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Fußball-EM: Was Fans bei der Arbeit dürfen – und was nicht 

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Wenn am 14. Juni die Fußball-Europameisterschaft startet, sind viele Deutsche auch am Arbeitsplatz live mit dabei. Laut einer aktuellen Umfrage, für welche die Arbeitgeber-Vergleichsplattform kununu 1.024 Mitarbeitende befragte, werden sich 37 Prozent der Beschäftigten die Spiele auch auf der Arbeit anschauen. Mehr als ein Viertel (27 Prozent) plant sogar, auch heimlich per Livestream dabei zu sein.  

Vor allem Männer fiebern im Büro oder in der Produktionshalle mit, hat die Umfrage ermittelt: 50 Prozent von ihnen schauen sich dort die Spiele ihrer Wahl an, wenn diese während der Arbeitszeit angepfiffen werden. Mehr als ein Drittel der männlichen Fans, nämlich 35 Prozent, greifen dafür bei Bedarf auf einen Stream auf ihrem PC oder ihrem Smartphone zurück.   

Ein Viertel der Männer wünscht sich Sonderurlaub 

Immerhin fast jeder fünfte männliche Arbeitnehmer (19 Prozent) plant, an Spieltagen der deutschen Nationalmannschaft oder für den Tag nach den DFB-Spielen Urlaub zu nehmen, um sich voll der Europameisterschaft im eigenen Land widmen zu können. Bei Frauen fällt der Anteil deutlich geringer aus – nur sechs Prozent möchten für die DFB-Kicker tatsächlich einen Urlaubstag opfern.  

Was es beim Thema Urlaub während der EM zu beachten gibt, erläutert Lisa Striegler, Arbeitsrechtlerin bei der Kanzlei Oppenhoff. Beschäftigten stehe es natürlich grundsätzlich frei, auch während der EM Urlaub zu beantragen, um sich „dem Fußballfieber voll und ganz hingeben zu können“. Beantragen jedoch zu viele Mitarbeitende Urlaub, um die Nationalmannschaft zu unterstützen, ist das Unternehmen berechtigt, die freien Tage unter Umständen zu verweigern – namentlich, wenn dem dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Das kann etwa der Fall sein, wenn aufgrund der zahlreichen Urlaubsanfragen eine Unterbesetzung im Betrieb droht. 

Die Juristin warnt Mitarbeitende davor, die Gewährung des Urlaubs durch „unlautere Mittel“ zu erzwingen. So könne etwa die Ankündigung einer „Erkrankung“ im Fall der Ablehnung des Urlaubsantrags sogar einen Kündigungsgrund darstellen. Zudem können arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, wenn sich Beschäftigte mit einer vorgetäuschten Krankheit arbeitsunfähig melden. 

Fast zwei Drittel wollen im Homeoffice Livestream schauen 

Viele fußballverrückte Mitarbeitende (53 Prozent) planen übrigens, häufiger im Homeoffice zu arbeiten und dort über Livestreams (62 Prozent), das Radio (57 Prozent), den Fernseher (47 Prozent) oder Social Media (45 Prozent) mitzufiebern. Auffällig oft sind das genau jene Menschen (81 Prozent), die sich für das Turnier im eigenen Land ohnehin schon extra Urlaubstage genommen haben, hat jetzt die Jobbörse Indeed in einer Umfrage ermittelt. 

Verdrücken sich Fußballfans in Deutschland während der EM also vermehrt in den Urlaub und ins Homeoffice? „Verdrücken ist hier das falsche Wort“, sagt Frank Hensgens, Indeed-Geschäftsführer DACH. „Spätestens seit der Corona-Pandemie ist das Homeoffice etabliert und für Arbeitnehmende zurecht ein wichtiger Faktor bei der Jobsuche. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass es wunderbar funktioniert. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Angestellte während der EM im Homeoffice noch effektiver arbeiten, damit sie rechtzeitig fertig werden.“ 

Klare Regeln für Mediennutzung am Arbeitsplatz 

Arbeitsrechtlich gibt es neben den Vorgaben bezüglich Urlaubs aber noch andere Punkte zu beachten. So ist es Mitarbeitenden zwar grundsätzlich gestattet, während der Arbeit Radio zu hören, sofern die jeweilige Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbracht wird und andere Beschäftigte nicht beeinträchtigt werden. Allerdings erfordert das Verfolgen eines Spiels in Bild und Ton eine erhöhte Aufmerksamkeit, so dass eine ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung in aller Regel nicht mehr gewährleistet ist.  

„Eine Kündigung ist in einem solchen Fall – zumindest bei einem erstmaligen Verstoß – nach Ansicht der Rechtsprechung unverhältnismäßig, weil das Verfolgen des EM-Spiels (noch) als „sozialadäquat“ eingestuft wird“, kommentiert Oppenhoff-Anwältin Lisa Striegler. Bei einem entsprechenden Verstoß werde daher zunächst eine „gelbe Karte“ in Form einer Abmahnung in Betracht kommen. 

Eine weitere Möglichkeit, sich über den aktuellen Spielverlauf auf dem Laufenden zu halten, ist die Nutzung sogenannter Live-Ticker im Internet, wobei es für die arbeitsrechtliche Zulässigkeit eines solchen Mitfieberns zunächst darauf ankommt, ob die Internetnutzung im Betrieb zu dienstlichen oder auch zu privaten Zwecken gestattet ist. Nutzen Beschäftigte trotz fehlender Vereinbarung das Internet privat zur Verfolgung eines Spiels, könne dies eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstellen und damit ebenfalls eine Grundlage für eine Abmahnung oder sogar Kündigung sein.  

Aber auch, wenn die Privatnutzung erlaubt worden ist, darf ein Live-Ticker nicht übermäßig in Anspruch genommen werden: Wird dieser über das gesamte Spiel hinweg verfolgt, wird dies regelmäßig als exzessiver Gebrauch betrachtet, der arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer (fristlosen) Kündigung nach sich ziehen kann, da es sich um einen Fall der Vorenthaltung von Arbeitsleistung oder um Arbeitszeitbetrug handelt.  

Im Trikot zur Arbeit? 

Jeder fünfte Beschäftigte plant übrigens, im Deutschland-Trikot zur Arbeit zu erscheinen, wenn die DFB-Auswahl Europameister wird, hat die Jobbörse jobtensor.com in einer Umfrage ermittelt, für die bundesweit 1.000 Mitarbeitende befragt wurden. Demnach kündigten 21 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen an, im schwarz-rot-goldenen Jersey ins Büro oder die Fabrikhalle zu kommen, wenn Deutschland am 14. Juli im Finale den EM-Titel im eigenen Land gewinnt. Entsprechend hoch ist der Anteil der Beschäftigten, die sich über ein Public Viewing im Kollegenkreis freuen würden. Das jedenfalls wünschen sich fast ein Drittel aller Befragten (32 Prozent). Vor allem bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren ist der Anteil diesbezüglich mit 45 Prozent besonders hoch. 

„Die Zulässigkeit des Tragens von Fanartikeln während der Arbeitszeit ist in Abhängigkeit von der spezifischen Berufstätigkeit sowie den Richtlinien des Unternehmens zu bewerten“, erklärt Arbeitsrechtlerin Lisa Striegler. So werde in diversen Berufsfeldern das Tragen spezieller Schutzkleidung durch Gesetze oder Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft geregelt. Zwar könnten Beschäftigte durchaus versucht sein, jene Schutzkleidung durch ein Fan-Outfit zu ersetzen. Ein solcher „Trikottausch“ ist jedoch grundsätzlich nicht gestattet.  

Es obliege insoweit dem Unternehmen sicherzustellen, dass die vorgeschriebene Schutzkleidung auch tatsächlich getragen wird. „Verweigern sich Beschäftigte, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, warnt die Juristin. Auch wenn Beschäftigte Kontakt mit Kunden haben, könne das Tragen von Fan-Outfits gegen unternehmerseitige Vorgaben verstoßen. 

Tippspiele ausschließlich für die eigenen Beschäftigten 

Was aber, wenn die Mitarbeitenden sich die Spiele nicht nur anschauen, sondern auf deren Ausgang tippen wollen? Prinzipiell ist gestattet, innerhalb eines Betriebs Tippspiele zu organisieren, so Lisa Striegler. Dabei sei jedoch darauf zu achten, dass den Organisatoren keine Gewinnbeteiligung gewährt werde und das Tippspiel ausschließlich für die eigenen Beschäftigten bestimmt ist. Aus Gründen des Jugendschutzes sollte zudem sichergestellt werden, dass Minderjährige nicht zur Teilnahme berechtigt sind. Bei der Planung und Durchführung eines Tippspiels müssen darüber hinaus etwa bestehende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berücksichtigt werden, sofern ein solcher im Unternehmen existiert. „Diese sind insbesondere im Hinblick auf datenschutzrechtliche Fragen relevant – vor allem, wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht.“ 

Daneben ist es auch möglich, dass die Beschäftigten selbst ein Tippspiel organisieren, bei dem das Unternehmen gar nicht involviert ist. Dann muss jedoch sichergestellt sein, dass dieses Spiel als Freizeitbeschäftigung angesehen wird und nicht während der Arbeitszeit stattfindet. Andernfalls besteht das Risiko einer Abmahnung. Unbedenklich ist es hingegen, Tippspiele während der Pausenzeiten oder nach Arbeitsende durchzuführen. 

Gute Absprachen sind alles 

Letztlich, rät die Industrie- und Handelskammer Bayern auf ihrer Website, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer versuchen, beim Umfang mit der Fußball-Europameisterschaft einvernehmliche Lösungen zu finden. So könne zum Beispiel vereinbart werden, dass Fußballfans an Spieltagen der EM später zur Arbeit kommen dürfen und an einem anderen Tag nacharbeiten oder Überstunden abbauen. Eine weitere Möglichkeit sei es, Schichten zu tauschen. „Nicht fußballbegeisterte Kollegen sind dazu meist gerne bereit. Nach den Erfahrungen früherer Weltmeisterschaften werden in den meisten Unternehmen pragmatische Regelungen gefunden.“ 

Info

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.