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Wie viele Beschäftigte nutzen den Bildungsurlaub?

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Für viele Beschäftigte ist Bildungsurlaub offenbar zunehmend interessant. Das zumindest legen Zahlen nah, die der Anbieter Bildungsurlauber.de in seinem „Bildungsurlaub Trend Bericht 2025“ am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach nutzten im vergangenen Jahr rund 1,04 Millionen Beschäftigte ihr Recht auf bezahlten Sonderurlaub für Weiterbildungszwecke. Das sei ein Anstieg um rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Den Angaben zufolge ist damit „erstmals die Millionengrenze“ geknackt worden.

Hierzulande gibt es rund 35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Nicht alle von ihnen haben jedoch Anspruch auf Bildungsurlaub. Grund ist unter anderem, dass in Sachsen und Bayern derzeit noch entsprechenden Gesetze fehlen und in vielen anderen Bundesländern Kleinbetriebsklauseln oder Quoten existieren.

Die Zahl der Anspruchsberechtigten liegt dem Bericht zufolge bei 14,06 Millionen Beschäftigten. Daher nehme lediglich jeder beziehungsweise jede 14. Anspruchsberechtigte das Recht auf Bildungsurlaub wahr. Diese Ergebnisse stammen laut dem Bericht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts sowie des Ifo Instituts.

Das deckt sich in etwa mit Einschätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der davon ausgeht, dass zwar rund 77 Prozent aller Beschäftigten „an Fortbildungen interessiert“ seien, aber nur ein bis zwei Prozent aller abhängig Beschäftigten wirklich Bildungsurlaub antritt.

Gesundheitsthemen sind besonders gefragt

Unter den Themen, mit denen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Bildungsurlaub beschäftigen, liegen laut des Anbieters vor allem die Bereiche Gesundheit und Stressbewältigung sowie persönliche und berufliche Entwicklung weit vorn. Das Unternehmen beruft sich dabei auf Buchungsanfragen, die bei der eigenen Internet-Plattform Bildungsurlauber.de eingingen.

Welche Themenfelder ansonsten gefragt sind, zeigt folgende Übersicht:

ThemenbereichAnteil der Anfragen
Gesundheit & Stressbewältigung55,44 %
Persönliche & berufliche Entwicklung43,08 %
Sport, Fitness, Yoga33,77 %
Sprachkurse29,19 %
Sprachreisen23,39 %
Natur, Ökologie & Umwelt18,20 %
Gesellschaft, Politik, Bildung, Zeitgeschehen17,45 %
Kreativität (Fotografie, Malen, Musik)9,40 %
Studienreisen8,36 %
Wissenschaft & Lehre7,63 %
Business, Management & Finanzen6,81 %
Technik, Handwerk & Gewerbe3,50 %
IT, Office & Programmieren1,75 %
Kaufmännisches, Steuer0,90 %
Marketing & Design0,83 %
Quelle: Bildungsurlauber.de (Zeitraum: 01.01.2024 – 31.12.2024)

Bildungsurlaub: Was gilt arbeitsrechtlich?

Unter Bildungsurlaub versteht man grundsätzlich die Teilnahme an einer beruflichen oder gesundheits- beziehungsweise kulturpolitischen Weiterbildungsmaßnahme. Diese können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten Bundesländern zusätzlich zu ihrem Jahresurlaub beanspruchen. Hier hat der Betriebsrat für allgemeine Regeln ein Mitbestimmungsrecht im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.

Ist der individuelle Anspruch gegeben, muss der Arbeitgeber Beschäftigte unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Welches Landesrecht dabei gilt, richtet sich nach der Lage des gewöhnlichen Arbeitsplatzes. Wer also in Mainz (Rheinland-Pfalz) wohnt, aber in Wiesbaden arbeitet, unterliegt dem Hessischen Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub (HBUG). Während der Arbeitgeber für diese Lohnfortzahlung aufkommen muss, sind die Kostenpunkte Seminargebühren, An- und Abreise sowie Unterkunft individuell zu tragen. Maßstab für die Vergütung ist dabei das durchschnittliche Arbeitsentgelt, das in den 13 vorangegangenen Wochen gezahlt wurde.

Bildungsurlaub kann dabei nur für Seminare und Veranstaltungen beansprucht werden, die von einem anerkannten Träger für Bildungsurlaubsmaßnahmen durchgeführt werden oder gesondert als Bildungsurlaub eingestuft wurden. Für welche das gilt, entscheiden zumeist die Landesbildungsministerien.

Die Bandbreite reicht dabei von berufsnahen Fortbildungen mit technisch-ökonomischen Schwerpunkten über Sprachkurse und -reisen zu Gesundheitsseminaren oder persönlichkeitsbildenden und politischen Kursen. Auch Weiterbildung für Ehrenämter werden angeboten.

Um wie viele Tage geht es?

In den meisten Bundesländern beträgt der Anspruch auf Bildungsurlaub fünf Arbeitstage je Kalenderjahr. Wird regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, kann dies nach oben oder unten variieren, wobei Bruchteile eines Tages zugunsten der Beschäftigten aufgerundet werden. In manchen Bundesländern können Ansprüche aus dem Vorjahr nach entsprechender Mitteilung an den Arbeitgeber auch übertragen werden. Auch Azubis haben vielerorts ein Recht auf Bildungsurlaub.

Das aber ist anscheinend vielen Beschäftigten nicht bewusst: „Das Interesse an selbstbestimmter Weiterbildung wächst – besonders bei jungen Beschäftigten. Aber viele kennen ihren Anspruch nicht oder scheitern an der Bürokratie“, sagt dazu Anian Schmitt, Geschäftsführer von Bildungsurlauber.de.

Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, appelliert in einer Mitteilung vor diesem Hintergrund auch an die Politik: „Ich freue mich, dass der Bildungsurlaub immer beliebter wird. Damit das so bleibt, müssen die Regelungen der Bundesländer einheitlicher werden und wichtige Themen wie Teilhabe und politische Bildung endlich überall abdecken.”

Kann HR einen Bildungsurlaub ablehnen?

Grundsätzlich kann ein Antrag auf Bildungsurlaub nur aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden oder wenn es sich um einen nicht anerkannten Bildungsträger handelt. Dem tragen in vielen Bundesländern auch Regelungen zu Sonder- und Überforderungsklauseln Rechnung, mit denen verhindert werden soll, dass in Kleinbetrieben mehrere Personen zugleich Bildungsurlaub nehmen.

Das scheint sich in der Praxis zu bestätigen, wie Zahlen des Ifo-Instituts aus 2023 zeigen: „Der Anteil der Unternehmen, die Anträge erhalten und Bildungsurlaub gewähren, nimmt mit sinkender Betriebsgröße ab: 86 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bieten Bildungsurlaub an, in der nächstkleineren Unternehmensgröße sind es 77 Prozent. Bei Unternehmen mit 50–249 Beschäftigten ermöglichen 57 Prozent Bildungsurlaub, bei Unternehmen unter 50 Mitarbeitenden sind es 41 Prozent.

Vorteile für Beschäftigte und Kritik der Arbeitgeber

Obwohl nur wenige Beschäftigte tatsächlich Bildungsurlaub beantragen, gibt es in Organisationen anscheinend nicht selten Vorbehalte. „In vielen Unternehmen wird das Thema Bildungsurlaub unter den Teppich gekehrt“, berichteten auch die Diplom-Psychologinnen Edina Causevic und Carola Endemann, die im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention tätig sind, im Frühjahr in einem Interview mit der F.A.Z.. So gebe es Fälle, in denen die Teilnahme nur mit der Maßgabe bewilligt wurde, „nicht in der Firma darüber zu sprechen“, um Nachahmungen zu vermeiden.

Ob die Ursache dafür Unkenntnis, Unwillen oder begründete wie unbegründete Sorge vor Produktivitätseinbußen ist, ist statistisch nicht genauer untersucht. Wie sehr das Thema polarisiert, zeigte sich aber jüngst in Sachsen. Dort soll es ab 2027 einen Anspruch auf Bildungszeit geben, was bei Wirtschaftsverbänden zum Teil starke Kritik auslöste, da das Gesetz „zur Unzeit“ käme.

Umgekehrt verweisen Experten auf positive Effekte für Unternehmen. Laut der Krankenkasse DAK-Gesundheit sind Mitarbeitende, „die Bildungsurlaub beantragen, sich freiwillig weiterbilden und noch dazu beispielsweise politische Bildung in Form von Studienreisen wählen, meistens motiviert, selbstständig arbeitend und an den Betrieb gebunden“. Ob es nun eben diese Menschen, die sich um einen Bildungsurlaub kümmern, anstatt dass sie durch den Bildungsurlaub diese Eigenschaften gewonnen haben, ist an dieser Stelle nicht ganz klar. Wer als Arbeitgeber aber entsprechend unterstützt, kann damit sicherlich zu Retention Management und Employer Branding beitragen.

Eine wissenschaftliche Untersuchung an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg aus dem Jahr 2022 beleuchtete  einen weiteren Aspekt, der im Hinblick auf den demografischen Wandel und die Forderung nach lebenslangem Lernen aufschlussreich ist: „Viele Befragte bestätigen, dass sie durch die Mehrfachteilnahme an Bildungsfreistellung ihre Einstellungen und Haltungen reflektiert und verändert haben und sich daraus erweiterte Handlungsmöglichkeiten im privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld ergeben haben.“

Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.