Bei der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach werden in naher Zukunft viele derzeit noch Berufstätige in den Ruhestand gehen und aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Damit ist die Kommune nicht allein, auch andere Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes stehen aufgrund des demografischen Wandels vor besonderen personellen Herausforderungen.
Mit neuen Wertesystemen umgehen
Anspruchsvoller wird das Recruiting – gerade für Organisationen des öffentlichen Dienstes mit ihrer eingeschränkten Flexibilität bezüglich finanzieller Möglichkeiten aufgrund des relativ starren Tarifvertrages – noch durch die sich wandelnden Wünsche und Vorstellungen der Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Arbeitnehmermarkt. Diese wünschen sich etwa mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes und der Arbeitszeit sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach kann nicht in allen Berufsgruppen mit den Gehältern mithalten, die in der freien Wirtschaft gezahlt werden. Aber sie bietet viele andere Benefits. Arbeitsbedingungen, Gestaltungsmöglichkeiten, Handlungsspielräume, Teamklima, Sinnhaftigkeit der Tätigkeit durch eine Orientierung am Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung – all das sind Aspekte, die die Attraktivität des Arbeitgebers für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten sowie für Mitarbeitende ausmachen und mit der die Verwaltung bisher noch zu wenig für sich geworben hat, wie auch eine personalstrategische Analyse zeigte. An der Etablierung einer und der Bewerbung der Arbeitgebermarke wird daher seit 2020 gearbeitet. Am Rande sei erwähnt, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie diesen Prozess erschwerten.
Für die Personalabteilung der Stadtverwaltung war klar, dass sie diesen Prozess nicht alleine bewerkstelligen kann und dass es Marketingexpertise braucht. Die Wahl fiel bei der Suche nach einem Partner auf die Employer-Branding-Beratung usense GmbH.
Info
Bei der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach kümmern sich rund 1500 Beschäftigte um die Anliegen der circa 110 000 Einwohner der Stadt. Die Organisationsstruktur der Stadtverwaltung sieht zehn Fachbereiche und einen Verwaltungsvorstand vor. Ein großer Teil der Verantwortung für das, was die Verwaltung leistet, liegt bei den Beschäftigten selbst.
Die Markenentwicklung
Bereits vor dem Start des Projektes hatte die Personalabteilung mit Beschäftigten aus unterschiedlichen Bereichen und Hierarchieebenen das Thema diskutiert und erste Erkenntnisse zusammengetragen. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass die Stadtverwaltung bei zu wenigen potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten als Arbeitgeberin bekannt gewesen ist und die Vorteile, die die Stadt bietet, nicht kommuniziert wurden. Außerdem musste die Stadtverwaltung vor allem bei potenziellen Bewerbenden im Umland bekannter gemacht werden, da hier das größte Rekrutierungspotenzial liegt. Nach diesen ersten Workshops entwickelte die Personalabteilung zusammen mit der Beratung den weiteren Prozess.
Dafür wurden zunächst die in den Recruiting-Prozess eingebundenen Personalerinnen und Personaler jeweils in Interviews von den Beraterinnen und Beratern nach ihren Erfahrungen gefragt und die Ergebnisse der Workshops gemeinsam analysiert und systematisiert. Etwa, welche Personentypen Zielgruppe sind und von welchen Personentypen sie glauben, dass sie an der Stadtverwaltung als Arbeitgeberin interessiert wären (Persona-Konzept). Auch die Benefits, die zu einer Bewerbung führen können, wurden erarbeitet.
Danach folgte der für den weiteren Prozess elementare Schritt: Gemeinsam wurden die Kernemotionen herausgearbeitet. Emotionen bilden die Grundlage für Entscheidungen, wie neurowissenschaftliche Studien belegen. Als Kernemotionen für die Kampagne wurden „Fürsorge“, „Stolz“, „Sicherheit“ und „Gemeinschaft“ identifiziert. Diese Emotionen spiegeln die Arbeit der Beschäftigten wieder und sollen bei den Kandidatinnen und Kandidaten Interesse wecken, sich zu bewerben.
So stehen etwa Bilder, die zeigen sollen, dass sich Mitarbeitende bei der Stadtverwaltung einbringen und mitwirken sowie das Lebensumfeld mitgestalten können, zusammen mit veranschaulichter Bürgernähe für die Kernemotion „Fürsorge“. Die veranschaulichte Bewältigung der gerade in den letzten Jahren vielseitigen, komplexen und herausfordernden Aufgaben mit der Einbeziehung der unterschiedlichen Interessen von Kommunalpolitik, Stadtgesellschaft und Verwaltung stehen für die Emotion „Stolz“.
Die Emotion „Sicherheit“ sollte beispielsweise durch Bilder hervorgerufen werden, die zeigen, dass sich die Verwaltung um die Beschäftigten kümmert und sie auch in unsicheren Zeiten, etwa durch eine feste Arbeitsstelle, absichert. Das Gefühl von „Gemeinschaft“ sollte zum Beispiel damit hervorgerufen werden, dass Bilder die Zusammenarbeit als harmonisch und von Teamspirit geprägt zeigen.
Bildwelten aus dem Alltag
Für diese erzählten Stories wurden passende Situationen im Arbeitsalltag gesucht und identifiziert, Settings erarbeitet, Musik für Videos ausgesucht und die Tonalität auf Plakaten und in Videos angepasst. Entscheidend für den Kampagnenerfolg war auch, dass der Prozess und die Ziele intern in einem Video erläutert und kommuniziert wurden, in dem die Projektleiterinnen und Führungskräfte der Stadt Beschäftigte dazu aufriefen, sich als Darstellerin oder Darsteller zu melden. Ein Budgetierungsplan, welche Inhalte wann und über welchen Kanal ausgespielt werden sollten, wurde ergänzend festgelegt. Die ersten Plakate hingen Ende 2020/Anfang 2021 in der Stadt. Da waren auch die Landingpage und der Film zur Arbeitgebermarke umgesetzt. Im Jahre 2021 wurden weitere Motive entwickelt und die Grundlage für die Ausrichtung auf spezielle Bereiche wie Jugendsozialarbeit, Rettungsdienst, Azubis oder Hochbau gelegt. Die Kampagnen wurden in 2022 begonnen und gezielt auch über Social Media getestet.
Organisationsentwicklungsprozess statt Projekt
Im Prozess hat sich gezeigt, dass die Markenbildung gerade im Bereich der Arbeitgebermarke ein Veränderungsprozess ist, der auch die interne Akzeptanz durch aktive Einbindung von Beschäftigten zum Ziel haben muss. Für die Akzeptanz in der Belegschaft hat es sich auch vor diesem Hintergrund bewährt, dass die Darstellerinnen und Darsteller der Kampagne bereits Beschäftigte der Verwaltung waren. Das erhöhte den Wiedererkennungswert und die Identifikation mit der Organisation. Außerdem lassen sich die Inhalte so authentisch kommunizieren. Zusätzlich ist die Wirkung nach innen größer und erfüllt Mitarbeitende mit Stolz, die eigene Arbeit und die eigene Person darstellen zu können.
Außerdem hat ein Bewerbungsinterviewtraining unterstützt, in dem der Fokus auf der Frage lag, wie Rekrutierende in einem Bewerbungsgespräch für die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach werben können. Denn die Arbeitgebermarke hört nicht am Plakat auf.
Dreimal mehr Klicks
Das Projekt war erfolgreich. Aufmerksamkeit wurde generiert, Personal rekrutiert. Dies zeigt sich zum einen an verdreifachten Klickzahlen auf der Landingpage. Auch das Feedback von Kandidatinnen und Kandidaten ist positiv. Ergänzend ist zu erwähnen, dass sich die Sichtbarkeit insgesamt (Veranstaltungen, Social-Media-Kanäle, Stellenportale et cetera) verbessert hat. Doch eine Arbeitgebermarke verändert sich laufend. Sie muss deshalb kontinuierlich angepasst und beworben werden, um dauerhaft zu wirken, auf dem Arbeitsmarkt präsent zu sein und beim Recruiting zu helfen. Die Stadt Bergisch Gladbach behauptet sich damit auf dem engen Arbeitsmarkt.
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