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Stellenabbau: Wie vermeiden Unternehmen den Layoff Loop?

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Volkswagen, Ford, Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen sind genauso dabei wie Siemens, die Lufthansa, die Deutsche Bank und auch die DHL: Die deutsche Wirtschaft streicht tausende Stellen. Einige Firmen reagieren damit auf Nachfrageschwäche und Transformationsdruck, etwa die Autobranche und die Industrie. Im Finanzsektor sind es eher Filialenabbau und Automatisierung, die Stellen überflüssig machen. Die Logistik muss wiederum mit einem Rückgang beim Paketvolumen nach der Corona-Pandemie klarkommen.  

So unterschiedlich die Gründe, so universell dürften die Sorgen der Mitarbeitenden sein. Egal, ob ein Programm nun Stellenabbau oder Transformation heißt:  Die Situation schürt Ängste, was sich wiederum negativ auf das Betriebsklima auswirken kann. Doch ist es wirklich so schlimm? Und lässt sich das Ganze nicht auch positiv abwickeln?  

Der Rasenmäher hilft nicht 

„Die Schlagzeilen geben oft nicht wieder, was im Unternehmen passiert“, beobachtet Vera Lehmann, Executive Director für HR & Transformation bei der Unternehmensberatung Kienbaum. Werden Personalabbauten im vier- bis fünfstelligen Bereich verkündet, richte sich das oft eher an den Kapitalmarkt. Nach dem Motto: Schaut her, wir können auch hart durchgreifen. Das klinge dann schnell einmal nach dem sprichwörtlichen Rasenmäher, mit dem Unternehmen in der Vergangenheit oft radikal Stellen abbauten. Nicht selten ging das über alle Abteilungen hinweg, strikt an harten Kennzahlen orientiert: X Prozent Stellen weniger. Das war einmal die Devise, ist heute aber aus der Mode gekommen.  

Schon weil die Arbeitnehmervertreter da nicht mitspielen. Denn Betriebsräte und Gewerkschaften lassen sich die Zustimmung zu den Programmen teuer abkaufen, mit Beschäftigungsgarantien, etwa bei ZF Friedrichshafen, wo zwar über 7.000 Stellen wegfallen, aber bis 2030 keine betriebsbedingten Kündigungen stattfinden sollen.  

Auch Bosch will tausende Stellen streichen, befindet sich aber aktuell in harten Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern.  „Hinsichtlich der Maßnahmen finden erste Gespräche mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen an den einzelnen Standorten statt“, teilt ein Unternehmenssprecher mit: „Die lokalen Personalverantwortlichen sind ebenfalls an den Gesprächen beteiligt und von Anfang an in den Prozess eingebunden.“ Unwahrscheinlich, dass Bosch da mit dem Rasenmäher-Ansatz in die Verhandlungen kommt. 

Den wirtschaftlichen Kreislauf im Blick haben  

Dass Unternehmen mittlerweile auf den stumpfen Abbau verzichten, begrüßt Kienbaum-Expertin Lehmann. „In der Vergangenheit führte das oft dazu, dass Menschen entlassen wurden, dann aber Leute mit dem gleichen Skill-Set im nächsten Aufschwung wieder angeheuert wurden, zu höheren Preisen“, sagt sie. Dieser sogenannte Layoff Loop ist auch wissenschaftlich gut untersucht

Um das zu verhindern, müssten Unternehmen aber zu Anfang erst einmal genau katalogisieren, welche Fähigkeiten zukünftig gebraucht werden und welche schon im Unternehmen vorhanden sind. Allein dadurch ließen sich gegebenenfalls Redundanzen erkennen, Positionen, die in Zukunft überflüssig sein könnten. Das in Kombination mit dem demografischen Wandel macht die aktuelle Zeit eigentlich zum perfekten Zeitpunkt, um die eigene Belegschaft zukunftsfest aufzustellen.  

„Viele Unternehmen nutzen derzeit die natürliche Fluktuation“, erklärt Vera Lehmann von Kienbaum. „Wenn Mitarbeitende in den Ruhestand gehen, wird ihre Stelle häufig gar nicht mehr nachbesetzt – so gelingt Personalabbau auf natürliche Weise, ohne aktive Entlassungen vorzunehmen.“ Schlaue Unternehmenslenker und -lenkerinnen setzen eher auf diesen Effekt als jetzt Leute vor die Tür zu setzen, die bleiben wollen und gebraucht werden. 

Wie Audi den Umbau managt 

So ähnlich ist HR beim Autobauer Audi vorgegangen. Die Ingolstädter Firma hat jüngst verkündet, bis 2029 in zwei Schritten insgesamt etwa 7.500 Stellen abbauen zu wollen. Und wie bei so vielen Fällen zuletzt haben sich die Arbeitnehmervertreter ihre Zustimmung zu diesem Plan teuer bezahlen lassen, mit einer Beschäftigungsgarantie bis 2033. Der Abbau soll über  Altersteilzeit und Vorruhestand geregelt werden.  

„Allerdings gilt bei uns eine doppelte Freiwilligkeit“, erklärt Jochen Haberland, Leiter der Abteilung Arbeitsbeziehungen, Grundsatzfragen und HR Compliance bei Audi. Die Arbeitnehmenden müssen also einem Abgang zustimmen, die Firma aber auch. „Wir haben sehr klar identifiziert, welche Kompetenzen zukünftig für uns wichtig werden und diese in den Zielbildern der Geschäftsbereiche festgehalten“, erklärt Haberland. Vor allem die Bereiche Elektromobilität und Software würden immer bedeutender werden. Dafür sollen Leute gehalten und andere weitergebildet werden. Erst an dritter Stelle steht dann die Option, auch neue Leute einzustellen. 

So stehen die Chancen gut, dass bei Audi niemand gehen muss, der nicht will. Neben der Beschäftigungsgarantie sichert das Unternehmen außerdem acht Milliarden Euro an Investitionen in die deutschen Standorte zu. Auch die Arbeitnehmerseite habe also an dem Plan mitgewirkt und diesen entscheidend geprägt, wie Haberland erklärt. 

Zumindest in der Theorie geht der Autobauer damit den Weg, den auch Beraterin Lehmann befürwortet. „Ich sehe da schon, dass bei vielen Unternehmen der Wille da ist, Umstrukturierungen strategisch anzugehen“, sagt sie. Aber vielerorts scheitere es aktuell noch. Denn viele Unternehmen haben nie eine wirkliche Datenbank der benötigten und vorhandenen Fähigkeiten aufgestellt. Entsprechend ist der Weg über Skill-basierte Personalpolitik erst einmal viel aufwändiger als der klassische Stellenabbau. „Sich da im Unternehmen für zu entscheiden, ist also nicht einfach“, sagt Lehmann. Er lohnt sich aber.