Deutsche Bank, SAP und andere große Unternehmen haben in der vergangenen Zeit angekündigt: Mitarbeitende sollten wieder zu mehr Präsenzarbeit motiviert werden. Dementsprechend werde es in ihrem Unternehmen neue Regelungen geben.
Doch anders, als es in der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen mag, hat sich die Einstellung zum Homeoffice in der Mehrheit der Unternehmen in Deutschland kaum verändert. Knapp ein Fünftel ihrer Arbeitszeit (17 Prozent) verbringen die Beschäftigten in Deutschland am heimischen Schreibtisch. Das geht aus einer Umfrage des ifo Instituts hervor. Demnach ist der Umfang von Homeoffice gegenüber dem Vorjahr unverändert, so die Forscher und Forscherinnen. „Dies mag vor dem Hintergrund der Debatte um die Rückkehr ins Büro überraschen. Doch das Ergebnis deckt sich mit anderen Daten, wonach das Homeoffice keinesfalls auf dem Rückzug ist“, sagt ifo-Forscher Victor Alipour.
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Zur Befragung:
Die Ergebnisse basieren auf der ifo Konjunkturumfrage unter rund deutschen 9000 Unternehmen.
Homeoffice ist in Großunternehmen besonders verbreitet. Beschäftigte dieser Unternehmen verbringen 20 Prozent ihrer Arbeitszeit zu Hause. In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind dies nur 15 Prozent.
Allerdings gibt es große Unterschiede in den Branchen. So arbeiten Beschäftigte der IT-Branche und in Unternehmensberatungen besonders viel von Zuhause aus (58 beziehungsweise 50 Prozent ihrer Arbeitszeit). Beschäftigte in der Industrie arbeiten 10 Prozent ihrer Arbeitszeit nicht im Betrieb. Im Baugewerbe und in der Gastronomie ist Homeoffice nur selten möglich. In diesen Bereichen hat Homeoffice nur einen Anteil von 2 Prozent an der gesamten Arbeitszeit.
Ein Blick auf den Anteil von Homeoffice im Februar 2024 zeigt kaum Veränderungen gegenüber dem aktuellen Stand (24,1 Prozent versus 23,4 Prozent). Das impliziert: Strengere Regeln zum Homeoffice, die Unternehmen in den vergangenen Monaten zum Teil aufgestellt haben, müssen nicht unbedingt zu weniger Homeofficezeiten führen. Alipour erklärt: „Bei den Angeboten der Arbeitgeber kommt es vor allem auf die Koordination von Präsenzzeiten an, um den persönlichen Kontakt zu stärken.“
Keine Einigkeit über Rückkehr ins Büro
Die Diskussion um Homeoffice schwelt schon lange. Einigkeit gibt es nicht. Arbeiten von zu Hause spare Zeit, sagen die einen. Es sei weniger produktiv, sagen die anderen. Manche Unternehmen weiten das flexible Arbeiten aus, andere versuchen, ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro zu holen. Selbst Studien – und davon gibt es einige zum Thema flexibles Arbeiten – verschaffen kaum Klarheit, sondern stiften eher Verwirrung und haben teils gegensätzliche Aussagen. „Firmen sind irritiert, da sich die Studienergebnisse oft nicht decken“, erklärte Ufuk Altun, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, vor einiger Zeit in der Personalwirtschaft. Er hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen die Studienlage analysiert.
Tatsache ist: Viele Beschäftigte über die Generationen hinweg wünschen sich mehr Flexibilität. Das zeigt der jüngst veröffentlichte Gesundheitsreport 2024 der Techniker Krankenkasse (TK). Er belegt auch, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über 50 Jahre länger im Berufsleben bleiben, wenn sie Arbeitsort und Arbeitszeit flexibel an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen können. Für die Befragten war Flexibilität der wichtigste Grund für eine längere Erwerbstätigkeit.
Flexibilität bedeutet nicht immer mehr Zufriedenheit
Den Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität hat der Gesetzgeber für die jungen Talente aufgegriffen und Homeoffice – zumindest zeitweise – für Auszubildende per Gesetz ermöglicht. Seit dem 1. August 2024 dürfen Ausbildungsinhalte „in einem angemessenen Umfang“ auch im Rahmen einer digitalen Ausbildung vermittelt werden (wir berichteten). Dabei sind bestimmte Voraussetzungen zu beachten: Für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte ins Homeoffice muss Informationstechnik eingesetzt werden, und sowohl die Inhalte als auch der Ort, an dem sich Ausbildende und Auszubildende aufhalten, müssen für die virtuelle Übertragung geeignet sein.
Klare Position zum Homeoffice bezog unlängst TUI-Vorständin Sybille Reiß. Angesichts der Ankündigung verschiedener Unternehmen, ihre Angestellten vermehrt ins Büro zurückzuholen, sagte sie: „Ich kenne keine Studie, die belegt, dass eine von oben verordnete Anwesenheitsquote im Büro oder am Arbeitsplatz die Produktivität erhöht.“ Entsprechende „Back to office“-Pläne gebe es daher in ihrem Konzern nicht.
Simon Werther, Psychologe und Professor an der Hochschule München und Mitglied der Forschungsgruppe New Work, plädierte im Gespräch mit unserem Magazin für mehr Handlungsorientierung der Unternehmen – gerade in Zeiten von flexiblen Arbeitswelten, denn: „Es wird mehr Situationen geben, die nicht ganz klar sind, für Teams und Führungskräfte.“ Nur flexibler und weniger arbeiten zu können, heiße nicht, automatisch zufriedener zu sein.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.

