Das Bundeskabinett hat auf seiner Sitzung vom heutigen Mittwoch den „Entwurf einer Fünften Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns“ gebilligt und damit den Weg freigemacht für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum Jahreswechsel.
[Ursprungsmeldung vom 26.06.2025:]Zukünftig soll ein neuer Mindestlohn gelten. Die Mindestlohnkommission hat empfohlen, den Mindestlohn in zwei Schritten bis Januar 2027 auf 14,60 Euro zu erhöhen. In einem ersten Schritt soll der Mindestlohn 2026 zunächst auf 13,90 Euro steigen. Im nächsten Schritt ist nun Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas gefragt, die die Erhöhung per Rechtsverordnung umsetzen muss und ihn auf die empfohlenen 14,60 Euro pro Stunde offiziell anheben soll.
Mit der Empfehlung hat die Mindestlohnkommission einen Wert gewählt, der leicht unter dem von Union und SPD angestrebten Mindestlohn von 15 Euro liegt. Im Koalitionsvertrag hatten die Parteien 15 Euro noch für „erreichbar“ beschrieben. Was bedeutet die Anhebung des Mindestlohns für HR und was muss getan werden, um den neuen Gegebenheiten gerecht zu werden?
Rund 1,4 Millionen Beschäftigte in Deutschland profitieren laut dem statistischen Bundesamt direkt von einer Erhöhung des Mindestlohns. Sie sind zu einem großen Teil als „Minijobber“ angestellt (930.000). Betroffen sind also vor allem Branchen, in denen es viele geringfügig Beschäftigte gibt – etwa in der Gastronomie. Doch die Lohnerhöhung bringt auch einen anderen Aspekt mit sich: Wer als Minijobber weiterhin abgabenfrei seinen Lohn erhalten möchte, muss zukünftig seine Stunden reduzieren – außer, die Grenzwerte in der Sozialversicherung werden ebenfalls erhöht. Eventuell müssen betroffene HR-Abteilungen also mehr Mitarbeitende einstellen, um das Arbeitspensum abzudecken.
Muss jetzt die Lohgestaltung überarbeitet werden?
Zudem werden durch die Mindestlohnerhöhung Berufe im Niedriglohnsektor attraktiver für Bewerberinnen und Bewerber, was jedoch zeitgleich eine Abwertung jener Tätigkeiten mit sich bringt, die bisher leicht über dem Mindestlohn vergütet wurden. Sie verlieren ihr Alleinstellungsmerkmal, da der Abstand zur neuen gesetzlichen Lohnuntergrenze zukünftig nicht mehr gegeben sein wird, sollte der Lohn nicht wieder leicht über dem Mindestlohn angesetzt werden.
Für Arbeitnehmende bedeutet das: Tätigkeiten mit höherer Verantwortung, Qualifikationsanforderungen oder körperlicher Belastung wirken im Vergleich nicht mehr lohnenswert, wenn der finanzielle Unterschied zu einfachen Helfertätigkeiten verschwindet. Die Lohnkompression setzt ein – das heißt, Unterschiede in Aufgaben und Leistung werden nicht mehr durch das Gehalt reflektiert.
HR-Abteilungen sollten sich deshalb auch Gedanken um die Lohngestaltung der restlichen Belegschaft machen. Alternativ könnten beispielsweise Zusatzleistungen oder Weiterbildungsangebote für die betroffenen Mitarbeitenden eingeführt werden. Denn laut einer Untersuchung des IZA Institute of Labor Economics, beeinflusst eine Anhebung des Mindestlohns die Zufriedenheit von Angestellten negativ, die zuvor etwas mehr als den Mindestlohn verdient hatten. Werden diese Anpassungen nicht vorgenommen, könnte es zu Unmut innerhalb der Belegschaft kommen.
Von der Erhöhung des Mindestlohns ist auch die sogenannten Geringfügigkeitsgrenze für Minijobs betroffen. Diese liegt derzeit bei 556 Euro im Monat. Wird diese durch den gestiegenen Mindestlohn überschritten, würden Beschäftigte automatisch in den Midijob-Bereich (556,01 Euro bis 2.000 Euro monatlich) rutschen.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Es entstehen zusätzliche Anforderungen in der Abrechnung und Sozialversicherungspflicht. Gleichzeitig bietet der Midijob-Sektor Vorteile für Mitarbeitende, etwa durch geringere Abgaben bei einem höheren Netto als im regulären Teilzeitjob. HR sollte daher prüfen, ob bestehende Minijob-Modelle in Midijobs umgewandelt werden können. Laut § 8 Abs. 1a SGB IV ist die Geringfügigkeitsgrenze allerdings dynamisch ausgestaltet, sodass auch hier mit einer Anhebung zu rechnen ist.
Operative Anforderungen für HR
Die Erhöhung des Mindestlohns bringt außerdem operative Anforderungen mit sich. Arbeitsverträge mit Stundenlohnangaben müssen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Auch Zeitwirtschaftssysteme und Lohnsoftware sollten rechtzeitig auf die neue Lohnuntergrenze eingestellt werden. Gerade in Unternehmen mit vielen Aushilfen, Saisonkräften oder Minijobbern kann das einen administrative Aufwand mit sich bringen.
Info
Fünf Handlungsempfehlungen für Personalabteilungen:
- Frühzeitige Überprüfung aller Arbeitsverträge und Stundenlöhne
- Gehaltsbänder und Lohnabstände neu bewerten
- Kommunikation zur Lohnanpassung transparent gestalten
- Interne Gerechtigkeit durch zusätzliche Benefits oder Entwicklungsperspektiven fördern
- Zusammenarbeit mit Steuerberatung und Lohnbuchhaltung intensivieren
Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über eventuelle Anpassungen des Mindestlohns. Sie setzt sich aus sechs Vertreterinnen und Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern zusammen. Außerdem sind zwei Mitgliedern aus der Wissenschaft Teil der Kommission. Diese haben jedoch kein Stimmrecht und nehmen nur eine beratende Funktion ein. Der Vermittlungsvorschlag der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld sei einstimmig beschlossen worden, teilte das Gremium mit.
Ihre Entscheidung fällt die Kommission anhand der Kriterien, die in § 9 des Mindestlohngesetzes festgehalten sind. Das Hauptkriterium ist jedoch die Orientierung an der Tarifentwicklung in Deutschland. Dadurch sollen Dumpinglöhne verhindert werden und ein Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hergestellt werden.
Frederic Haupt war Volontär der Personalwirtschaft.

