Mitten in der digitalen Transformation, in der Cloud Computing, die Anwendung von Künstlicher Intelligenz, die Automatisierung und Big Data die Arbeitsweise stark verändert haben, wachsen in Unternehmen die Schwierigkeiten, qualifizierte leistungsstarke Fachkräfte zu gewinnen. Der fortschreitende Fachund Arbeitskräftemangel stellt Arbeitgeber einmal mehr vor die Herausforderung, Mitarbeitende zu finden, die über die passenden Schlüsselqualifikationen und hohe fachspezifische Kenntnisse verfügen.
Haben Arbeitgeber die passenden Leistungsträger auf dem Arbeitnehmermarkt oder im eigenen Unternehmen erst einmal identifiziert, müssen sie ein Angebot vorlegen, das Leistung und Erfolg entsprechend vergütet, um die Bewerbenden zu gewinnen oder bereits zur Belegschaft zählende Mitarbeitende zu motivieren und vor allem zu binden. Anderenfalls könnten leistungsstarke Kandidatinnen und Kandidaten bereits innerhalb des Bewerbungsprozesses abspringen, oder Mitarbeitende schauen sich im laufenden Arbeitsverhältnis nach besseren Positionen um, beziehungsweise sie lassen sich auf Abwerbungsversuche aus dem Markt ein.
Bei High-Performern oder Schlüsselkräften stellt sich die Frage, ob der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ mit einer leistungsorientierten Vergütung noch vereinbar ist. Welche Risiken bergen individuelle Vergütungsvereinbarungen? Und wie sollte sich ein Unternehmen zukünftig aufstellen, um Leistungsträger auch weiterhin attraktiv vergüten zu können?
Der lange Weg zu Fair Pay
Fair Pay bedeutet Lohngerechtigkeit; sie zielt unter anderem auf eine geschlechterunabhängige Vergütung ab und fokussiert sich auch auf eine Verringerung des Gender Pay Gaps. Jenseits geschlechtsspezifischer Lohngefälle steht Fair Pay für den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“.
Auf diesen Kerngedanken hat sich bereits die internationale Arbeitsorganisation (ILO) 1951 geeinigt. Er wurde später unter anderem in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) übernommen, bis die Entgeltgleichheitsrichtlinie 1975 (RL 75/117/EWG) die zwingende Umsetzung in nationales Recht vorsah. Heute findet sich im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) das Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts (§ 3 EntgTranspG) und das Entgeltgleichheitsgebot. Das Gesetz beinhaltet neben Berichtspflichten für Unternehmen ab einer Größe von 500 Beschäftigten vor allem einen individuellen Auskunftsanspruch in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmenden. Auf diesem Weg soll eine höhere Transparenz von Entgelten und Entgeltregelungen geschaffen werden.
Entgelttransparenzrichtlinie und Novellierung des Entgelttransparenzgesetzes
Im Jahr 2017 ermittelte das Statistische Bundesamt noch eine genderspezifische Entgeltlücke von 21 Prozent. Nach Einführung des EntgeltTranspG und zahlreichen ergriffenen Maßnahmen hat sich diese Entgeltlücke im Jahr 2023 auf einen unbereinigten Gender Pay Gap von 18 Prozent verringert. Zur weiteren Stärkung des Grundsatzes gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit trat am 6. Juni 2023 eine neue Entgelttransparenzrichtlinie der Europäischen Union (RL 2023/970/EU) in Kraft. Diese sieht nun eine Umsetzung zahlreicher Verschärfungen im Rahmen der Entgelttransparenz und der bereits vorhandenen Durchsetzungsmechanismen vor, um gegen Entgeltdiskriminierung vorzugehen und den Abbau geschlechtsspezifischer Lohngefälle zu fördern. Der deutsche Gesetzgeber hat die Regelungen bis zum 7. Juni 2026 umzusetzen. In der erforderlichen Novellierung des Entg- TranspG werden unter anderem
- die Bemessungsparameter für gleiche und gleichwertige Arbeit sowie der Begriff des Entgelts nachgeschärft,
- der Personenkreis der vergleichbaren Mitarbeitenden in Bezug auf die gleiche und gleichwertige Arbeit erweitert und
- die Mitteilungspflichten der Arbeitgeber festgelegt, die im Einstellungsprozess das Gehaltsangebot auf Basis objektiver geschlechtsneutraler Kriterien mitteilen müssen.
Der Entgeltbegriff umfasst neben dem Festgehalt auch ergänzende oder variable Bestandteile des Entgelts wie zum Beispiel Boni, Abfindungen und Betriebsrenten. Die Gleichwertigkeit der Arbeit wurde in einem Regelbeispielkatalog ergänzt, in dem Kriterien wie Kompetenzen, Belastungen, Verantwortungen und Arbeitsbedingungen genannt sind.
Dass eine Bestimmung der Gleichwertigkeit von großer Schwierigkeit sein wird, liegt auf der Hand. Zur Erweiterung des vergleichbaren Mitarbeiterkreises wird fortan auf eine einheitliche Quelle abgestellt werden. Damit einher geht die Unterstellung, dass Arbeitnehmende dann vergleichbar sind, wenn auf ihr Arbeitsverhältnis ein identischer Tarifvertrag Anwendung findet. Die Regelungen werden für alle Arbeitgeber sowohl im öffentlichen als auch im privatwirtschaftlichen Sektor gelten.
Unternehmen sollten aufgrund der weitreichenden Änderungen, die einen großen internen bürokratischen Aufwand erfordern, bereits frühzeitig ihre Personal- und Vergütungsstruktur überprüfen, denn bereits 2027 müssen die ersten Berichte auf der Basis des EntgeltTranspG aus dem Jahr 2026 vorgelegt werden, denen die gesetzlichen Neuerungen zugrunde liege müssen.
Geschlechtsneutrale Ausgestaltung
leistungsorientierter Vergütungssysteme Nachjustierungsbedarf in der Systematik und Dokumentation leistungsorientierter Vergütung ergibt sich für Unternehmen bereits jetzt im Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Februar 2023 (Az.: 8 AZR 450/21): Das BAG gab der Klage einer Außendienstmitarbeiterin statt, die auf Zahlung einer Differenzvergütung klagte, da ein männlicher Außendienstmitarbeiter bei der Verrichtung einer gleichen Arbeit eine höhere Vergütung erzielte. Eine unterschiedliche Höhe der Vergütung bei gleichwertiger Arbeit ist jedoch weiterhin geschlechtsunabhängig möglich. Das BAG wiederholte in dem Urteil den in der Praxis bereits etablierten Rechtssatz, dass sich die relevanten Unterscheidungskriterien „nur“ im Einklang mit dem Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts (§§ 3f. EntgTranspG) sein müssen und im Rahmen einer schriftlichen Dokumentation nachweisbar aufzuzeichnen sind. Insofern ist Unternehmen bereits jetzt zu raten, eine konsistente und klare Vergütungssystematik für die konkrete Entgeltfindung zu entwickeln und stringent anzuwenden.
Ein transparentes und strategisches Vergütungsmodell stellt darüber hinaus auch ein effektives Mittel dar, die „richtigen“ Anreize für bestehende oder zukünftige Mitarbeitende zu setzen, um Unternehmensziele zu erreichen und zeitgleich dazu beizutragen, den Arbeitgeber für talentierte Fachkräfte attraktiv(er) zu machen. Zudem kann eine gezielte Steuerung der Personalkosten erreicht werden, die dabei unterstützt, das Budget moderat und/oder neutral zu halten.
Die zukünftige leistungsorientierte Vergütungsstruktur sollte daher unternehmensstrategisch betrachtet und ausgestaltet werden, um die gewünschten Leistungsanreize zu setzen, und bestenfalls dazu geeignet sein, Beschäftigte im eigenen Unternehmen zu entwickeln. Eine leistungsorientierte Vergütungsstruktur kann ebenso die Produktivität und Rentabilität des Unternehmens verbessern. Gleichwohl sollte die Vergütungsstrategie auch auf unerwünschte Auswirkungen geprüft werden, die ein übermäßiges Wettbewerbsdenken unter den Mitarbeitenden oder übermäßigen Druck auf den Einzelnen verstärken und somit die Gesundheit der Belegschaft gefährden.
Autor
Elisa Ultsch
Manager, Associate/Rechtsanwältin
Employment Law & Benefits, Deloitte Consulting GmbH
eultsch@deloitte.de
www.deloitte.com/de
You-Min Kim
Senior Manager
Benefits & Compensation, Deloitte Consulting GmbH
youmikim@deloitte.de
www.deloitte.com/de
