Arbeitgeber müssen dem Wohlbefinden ihrer Belegschaft mehr Aufmerksamkeit schenken. So die Kernaussage des „State of Global Workplace 2024“-Reports des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Die neuen Zahlen zeigen: Weitaus weniger Menschen in Deutschland sind aktuell zufrieden und blicken zuversichtlich in die Zukunft als noch vor einem Jahr (ein Rückgang von acht Prozentpunkten auf 45 Prozent). Gleichzeitig bleiben Stresslevel und Burnout-Gefahr auf einem weiterhin hohen Level. Das wiederum wirkt sich auf Fehlzeiten und den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen aus, so der Gallup-Experte Pa Sinyah bei der Vorstellung der Studie.
Aktuell geben demnach 41 Prozent der Mitarbeitenden in Deutschland an, sich gestresst zu fühlen. Das sind nur leicht weniger als im Vorjahr (42 Prozent) und etwas mehr als der europäische Durchschnitt (37 Prozent). Auch die Burnout-Gefahr, die 2020 mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stark angestiegen war, bleibt unverändert hoch.
So hatten 37 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Befragungszeitraum vom April 2023 bis März 2024 den Angaben zufolge berichtet, in den vergangenen 30 Tagen das Gefühl gehabt zu haben, aufgrund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein. Nur 36 Prozent sagten, dass ihre Arbeit ihnen ausreichend Zeit mit Familie und Freunden lasse. Lediglich 28 Prozent gaben kund, dass es ihnen leichtfällt, in der Freizeit von der Arbeit abzuschalten (2021 waren es 36 Prozent). Vor allem junge Beschäftigte unter 35 Jahren fühlen sich derzeit unwohl.

Emotionale Bindung fördern
Doch was können Unternehmen tun, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu steigern? Gallup verweist hier auf einen Zusammenhang zwischen dem Mitarbeiterengagement und dem Wohlbefinden. Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, die weniger emotional an den Arbeitgeber gebunden sind, berichteten demnach tendenziell, gestresster, wütender, besorgter, trauriger und einsamer zu sein als solche, die eine hohe emotionale Verbundenheit zu ihrem Unternehmen verspüren.
Die schlechte Nachricht hierbei: In Deutschland geben gerade mal 15 Prozent der Beschäftigten an, sich ihrem Arbeitgeber stark emotional verbunden zu fühlen (global sind es 23 Prozent). Auf die Bindung wiederum wirkt der Untersuchung zufolge die Beziehung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin zur Führungskraft ein. „Ein Großteil davon, wie wir unsere Arbeit und infolgedessen unser Leben generell erleben, hängt mit unserer Beziehung zur Führungskraft zusammen“, sagt Gallup-Experte Sinyah. Es sei deshalb für Unternehmen essenziell, ins Recruiting von Führungskräften zu investieren und sie mit Weiterbildungen und Ressourcen zu unterstützen.
Interessant ist auch: Laut dem Gallup-Report gibt es eine Beziehung zwischen der Lebenszufriedenheit und den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen im entsprechenden Land – also wie es beispielsweise um die Lohngerechtigkeit, die soziale Absicherung und Elternzeit-Regelungen steht. Wer in diesen Punkten folglich regulatorisch als Unternehmen im Rahmen der Gesetze nachbessert und den Mitarbeitenden etwa von sich aus faire Löhne und eine bezahlte Elternzeit für beide Elternteile anbietet, könnte demnach positiv auf die Lebenszufriedenheit der Beschäftigten einzahlen.
Klar kommunizieren und Zukunftsvisionen aufzeigen
Wer jetzt denkt: Arbeitgeber können doch nicht alles beeinflussen und somit auch nur bedingt die generelle Lebenszufriedenheit von Mitarbeitenden, der oder die liegt laut den Psychologinnen und Mental-Health-Beraterinnen Eva Elisa Schneider und Neşe Oktay-Gür nur halb richtig. Schließlich verbringen die Arbeitnehmenden einen Großteil ihrer Wachzeit am Arbeitsplatz. „Durch gezielte Maßnahmen können Unternehmen deshalb als Puffer gegen Auswirkungen gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen fungieren“, sagt Oktay-Gür. Beschäftigte sorgten sich schließlich um ihre (berufliche) Sicherheit, Auswirkungen von politischen Entscheidungen und das soziale Miteinander. „Arbeitgeber können diesbezüglich zur Zufriedenheit beitragen, indem sie eine klare Kommunikation über die Arbeitsplatzsicherheit bieten, ihre Position zu politischen Entwicklungen transparent machen, psychologische Sicherheit schaffen, die es Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Sorgen zu äußern und Schulungen im Umgang mit Unsicherheiten anbieten“, so Oktay-Gür.
Gegen einen pessimistischen Blick in die Zukunft kann es nach Angaben der Mental-Health-Expertin helfen, als Arbeitgeber klar eine zukunftsfähige Vision sowie einen Entwicklungsplan zu kommunizieren. Gleichzeitig sollten Unternehmen aufzeigen: Wir beschäftigen uns mit aktuellen Trends und haben Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit in unseren Strategien verankert. „Diese Grundlage ermöglicht es, die individuelle Bewältigungszuversicht der Mitarbeitenden zu stärken“, sagt Oktay-Gür.
Eva Elisa Schneider betont hingegen, wie wichtig die Haltung der Führungskräfte sei, um für Optimismus in der Belegschaft zu sorgen. Sie empfiehlt Leadern, eine „realistisch optimistische Haltung“ einzunehmen. „Man sollte Herausforderungen als solche anerkennen und diese nicht weichzeichnen, aber gleichzeitig einen optimistischen Blick für sie behalten“, sagt sie. So könnten Unternehmen und ihre Belegschaft Herausforderungen selbstbewusst begegnen. Schneider rät zudem, das Selbstwirksamkeitserleben der Beschäftigten zu stärken, um ihre Lebenszufriedenheit zu erhöhen. „Unternehmen können immer wieder zeigen, was die Belegschaft bereits gemeinsam gemeistert hat und betonen, welche Fähigkeiten dazu beigetragen haben.“ So erinnern sich die Mitarbeitenden ihrer Beobachtung nach daran, welche Herausforderungen sie in der Vergangenheit bewältigt haben. Das gibt ihnen eher das Gefühl, mit zukünftigen Herausforderungen ebenfalls umgehen zu können.
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In unserem Juli/August-Magazin widmen wir uns den Themen mentale Gesundheit und Arbeitsbelastung. Das E-Paper erscheint Ende Juni und kann zu besagtem Zeitpunkt hier gefunden werden.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

