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Ein Pay Gap kommt selten allein

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Frauen verdienen pro Stunde 16 Prozent weniger als Männer. Obwohl sich der Gender Pay Gap von 2023 auf 2024 so stark verringert hat wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung im Jahr 2006, werden Frauen bezüglich des Lohns immer noch stark benachteiligt. So verdienen sie durchschnittlich 22,24 Euro pro Stunde, während sich ihre Kollegen über 26,34 Euro freuen können. Der bereinigte Gender Pay Gap, bei dem unter anderem die Tatsache, dass Frauen häufiger in schlechter bezahlten Jobs arbeiten als Männer, herausgerechnet wird, ist allerdings unverändert bei 6 Prozent. Auf diese Lohnlücke macht der Aktionstag Equal Pay Day aufmerksam.

Doch Lohndiskriminierung findet nicht nur aufgrund des Geschlechts statt. Auch Diversitätsaspekte wie Migrationsgeschichte, soziale Herkunft, Behinderungsgrad und das Mutterdasein können Grund für eine Benachteiligung beim Gehalt sein. Einige dieser Merkmale führen sogar zu einer stärkeren Diskriminierung bezüglich des Lohns als das Geschlecht. Ein Überblick.

Info

Migration Pay Gap

Die Lohnlücke zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ist der größte nachgewiesene Pay Gap, den wir in Deutschland haben. Dafür ist er allerdings wenig erforscht. Laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben ausländische Vollzeitbeschäftigte 2019 rund 2.600 Euro brutto verdient. Das waren etwa ein Viertel (25 Prozent) weniger als Menschen mit einer deutschen Staatsbürgerschaft verdient haben (rund 3.500 Euro brutto).

Die Lohnlücke hat ihre Ursachen auch in einer teilweise geringeren Berufserfahrung der ausländischen Beschäftigten, einer fehlenden Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse und Sprachbarrieren. Rechnet man diese Aspekte mit ein, liegt der bereinigte Migration Pay Gap bei 6 Prozent. Damit ist er genauso hoch wie der bereinigte Gender Pay Gap.

Apropos Geschlecht: Der Migration Pay Gap wird stark durch das Geschlecht beeinflusst. 2008 hat das Zentrum für Europäische Wirtschaft (ZEW) die Lohnlücke zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund untersucht. Anders als bei den BA-Zahlen werden hier nicht nur die Gehälter von ausländischen und deutschen Beschäftigten verglichen. Vielmehr wird hier der Lohn von Menschen mit ausländischem Pass und solchen mit Migrationshintergrund mit dem Lohn von Menschen ohne Migrationshintergrund verglichen. Die damalige Erkenntnis: Bei den Männern liegt der Migration Pay Gap bei 11 Prozent, bei den Frauen bei 20 Prozent. Interessanterweise ändert sich das Verhältnis, wenn man den Lohn deutscher Staatsangehöriger mit und ohne Migrationshintergrund vergleicht: Der Migration Pay Gap ist hier bei den Männern höher (16,5 Prozent) als bei den Frauen (14,8 Prozent).

Wie hoch der Lohnunterschied ist, hängt auch vom Berufsfeld ab. Die IQ Fachstelle Einwanderung und Integration Hamburg fand heraus, dass die Differenz zwischen Beschäftigten mit und ohne deutscher Staatsangehörigkeit im Baugewerbe und Bauhandwerksberufen bei etwa 33,6 Prozent lag, im Rohrleitungsbau bei 21,6 Prozent und im Tiefbau bei nur 0,6 Prozent. In der IT-Branche verdienten ausländische Staatsangehörige sogar mehr als Deutsche.

Class Pay Gap

In Großbritannien gibt es Studien, die nachweisen, dass Menschen aus sozial schwächeren Schichten tendenziell weniger verdienen als ihre Kollegen und Kolleginnen, die aus Akademikerfamilien stammen. Laut einer Untersuchung des Netzwerks Social Mobility Foundation lag der Class Pay Gap zwischen 2014 und 2021 durchschnittlich bei 13 Prozent. Eine ähnliche Zahl offenbart der Gehaltsreport des Wirtschaftsprüfers PwC aus dem Jahr 2021. Demnach gab es bei PwC in Großbritannien einen Class Pay Gap von rund 12 Prozent. Der Class Pay Gap wird durch das Geschlecht und den Migrationshintergrund verstärkt. So zeigen die Zahlen der Social Mobility Foundation: Frauen, die in der Arbeiterschicht sozialisiert wurden, verdienen durchschnittlich 9.450 Pfund pro Jahr weniger als Männer in denselben Jobs. Menschen, die aus Bangladesch und der Arbeiterschicht stammen, 10.432 Pfund weniger als solche, die in der UK geboren sind.

Für Deutschland gibt es keine offiziellen Zahlen zum Class Pay Gap, aber Schätzungen. Laut Marcel Fratzscher, Wissenschaftler und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DWI Berlin), verdienen Personen, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben, schätzungsweise zwischen 10 und 15 Prozent weniger als gleich gut qualifizierte Menschen, die aus einem Akademikerhaushalt stammen. Die Gründe dafür: Menschen, deren Eltern keinen akademischen Abschluss hätten, verfügten häufig über keine Netzwerke in ihrem Berufsfeld und würden tendenziell weniger selbstbewusst auftreten. Zudem kennen sie oftmals die Sprache, soziale Gepflogenheiten sowie Normen der sozial höheren Schichten nicht und können dadurch weniger gut ums Gehalt verhandeln und sich selbst präsentieren.

Disability Pay Gap

Auch eine Schwerbehinderung kann eine Lohndiskriminierung auslösen. Allerdings gibt es hierzu nur wenige Zahlen, die sich teilweise auch widersprechen. Aktion Mensch zeigte bei einem sozio-ökonomischen Panel 2018 auf, dass Frauen mit Schwerbehinderung 1.732 Euro netto verdienten, während Frauen ohne Schwerbehinderung ein Einkommen von 2.201 Euro hatten. Daraus ergibt sich ein Disability Pay Gap von rund 21 Prozent. Bei den Männern fällt die Lohnlücke demnach kleiner aus: Männer mit Schwerbehinderung erhielten durchschnittlich 2.389 Euro, während ihre Kollegen ohne Behinderung 2.568 Euro verdienen (ein Pay Gap von 6,97 Prozent). Die Studienautorinnen und -autoren schließen daraus: Das Geschlecht hat einen stärkeren Einfluss auf die Lohndiskriminierung als die Schwerbehinderung. Denn Männer mit Schwerbehinderung verdienten im Schnitt immer noch mehr als Frauen ohne Schwerbehinderung. Faktoren wie Bildungszugänge, Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen hätten auch eine Auswirkung auf den Lohn.

In Großbritannien zeigen die Zahlen ein anderes Bild auf. Laut dem Office of National Statistics UK lag der Disability Pay Gap im Vereinigten Königreich 2023 bei 12,7 Prozent. Diese Lohnlücke sei bei Männern größer als bei Frauen (15,5 Prozent gegenüber 9,6 Prozent).

Motherhood Penalty

Wird eine Frau Mutter, verdient sie fortan weniger. Bei Männern, die Väter werden, ist das nicht der Fall. Damit öffnet sich der Gender Pay Gap besonders weit, sobald die Elternschaft als Merkmal hinzukommt. Laut einer Untersuchung des ifo-Instituts aus dem Jahr 2024 verdienen unter den 30-Jährigen Mütter im Durchschnitt 70 bis 80 Prozent weniger als Väter desselben Alters. Das liege vor allem daran, dass Mütter häufig in Teilzeit arbeiten, weil sie immer noch einen Großteil der Sorgearbeit übernehmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen diesbezüglich von einer Motherhood Penalty. Eine Fatherhood Penalty gibt es nicht. „Väter werden auf dem Arbeitsmarkt durch eine Elternschaft nicht negativ beeinflusst“, sagt ifo-Forscher Max Lay. „Vielmehr sind sie etwas häufiger erwerbstätig und verdienen etwas mehr als kinderlose Männer.“ Grund hierfür seien Fehlanreize im deutschen Steuersystem, aber auch Normen und Rollenstereotype.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.