyal bleiben. Zumindest, solange sie dem Unternehmen auch tatsächlich Nutzen stiften und keinen Schaden anrichten. Das Zauberwort dafür lautet Retention. Bindung entsteht dann, wenn eine Vielzahl von Arbeitgeberfaktoren zusammenpassen. Die Bezahlung gehört ebenso dazu wie eine passende Aufgabe, die bestenfalls auch Sinnhaftigkeit bietet. Die Unternehmenskultur, sprich der Umgang untereinander sowie mit und von Führungskräften spielen eine Rolle, genauso wie Benefits. Regelmäßige (und nicht nur einmal im Jahr durchzuführende) Mitarbeiterbefragungen sind für Arbeitgeber ein gutes Mittel, um sich verändernde Bedürfnisse in der Belegschaft zu erkennen.
Dabei ist die Situation von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Ein Beispiel: Zunehmend lauter werden die Rufe nach mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit. Je nach Zusammensetzung der eigenen Belegschaft fällt es im Dienstleistungssektor leichter, Workations oder eine Vier-Tage-Woche zu etablieren als etwa in Industrieunternehmen. Doch auch dort gibt es inzwischen hilfreiche Vorbilder zur erfolgreichen Umsetzung.
Was bei nahezu allen Unternehmen allerdings gleich ist: Das „Update“ der Unternehmenskultur gehört zu den schwierigsten Schritten auf dem Weg zu einer attraktiven Arbeitgebermarke. Denn die Kultur ist häufig über Jahre oder gar Jahrzehnte gewachsen. Es bedarf also eines sehr gezielten Vorgehens, um eingefahrene Werte und Verhaltensmuster zu verändern.
Stellen sofort nachbesetzen
Ehemalige Mitarbeitende können zwar, wenn sie im Guten gegangen sind, wertvolle Botschafter des Unternehmens sein. Viel wichtiger sind Abgänge aber im Zusammenhang mit einer Faustregel, die Unternehmen unbedingt verinnerlichen sollten: Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, hinterlassen eine Lücke, die gefüllt werden muss. Diese Lücke spart keine Kosten ein, im Gegenteil, diese verursacht Kosten und birgt weitere Risiken. Zum einen entstehen Kosten, weil die Arbeit liegen bleibt. Andererseits kostet jeder neu angestoßene Recruiting-Prozess Geld und Zeit. Letztlich besteht das Risiko, dass sich die Zufriedenheit der Kollegen des Ex-Mitarbeiters rapide verschlechtert, weil sie unter der Mehrarbeit leiden. Der „worst case“ wäre es nun, wenn weitere KollegInnen das Unternehmen verlassen. Solche Situationen können durch rechtzeitiges Handeln – also konsequentes Employer Branding im besten Fall verhindert werden.
Bei den potenziellen Mitarbeitenden wiederum vergessen manche Mittelständler wiederum den Blick über die Landesgrenzen hinaus. Dabei setzt ein erheblicher Teil von ihnen Waren oder Dienstleistungen außerhalb Europas ab. Sie gelten damit als „global player“. Für einige dieser Unternehmen stellen außereuropäische Märkte sogar den Hauptabsatzmarkt dar. Internationalisierung und Globalisierung sind für KMU nicht nur hinsichtlich der Absatzmärkte, sondern auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt ein Thema. Denn der ist ebenfalls längst globalisiert. Die besten Fachkräfte sitzen nicht mehr zwangsläufig in Deutschland oder gar in einer bestimmten Region. Arbeit und Arbeitskräfte sind zunehmend ortsunabhängig. Bedeutet: Eine ausschließlich regionale Betrachtung des Arbeitsmarktes und der eigenen Arbeitgebermarke ist nicht mehr zeitgemäß.
Ausblick auf die nächsten Folgen
Das regelmäßige erhobene Mittelstandsbarometer von EY zeigte schon 2021, dass sieben von zehn Mittelständlern in Deutschland Schwierigkeiten haben, geeignete Fachkräfte zu finden. Für Mittelständler stellt der Fachkräftemangel ein großes Risiko für die Geschäftsentwicklung dar.
In den folgenden Monaten wird es an dieser Stelle daher darum gehen, wie kleine und mittelständische Unternehmen wirksames Employer Branding betreiben können. Die Entwicklung sowie interne Verankerung der Arbeitgebermarke spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Gestaltung messbarer Ziele für Employer Branding und Recruiting. Ebenso richte ich den Blick auf benötigte Ressourcen und Zuständigkeiten im HR. Budgets spielen auch im Personalwesen eine wichtige Rolle wollen sinnvoll und zielorientiert verteilt werden.