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„Great Resignation“-Debatte: Gallup-Studie liefert neue Erkenntnisse

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Gibt es in Deutschland eine „Great Resignation“ und damit eine Kündigungswelle aufgrund der Corona-Pandemie oder nicht? Diese Frage bleibt umstritten. Material für die Diskussion bietet auch der aktuelle Gallup Engagement Index, den das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gallup. Für den Index wurden im November und Dezember des vergangenen Jahres insgesamt 1.500 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab 18 Jahren repräsentativ befragt.

Nur jeder Sechste emotional an Unternehmen gebunden

Das Ergebnis: Nur wenige Mitarbeitende haben hierzulande einen emotionalen Bezug zu ihrem Arbeitgeber. Lediglich 17 Prozent der Beschäftigten fühlen sich emotional an ihr Unternehmen gebunden – übrigens genauso viele wie im ersten Corona-Jahr. Damit hat sich durch die Pandemie wenig verändert. Seit 2012 hatte der Wert immer bei 15 oder 16 Prozent gelegen. Komplett ungebunden fühlen sich dennoch nur wenige (14 Prozent). Mit 69 Prozent gibt jedoch die große Mehrheit an, nur gering an den Arbeitgeber gebunden zu sein – ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Ein Viertel der Beschäftigten plant Jobwechsel in diesem Jahr

Anders als beim Verbundenheitsgefühl ist die Bereitschaft, seinen Arbeitgeber zu wechseln, seit dem Ausbruch des Corona-Virus gestiegen. Nur 60 Prozent der Studienteilnehmer gaben in der aktuellen Befragung an, dass sie innerhalb der nächsten zwölf Monate auf jeden Fall noch in ihrem Unternehmen arbeiten wollen. In der Vorbefragung waren es 61 Prozent – bereits ein deutlicher Rückgang gegenüber 2019 (73 Prozent) und 2018 (78 Prozent). Corona hat also offenbar zu einer gesunkenen Loyalität der Beschäftigten geführt. Fast ein Viertel (23 Prozent) möchte in einem Jahr nicht mehr beim aktuellen Unternehmen tätig sein.

Aber auch die mittelfristige Wechselbereitschaft hat zugenommen. 42 Prozent planen, innerhalb der nächsten drei Jahre zu wechseln. Rund jeder siebte Befragte (14 Prozent) gibt an, bereits aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle zu sein – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor (sechs Prozent) und der höchste Wert, der bei dieser Frage, die seit 2014 gestellt wurde, bislang gemessen wurde. Der Anteil der Jobsuchenden ist damit laut des Gallup Engagement Index sogar erstmals höher als in den USA, wo derzeit zehn Prozent der Beschäftigten neue Arbeitgeber suchen, was dort als „Great Resignation“ bezeichnet wird.

Je höher die Bindung, umso größer die Loyalität

Diese Abwanderungsgedanken werden tendenziell weniger, wenn sich Mitarbeitende stark an ihr Unternehmen gebunden fühlen: Von ihnen wollen 95 Prozent ihrem Arbeitgeber in einem Jahr noch die Treue halten, während dies bei jenen mit geringer Bindung lediglich 58 Prozent und bei denen ohne Bindung nur 27 Prozent vorhaben. In drei Jahren beabsichtigen noch 82 Prozent der hoch gebundenen Beschäftigten, bei ihrem derzeitigen Unternehmen tätig zu sein gegenüber 58 Prozent bei den gering und 51 Prozent bei den gar nicht Gebundenen.


„Bei der emotionalen Bindung spielen weniger die Rahmenbedingungen, sondern vor allem gute Führungskräfte eine entscheidende Rolle“,

kommentiert Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup, das Befragungsergebnis.


Es gehe mehr denn je darum, Wertschätzung zu zeigen und Menschen als Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen wahrzunehmen. Außerdem sollten Unternehmen ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen, um Personal zu binden und zu rekrutieren, ergänzt Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup in EMEA. Das erscheint umso wichtiger, als fast jeder dritte befragte Beschäftigte (31 Prozent) in den vergangenen zwölf Monaten bereits von Headhuntern oder Personalberatern angesprochen wurde. Zum Vergleich: 2019 berichteten das nur 15 Prozent der Studienteilnehmenden. Im Übrigen zeigt die Studie, dass Beschäftigte mit einer hohen emotionalen Bindung ihr Unternehmen ungleich häufiger weiterempfehlen als jene mit geringer oder keiner Bindung.

Stellenwert der Arbeit verändert sich

Doch nicht nur die Wechsel-, sondern auch die Arbeitsniederlegungsbereitschaft ist gestiegen. Die Studienteilnehmenden wurden gefragt, ob sie ihrem Job weiter nachgehen würden, wenn sie so viel Geld erben würden, dass sie nicht mehr arbeiten müssten. Weniger als zwei Drittel (61 Prozent) bejahten die Frage – vor fünf Jahren sagten noch gut drei Viertel (77 Prozent), dass sie auch bei finanzieller Unabhängigkeit weiter berufstätig sein würden. Dafür könnten der erhöhte Stress und die für viele Menschen erschwerten Arbeitsbedingungen seit 2020 der Grund sein.

Außerdem geht aus anderen Umfragen hervor, dass sich viele Beschäftigte in den vergangenen zwei Jahren vom Arbeitgeber im Stich gelassen fühlten; diese Erfahrungen mögen ebenfalls eine Rolle spielen wie auch die Entwicklung, dass so mancher Berufstätige den Sinn seiner Tätigkeit stärker hinterfragt als bisher, so die Studienverfasser. Die Parameter der Arbeitswelt hätten sich grundlegend verschoben, sagt Marco Nink. Angesichts der Situation, dass in den nächsten Jahren viele Babyboomer in Rente gingen, gelte es daher für Unternehmen, die Rahmenbedingungen stärker an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen und flexiblere Regelungen auch weiterhin zu ermöglichen.

Die Studienergebnisse stehen hier zum Download bereit.


Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.