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Entgelttransparenz: Abschlussbericht der Kommission birgt offene Fragen 

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Die Europäische Union hat im Mai 2023 die sogenannte EU-Entgelttransparenzrichtlinie (RL (EU) 2023/970; ETRL) verabschiedet. Das Regelwerk zielt darauf ab, geschlechtsspezifische Lohnungleichheit zu beseitigen und den Gender Pay Gap zu verringern. Zugleich sind zusätzliche Auskunftsansprüche für Beschäftigte und erweiterte Angaben- und Berichtspflichten für Unternehmen vorgesehen. 

Da die Gesetzgebung hierzulande aktuell noch nicht alle von der EU vorgegebenen Kriterien berücksichtigt, hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Mai 2025 angekündigt, „die EU-Transparenzrichtlinie bürokratiearm in nationales Recht umsetzen“ zu wollen. Mitte Juli war dazu eine Kommission gegründet worden, die aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Fachleuten aus Verbänden und Gewerkschaften besteht (wir berichteten).  

Kernfragen in der Kommission 

Die Kommission hat am heutigen Freitag ihren Abschlussbericht vorgelegt und diesen an die Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Karin Prien (CDU) übergeben. In dem Papier geht es vor allem um folgende Punkte, die für HR von Bedeutung sind: 

  • Berichtspflichten (Art. 9 der Richtlinie): „Wie kann die Berichtspflicht nach Art. 9 ETRL bürokratiearm und für Arbeitgeber nutzbringend in deutsches Recht umgesetzt werden? Wie kann zugleich sichergestellt werden, dass Daten der Entgelttransparenzberichte aussagekräftig und vergleichbar sind?“ 

    Zentrale Frage ist hier, was und in welcher Form Unternehmen ab 100 Beschäftigten künftig zu Entgeltunterschieden zwischen Männern und Frauen berichten müssen. 
  • Auskunftsanspruch (Art. 7 der Richtlinie): „Wie kann der Auskunftsanspruch nach Art. 7 ETRL bürokratiearm in deutsches Recht umgesetzt werden?“ 
     
    Hier geht es darum, wie Beschäftigte oder Bewerberinnen und Bewerber erfahren können, wie hoch die Vergütung an sich und insbesondere Vergleichsentgelte für gleiche oder gleichwertige Arbeit sind. Arbeitgeber müssen dabei (anonymisiert) Informationen bereitstellen, die zeigen, ob etwaige Entgeltunterschiede nach Geschlecht objektiv gerechtfertigt sind. 
  • Praktische, technische Umsetzung in den Unternehmen. 

Vorschläge für die Zukunft 

Der Abschlussbericht enthält im Kern vor allem fünf Forderungen: 

  1. Eine Präzisierung des Entgeltbegriffs 
    Die Kommission schlägt vor, eine präzise Definition des Entgeltbegriffs vorzunehmen, der für die Berichtspflicht relevant ist. So sollten idealerweise nur klar ablesbare und nachvollziehbare Vergütungsbestandteile berücksichtigt werden. 
  1. Berichtspflicht und Auskunftsanspruch 
    Um Bürokratie zu reduzieren, regt die Kommission an, die Berichtspflicht auf Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten zu beschränken und die Auskunftspflicht klar zu regeln. Zudem solle ein Auskunftsanspruch nur einmal jährlich geltend gemacht werden können, um Unternehmen vor häufigen Nachfragen zu schützen. 
  1. Unterstützung durch digitale Tools für KMU 
    Die überwiegende Mehrheit der Kommission empfiehlt, digitale Werkzeuge und Vorlagen bereitzustellen, um insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Erfüllung der Berichtspflichten und der Entgeltbewertung zu unterstützen. Dies soll den Aufwand für die Unternehmen erheblich verringern. 
  1. Erleichterungen für tarifgebundene Unternehmen 
    Eine weitere Empfehlung sieht vor, tarifgebundene Unternehmen bei der Umsetzung der Richtlinie zu privilegieren. Sie könnten so bei der Bestimmung von Entgeltgruppen und bei der Auskunftserteilung Erleichterungen erhalten, sofern die bei ihnen geltenden Tarifverträge mit den Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie übereinstimmen. 
  1. Abhilfeverfahren und Mitbestimmung 
    Das so genannte Abhilfeverfahren bei ungerechtfertigten Entgeltunterschieden soll in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen erfolgen. Die Kommission betont dabei die Notwendigkeit einer klaren Definition der zuständigen Arbeitnehmervertretungen und deren Beteiligung an der Festlegung der Entgeltkriterien. Zugleich will die Mehrheit der Mitglieder vermeiden, eine Gründung von Betriebsräten “durch die Hintertür” im Sinne einer Zwangszuständigkeit zu forcieren. 

Da die Kommission zwar vom Ministerium eingesetzt wurde, ihre Empfehlungen aber keine verpflichtende Bindungswirkung haben, bringen sich nun verschiedenste Interessensvertretungen, Verbände, Gewerkschaften und Lobbygruppen in Stellung, um ‚Duftmarken‘ für das anstehende Gesetzgebungsverfahren zu setzen. 

Offene Fragen vor parlamentarischem Verfahren 

Eine offene Frage ist dabei vor allem die – zunächst akademisch klingende, aber sehr praxisrelevante – Definition von (Vergleichs-)Entgelten: Geht es um Löhne und Gehälter an sich (inklusive oder exklusive Sonderleistungen?) Oder zählen auch Entgeltbestandteile wie Sachleistungen dazu?  

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) regt daher in einer Stellungnahme an, Unternehmen sollten von einer Berichtspflicht in Bezug auf bestimmte „Indikatoren im Sinne von Art. 9, Abs. 1 ETRL“ befreit werden. Namentlich genannt werden: Betriebliche Altersversorgung, Wahl- beziehungsweise Tauschmodelle wie etwa eine Entgelterhöhung oder mehr Urlaub oder spezifische lokale Besonderheiten wie Gutscheine für Fitness-Studios am Betriebsstandort. 

Das sieht der Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) ähnlich. BPM-Präsident Matthias Kempf sagte dazu auf Anfrage unserer Redaktion: „Es braucht eine klare, rechtssichere Definition des Entgeltbegriffs, die Unternehmen nicht in kaum zu bewältigende Datenerhebungen für irrelevante Nebenleistungen treibt. Hier kann der Gesetzgeber Mut beweisen, wenn er klar, verständlich und nach vorne gerichtet eine eigene Definition des Entgeltbegriffs gestaltet.“ 

Was ist mit Mitbestimmung? 

Gewerkschaften wie der DGB fordern demgegenüber, vor allem eine Stärkung der Tarifbindung als „Schlüssel für die Verwirklichung von Entgelttransparenz und die Überwindung von Entgeltdiskriminierung“. 

Daher sollten „tarifgebundenen Arbeitgebern bei der Analyse ihrer Entgeltpraxis Erleichterungen eingeräumt werden“. Ferner sollten Betriebs- und Personalräte „als Arbeitnehmervertretungen von Beginn an in den Prozess eingebunden sind“.  

Wie geht es weiter? 

Nach den Empfehlungen der Kommission soll nun das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Mit einem Referentenentwurf sei spätestens im Januar 2026 zu rechnen, vermutet zumindest der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) auf Linkedin. Unklar sei hingegen, ob die Empfehlungen der Kommission „Eingang in die weitere politische Entscheidungsfindung” finden.

Info

Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.