Die heutige Arbeitswelt ist geprägt durch rasanten technologischen Wandel, demografische Verschiebungen und eine sich ständig verändernde Wirtschaft. Das stellt das Recruiting vor große Herausforderungen. Unternehmen müssen sich nicht nur gegen die wachsende Konkurrenz um Talente behaupten, sondern auch flexibel auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reagieren. Diese Dynamik erfordert kreative Lösungsansätze, insbesondere wenn das Budget knapp ist. Fünf Strategien zeigen, dass wirkungsvolles Recruiting auch mit begrenzten Mitteln möglich ist.
1. Mitarbeiter werben Mitarbeiter: kostengünstig und wirkungsvoll Talente finden
Eine der kosteneffizientesten und gleichzeitig wirkungsvollsten Recruiting-Strategien ist das Konzept „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“. Doch warum ist diese Methode so überzeugend? Ganz einfach – Ihre eigenen Mitarbeitenden sind die besten Botschafter und Botschafterinnen. Sie kennen nicht nur die Vorteile Ihres Unternehmens und die Unternehmenskultur, sondern verstehen auch am besten, welche Qualifikationen für offene Positionen erforderlich sind.
Ein sorgfältig ausgearbeitetes Empfehlungsprogramm motiviert die Belegschaft dazu, ihr persönliches Netzwerk zu mobilisieren und potenzielle Talente vorzuschlagen. Entscheidend ist dabei, den Prozess so einfach und transparent wie möglich zu gestalten. Empfehlungen erfolgen hierbei auf freiwilliger Basis. Für erfolgreich vermittelte Kandidaten und Kandidatinnen gibt es Prämien, was eine Beteiligung umso attraktiver macht. Dies schafft nicht nur eine Kultur der Anerkennung, sondern erhöht auch die Qualität und Passgenauigkeit der Bewerbungen.
Die Vorteile von „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“: Die Methode erhöht die Glaubwürdigkeit und Transparenz des Recruiting-Prozesses, fördert die Motivation und Bindung von Mitarbeitenden, spart Zeit und Kosten im Vergleich zu anderen Recruiting-Kanälen und stärkt das Employer Branding sowie den Teamgeist. Eine wirkungsvolle Recruiting-Methode, die Arbeitgeber nahezu kostenfrei nutzen können.
2. Nachwuchsförderung: Leistungsträger entwickeln
Nachwuchsförderung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Sie ist ein entscheidender Baustein für Unternehmen, die leistungsfähige Mitarbeitende gezielt zu zukünftigen Führungskräften entwickeln möchten. Diese Maßnahme verknüpft individuelle Karrierepläne mit der strategischen Entwicklung des Unternehmens. Und wer seine Mitarbeitenden stetig weiterentwickelt, stärkt deren Bindung zum Unternehmen und muss für die benötigten Kompetenzen nicht im Außen nach neuen Talenten suchen.
Ähnlich wie im Sport beginnt die Nachwuchsförderung bereits in jungen Jahren. Ein Trend, der sich im Recruiting verstärkt, indem Unternehmen aktiv Schulen und Universitäten aufsuchen, um frühzeitig Kontakt zu potenziellen Nachwuchstalenten aufzunehmen. Praktika, Werkstudentenprogramme, Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und Schnuppertage eröffnen den jungen Talenten wertvolle Einblicke ins Unternehmen und die Berufswelt und dienen dazu, sie für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Die Ausbildung ist ein weiterer bedeutender Schritt zur nachhaltigen Personalentwicklung, da sie junge Menschen von Beginn an das Unternehmen bindet und die Basis für weitere Qualifizierung bietet.
Ein zentraler Fokus liegt auch auf Weiterbildung, da fundiertes Wissen, Fähigkeiten und ständig aktualisierte Kompetenzen wesentlich für angehende Fach- und Führungskräfte sind. Die Festlegung von Förder- und Entwicklungsplänen ermöglicht eine gezielte Personalentwicklung. Dabei werden sowohl das individuelle Potenzial der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters als auch die Zukunftsaussichten des Unternehmens berücksichtigt. Weiterentwicklung stärkt zudem die Bindung ans Unternehmen. Dies gilt besonders für Bereiche wie IT, wo ständiges Lernen wichtig ist. Fehlen Weiterbildungsangebote, riskiert das Unternehmen, wichtige Fachkräfte zu verlieren.
Die Kosten für offene Stellen übersteigen oft die für Weiterbildungsmaßnahmen. Eine Neubesetzung umfasst Stellenausschreibungen, Auswahlprozesse und die Einarbeitung. Diese Schritte sind teuer. Im Vergleich dazu sind Weiterbildungskosten oft geringer. Zum Beispiel könnten Kosten für spezialisierte Kurse für bestehende Mitarbeitende nur einen Bruchteil dieser finanziellen Investitionen ausmachen. Die Kosten für das Rekrutieren und Einarbeiten neuer Mitarbeitenden liegen häufig bei 30 Prozent des Jahresgehalts. Daher ist die Weiterentwicklung nicht nur kosteneffizient. Sie fördert auch das Personal und bindet es langfristig an das Unternehmen.
3. Effektives Pooling: Talentpools bilden und pflegen
Wer datengestützt Mitarbeiterprofile verwaltet und ständig neue Talente dazugibt, erstellt sich einen Talentpool. Diese Reserve potenzieller und bestehender Talente ist wichtig für effizientes Recruiting, Active Sourcing und Personalentwicklung. Neben internen Talenten umfasst der Pool auch Second-Best-Bewerbende sowie Messekontakte, Empfehlungen und qualifizierte Ex-Mitarbeitende.
Der Talentpool hilft Ihnen dabei, offene Positionen zeitnah und ressourcenschonend zu besetzen. Nebenbei kann er das Employer Branding positiv beeinflussen und durch regelmäßige Kommunikation die Bindung zu stillen Bewerbenden stärken. Das bedeutet: Ein gut gepflegter Talentpool ermöglicht es Ihnen, schnell auf Vakanzen zu reagieren und reduziert somit die Time-to-Hire signifikant.
Die Vorteile: Der Recruiting-Prozess startet nicht bei null, die Vorauswahl wird durch vorhandene Informationen optimiert, und Second-Best-Bewerbende sind zeitnah verfügbar. Fachabteilungen treffen im Talentpool eine Vorauswahl, wodurch die Personalabteilung entlastet wird. Dies minimiert das Risiko, falsche Bewerbende auszuwählen, und reduziert die Rekrutierungskosten erheblich.
4. Corporate Influencer
Corporate Influencer sind Mitarbeitende, die in sozialen Netzwerken positiv über ihren Arbeitgeber sprechen und somit als glaubwürdige Markenbotschafter und -botschafterinnen agieren. Durch ihre Präsenz auf privaten Kanälen verleihen sie der Organisation ein menschliches Gesicht und spielen eine entscheidende Rolle im Employer Branding. Diese Form der Kommunikation wird als besonders authentisch wahrgenommen.
Wenn Sie Corporate Influencer für das Employer Branding und Recruiting einsetzen, gelingt zudem die niedrigschwellige Ansprache neuer Zielgruppen gut. Denn Talente können direkt mit den entsprechenden Mitarbeitenden über ihre privaten Accounts in Kontakt treten. Der Einsatz von Corporate Influencern hat noch weitere Vorteile: Sie sind eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu professionellen Darstellern und Darstellerinnen. Sie verstärken Word-of-Mouth-Effekte durch persönliche Empfehlungen. Unter dem Effekt versteht man: Informationen oder Empfehlungen, die aus dem persönlichen Netzwerk einer Person stammen, werden als vertrauenswürdiger und authentischer angesehen, da sie direkt von Personen kommen, die als Teil des eigenen sozialen oder beruflichen Umfelds wahrgenommen werden.
Zudem repräsentieren Corporate Influencer die Unternehmenskultur sowie die Unternehmenswerte. Darüber hinaus fördern Corporate Influencer nicht nur die externe Wahrnehmung, sondern stärken auch intern das Employer Branding und die Mitarbeiterbindung in verschiedenen Abteilungen. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass Corporate Influencer innerhalb des Unternehmens ein hohes Ansehen genießen und durch ihre authentische Kommunikation und Präsenz die Verbindung zwischen Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen stärken, indem sie ein Gefühl der Zugehörigkeit und des gemeinsamen Strebens nach den Unternehmenszielen vermitteln.
5. Neue Perspektiven durch alternative Zielgruppen öffnen
Sie können Ihre Rekrutierungsstrategie ebenfalls erweitern, indem Sie bewusst nach Quereinsteigern und Quereinsteigerinnen suchen oder innerbetriebliche Weiterbildungsangebote fördern. Diese gezielte Herangehensweise kann nicht nur Ihren Bewerberpool signifikant vergrößern, sondern auch zu einer vielfältigeren und innovativen Belegschaft führen. Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen bringen oft wertvolle Erfahrungen und frische Perspektiven mit, die möglicherweise in Ihrem bisherigen Talentpool unterrepräsentiert sind.
Durch die gezielte Ansprache von Quereinsteigern und Quereinsteigerinnen öffnen sich neue Türen für eine breitere Vielfalt an Fähigkeiten und Hintergründen in Ihrem Unternehmen. Diese Diversität kann nicht nur die Kreativität und Innovationskraft steigern, sondern auch dazu beitragen, Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln anzugehen und somit meist besser zu lösen.
Alles in allem eröffnet die bewusste Ansprache alternativer Zielgruppen neue Perspektiven für Ihr Unternehmen, sowohl in Bezug auf die Diversität der Belegschaft als auch auf die Förderung des internen Talentpools.
Fazit
Die hier vorgestellten Strategien bieten nicht nur kosteneffiziente Lösungen für das Recruiting-Dilemma, sondern stärken auch langfristig Ihre Employer Brand und fördern eine positive und engagierte Unternehmenskultur. Die Investition in Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme, Nachwuchsförderung, Talentpools, Corporate Influencer und die Ansprache alternativer Zielgruppen sind grundlegende Säulen einer zukunftsorientierten Recruiting-Strategie. Diese Ansätze ermöglichen es Ihnen, auch mit begrenzten Mitteln talentierte und engagierte Mitarbeitende für Ihr Unternehmen zu gewinnen und langfristig an sich zu binden.
Autor

Michael Witt ist Initiator und Veranstalter von Events wie der HR Tech Night oder dem Recruiter Slam. Er hat 17 Jahre Erfahrung im HR-Bereich. Sieben Jahre war er in leitender Stellung aktiv, unter anderem bei Voith, Leadec oder Lidl & Schwarz. Heute berät er Unternehmen wie LBBW, eyes and more, dm Österreich, SITS Germany und Voestalpine.
