Ob Bastian Schweinsteigers Fehlschuss im „Finale Dohoam“ vor zehn Jahren oder die Benachteiligung von Mitarbeitenden im Homeoffice, wenn es um Beförderungen geht: Beides lässt sich zumindest zum Teil auch verhaltensökonomisch erklären. Der Volkswirt Matthias Sutter, Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn, tut dies in seinem Buch „Der menschliche Faktor“.
So weist er im Schweinsteiger’schen Kontext auf Forschungen seines Kollegen Thomas Dohmen hin, der nachweisen konnte, dass die Leistung nicht zwingend besser wird, „wenn es um mehr geht“. Und auch bei Vor- und Nachteilen von Homeoffice hat Sutter eine Studie zur Hand, die Licht ins dunkle bringt.
Populärwissenschaftlich im besten Sinne
Die beiden Punkte sind zwei von insgesamt 50 Aspekten des Berufs- und Wirtschaftslebens, die das Buch aus verhaltensökonomischer Sicht beleuchtet. Ein kleiner Schwerpunkt liegt dabei auf der systematischen Benachteiligung von Frauen. Sutter argumentiert dabei sowohl für anonymisierte Bewerbungen wie auch für eine Frauenquote, wobei er gerade bei letzterem Punkt auch seine initialen Zweifel thematisiert. Die wissenschaftliche Evidenz, habe ihn allerdings überzeugt.
Die kurzen Texte – jeder Aspekt wird auf nur wenigen Buchseiten abgehandelt – werden wohl nicht bei jedem Leser und jeder Leserin das gleiche vermögen. Das dürfte aber auch nicht Ambition des Buches sein. Schließlich sind für jene, die sich weiter einlesen wollen, die jeweiligen Quellen angegeben, wie es sich für das Werk eines Wissenschaftlers gehört, sei es auch noch so populärwissenschaftlich.
Denn populärwissenschaftlich ist das Buch – im besten Sinne. Es lässt sich gut lesen, auch ohne verhaltensökonomische Vorbildung. Manch eine Erkenntnis wirkt zuerst etwas seltsam: etwa, dass das Gehalt etwas mit der Körpergröße zu tun hat. Doch Sutter und die von ihm vorgebrachten Studien zeigen, dass es einen Zusammenhang gibt – und worin dieser Zusammenhang am Ende begründet ist.
Auch methodisch wertvoll
Natürlich ist nicht jedes der fünfzig Kapitel gleich wichtig für Personalerinnen und Personaler. Weil es aber an zahlreichen Stellen um unbewusste Einflussfaktoren etwa beim Recruiting oder bei Beförderungen geht, kann die Lektüre des schmalen Büchleins von gerade mal rund 250 Seiten definitiv nicht schaden – zumal die wichtigsten Erkenntnisse jedes Kapitels am Ende des Buches noch einmal in wenigen Sätzen zusammengefasst werden.
Und selbst methodisch lässt sich der eine oder andere Punkt mitnehmen. Denn einige der Experimente, mit denen Forschende die Teamfähigkeit von Probanden testen (um dann nachzuweisen, dass die positiv mit der Arbeitsleistung korreliert), lassen sich auch relativ einfach in Vorstellungsgespräche und Assessment Center einbauen.
Matthias Sutter: Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt. 50 verhaltensökonomische Erkenntnisse. Hanser Verlag, 2022. 29,99 Euro.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.