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Drei Ansätze, um internationale Führungskräfte anzulocken

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Frage an die HR-Werkstatt: Wie können Arbeitgeber internationale Führungskräfte anlocken?

Es antwortet: Sabine Thiemann, Principal i-potentials

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnet das Fehlen von ausgebildetem Personal gar als größte Bedrohung für den Wohlstand in Deutschland. Die Sorge ist keineswegs unbegründet: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kam erst kürzlich in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass das Erwerbspotenzial hierzulande nur bei einer jährlichen Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften bis 2035 konstant bleibt. Gleichzeitig hinken deutsche Organisationen beim Besetzen der Führungspositionen in Sachen Internationalität hinterher. Dabei könnte mehr Internationalität in der Führungsetage nicht nur symbolischen Charakter haben, sondern für eine insgesamt diversere Unternehmenskultur sorgen. Denn wer sieht, dass es in einem Unternehmen zahlreiche Führungskräfte mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen gibt, bewirbt sich tendenziell eher für einen Job in besagter Organisation. 

Um Geschäfte im Ausland erfolgreich zu gestalten, können ausländische Führungskräfte zudem eine wesentliche Rolle spielen. Gerade in Krisenzeiten wird empfohlen auf Risikominimierung zu setzen und das Geschäft auf mehrere Märkte auszuweiten, um beispielsweise im Falle von Lieferengpässen für wirtschaftliche Stabilität zu sorgen. In diesem Fall kann es nicht unwesentlich sein, Muttersprachler und Muttersprachlerinnen im Team zu haben, die sich im neuen Markt bereits auskennen und zeitgleich über ein kulturelles Hintergrundwissen verfügen. Unternehmen in Deutschland brauchen folglich mehr Führungskräfte mit ausländischen Wurzeln. Doch wie gelingt ihnen das?

Englisch als Unternehmenssprache durchsetzen 

Englisch ist zwar Weltsprache, jedoch in den meisten deutschen Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, in der Führungsetage immer noch nicht als alltägliche Geschäftssprache etabliert. In der mündlichen Kommunikation hilft es, nicht direkt perfektes Business Englisch zu erwarten, sondern hier einen gelassenen Umgang zu pflegen und Fehler im Zweifelsfall mit Humor zu nehmen. „Learning bei Doing“ ist der richtige Weg, um im ersten Schritt eine angenehme Atmosphäre auf Augenhöhe zu schaffen – umso effektiver, wenn das Führungsteam vorlebt, dass nicht jeder perfekt Englisch sprechen muss und sich auch einmal verhaspeln darf.

Um zu garantieren, dass sich internationale Führungskräfte integriert fühlen, gilt ausnahmslos die Regel: Wenn eine Person im Meeting kein Deutsch spricht, findet die gesamte Kommunikation auf Englisch statt. Diese Policy gilt übrigens dann ganz grundsätzlich für alle Meetings im Unternehmen. Neben der Beseitigung der mündlichen Sprachbarriere muss auch die schriftliche Unternehmenskommunikation bedacht werden. Dokumente, so sie allgemeine Leitlinien beinhalten oder von internationalen Teams bearbeitet werden, sollten auf Englisch verfügbar sein. Bestehende Dokumente zu übersetzen, klingt zuallererst nach einem ressourcenintensiven Unterfangen, jedoch erleichtern neue, smarte Technologien diesen Schritt erheblich.

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Bedürfnisse internationaler Top-Talente mitdenken

Entscheidend für die Internationalisierung eines Unternehmens ist es, eine Kultur zu fördern, die Unterschiede und Verschiedenheiten willkommen heißt und anderen Gewohnheiten, Riten und kulturellen Besonderheiten mit Neugier begegnet. Um den richtigen Nährboden für eine internationale Führungsebene zu schaffen, muss Diversität fest im Grundstein des Unternehmens verankert werden: in der Mission, in der Vision und im Code of Conduct. Internationale Führungskräfte fungieren unternehmensweit als interkulturelle Dolmetscher und agieren als Vorbilder für internationale, diverse Fachkräfte. Sie spielen auch bei der Einführung von Englisch als Unternehmenssprache eine ausschlaggebende Rolle, die bei einer internationalen Führungsriege zwangsläufig zum zentralen Thema wird. 

Dabei ist es wichtig, den internationalen Kandidaten und Kandidatinnen auch die nötige Flexibilität zu gewähren: Flexible Bürotage und Remote-Work-Angebote sind für ein international ausgerichtetes Unternehmen enorm wichtig, da die Mitarbeitenden häufig von anderen Standorten aus und aus abweichenden Zeitzonen arbeiten. Die Arbeitsabläufe sollten demnach auf individuelle Arbeitszeiten und asynchrones Arbeiten abgestimmt und digitalisiert werden. Für administrative und kulturelle Zwecke ist es hilfreich, zusätzlich einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stellen, an den oder die sich die neuen Mitarbeitenden stets wenden können. 

Ein wichtiger Punkt, der darüber hinaus häufig vergessen wird, sind die Angehörigen: Organisationen können dabei unterstützen, dass auch für Familienmitglieder gesorgt ist, zum Beispiel in Bezug auf Visum, Arbeitserlaubnis und Jobsuche. Hilfe bei Behördengängen und Sprachkurse können die Anfangsphase enorm erleichtern. Religiöse Feiertage und ein zusätzlicher Bedarf an Urlaubstagen für Familienbesuche sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

Auf neue Formen der Rekrutierung setzen

Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften ist kein Hexenwerk, jedoch sind Arbeitgebende im Vorteil, wenn sie die Hürden kennen und die Administration mit der Zeit zur Routine wird. Die Ansprache über Linkedin wird Recruiterinnen und Recruiter nicht weit bringen, gerade bei Besetzungen auf den oberen Führungsebenen, wenn sie dann nicht wissen, wie sie die weiteren administrativen Schritte auf dem Weg zur Einstellung meistern. Die Zusammenarbeit mit Agenturen, die sich auf dem ausländischen Talentmarkt gut auskennen, ist dagegen sehr zu empfehlen, auch um sich für den administrativen Prozess anfangs Hilfe einzuholen. Innerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums, also Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, sind die bürokratischen Hürden überschaubar. Für Kandidaten und Kandidatinnen außerhalb dieser Gebiete wird eine Aufenthaltsgenehmigung und ein Visum vorausgesetzt – je nachdem, um welches Herkunftsland es sich handelt. Darüber hinaus haben Fachkräfte aus vielen Drittländern die Chance auf eine „Blue Card“, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen – dazu zählen ein Jahresgehalt von mindestens 58.400 Euro (für bestimmte Berufe in den Feldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin liegt das Mindestbruttogehalt bei 45.552 Euro) und ein Hochschulabschluss.

Mit Blick auf die Zukunft stehen immer mehr Unternehmen unter dem Druck, umzudenken und sich für Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland zu öffnen. Bei einigen Fachkräften und Berufsgruppen hat sich dahingehend auch schon viel entwickelt. Unser Pflegesystem würde wahrscheinlich umgehend zusammenbrechen, ohne die hinzugezogenen Fachkräfte. Doch ausgerechnet beim Besetzen von Führungskräften tun sich hiesige Organisationen schwer damit, Rahmenbedingungen zu flexibilisieren, um auch internationale Kandidatinnen und Kandidaten ansprechen zu können. Dabei steht und fällt die Zukunft ganzer Organisationen mit der richtigen Führungskraft.

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