Der während der Corona-Pandemie befürchtete Einbruch der Personaldecke im Pflegebereich ist ausgeblieben, sogar das Gegenteil ist der Fall: Die Anzahl der Beschäftigten ist in diesem Bereich durchschnittlich gewachsen. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die sozialversicherungspflichtig beschäftigte Pflegefachkräfte und Pflegehilfskräfte im Gesundheits- und Pflegesektor im Zeitraum 2016 bis 2021 erfasste. Laut Co-Autorin Prof. Dr. Gesine Stephan wurden dabei allerdings Personen, die in der Zeitarbeit tätig sind, nicht berücksichtigt.
Leichter Rückgang in Pflegeheimen, Anstieg in Krankenhäusern
Von 940.000 im Jahr 2016 stieg die Zahl bis 2021 auf 1.020.000, was ein Wachstum von etwa 8,5 Prozent darstellt. Der allgemeine Anstieg in allen Berufsgruppen im selben Zeitraum liegt bei lediglich 4,4 Prozent.
Aufgefächert auf einzelne Berufsgruppen innerhalb der Pflege gibt es einen leichten Rückgang bei Fachkräften in Pflegeheimen. Einen besonders starken Anstieg verzeichnet die Studie hingegen bei Hilfskräften in Krankenhäusern (30 Prozent) und in der ambulanten Pflege (32 Prozent).
Pandemie hatte kaum Auswirkung
„Insgesamt zeigen sich für keine der untersuchten Berufsgruppen im Zeitverlauf größere Veränderungen“, so die Verfasser der Studie. „Der befürchtete verstärkte Personalabgang aus dem Sektor ist damit nicht eingetroffen.“ Dies zeigt sich insbesondere im Vergleich zu einer anderen von der Pandemie besonders betroffenen Branche: Allein 2020 entschieden sich 27,4 Prozent der Mitarbeitenden in der Gastronomie und Hotellerie zum Wechsel des Berufsfelds.
Wenn in der Gesundheitsbranche gewechselt wurde, dann eher intern. Dies zeigen die Zahlen vor allem für Fachkräfte in der ambulanten Pflege: Nach einem Jahr wechselten 15 Prozent in einen anderen Betrieb, nach zwei Jahren fast jede vierte Fachkraft. Pflegekräfte in Krankenhäusern stellen die Berufsgruppe mit der höchsten Beschäftigungsstabilität dar. Nach einem Jahr waren 90 Prozent der dort beschäftigten Fach- und Hilfskräfte noch im selben Betrieb, nach zwei Jahren 80 Prozent.
Auf den erfassten Zahlen sollten sich Arbeitgeber in der Pflege jedoch nicht ausruhen. Vermutlich spüren sie den Zuwachs an Personal aufgrund der folgenden Zahlen auch nicht besonders. Denn die Pflegebranche ist laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit weiterhin am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen. Auch in der Engpassbewertung der Bundesagentur für Arbeit, die analysiert, wie viele Arbeitskräfte im Vergleich zum Bedarf vorhanden sind, wird die Statistik von der Pflegebranche angeführt.
Dies muss sich dringend ändern. In einer Schätzung von PwC Deutschland wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland mindestens 400.000 Vollzeitkräfte im Gesundheitswesen fehlen werden, davon etwa allein 330.000 in der Kranken- und Altenpflege, „wenn die Politik nicht entschieden gegensteuert“. Ein Grund ist der demografische Wandel. Dies betrifft nicht nur alternde Pflegekräfte, für die der Nachwuchs fehlt, sondern auch die alternde Gesellschaft, die zukünftig mehr Pflege benötigt. Untersuchungen wie der Index „Gute Arbeit“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds zeigen zudem eine hohe Unzufriedenheit der Mitarbeitenden mit den Arbeitsbedingungen in der Pflege. Gründe sind unter anderem die Belastungen durch häufige Nacht- und Schichtarbeit.
Pflegekräfte aus dem Ausland
Eine vermehrte Rekrutierung von ausländischen Fachkräften ist ein Konzept zur Lösung dieses Problem. Gezielt an Pflegekräfte aus dem Ausland richtet sich das Programm „Triple Win“ von der Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), das 2013 gestartet wurde. Bisher ist der Erfolg allerdings überschaubar: Die deutsche Ärztezeitung berichtete 2023, dass bis einschließlich 2022 darüber insgesamt nur 4747 Pflegekräfte angeworben wurden – ein winziger Bruchteil, bedenkt man, dass im selben Jahr laut Mikrozensus knapp 1,68 Millionen Menschen in der Pflege arbeiteten. 76 Prozent dieser vermittelten Pflegekräfte aus dem Ausland arbeiteten in Krankenhäusern, rund 22 Prozent in der Altenpflege. In die ambulante Pflege kam nur rund ein Prozent.
Der Grund für diese schleppende Entwicklung sind vor allem gesetzliche und bürokratische Hürden. Zwar hat die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu verbessern – aktuell fehlen aber noch zwei der drei Ausbaustufen. Und von den vorliegenden Anträgen auf Anerkennung pflegeberuflicher Ausbildungen wird oft nur ein Bruchteil bearbeitet. Auch die Engpassanalyse zeigt, dass der Anteil der ausländischen Beschäftigten in der Pflege zu langsam steigt.
Neue Fachkräfte ausbilden
Die Einwanderung von Pflegekräften dürfte aber nur dann Wirkung zeigen, wenn die Beschäftigten auch in dem Beruf bleiben wollen, wie folgende Statistik der Untersuchung „Integration@Work“ der Universität Konstanz zeigt: Die Kündigungsabsicht von zugewanderten Azubis ist in Pflege- und Gesundheitsberufen im Vergleich zu anderen Berufen hoch (41 Prozent).
Zum Jahresende 2022 befanden sich insgesamt 146.500 Personen in der Ausbildung zum Beruf der Pflegefachfrau beziehungsweise des Pflegefachmanns. Davon hatten 52.300 Auszubildende im Jahr 2022 einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Rückgang um 4.000 Verträge, das sind 7 Prozent.