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Keine stärkere Warnfunktion durch Bundle-Abmahnung

Kommt ein Beschäftigter wiederholt zu spät zur Arbeit, obwohl er deshalb bereits firmenseitig abgemahnt worden ist, kann das grundsätzlich eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Sanktioniert der Arbeitgeber mehrfaches Fehlverhalten in einem solchen Fall aber dergestalt, dass er dem Mitarbeiter mehrere Abmahnungen – als Bundle – en bloc übergibt, wird „deren Warnfunktion abgeschwächt“. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln klargestellt. Folge: Eine etwaige Kündigung läuft ins Leere.

In dem Prozess stritten ein Anlagenbediener und sein Arbeitgeber über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung. Nachdem der Mann im ersten Quartal 2021 seine Schicht mehrere Male – zum Teil deutlich – zu spät angetreten haben soll, erhielt er in der letzten Märzwoche deshalb zeitgleich drei Abmahnungen.

Mehrfaches Fehlverhalten en bloc abgemahnt

Nach einem erneuten Vorfall im Juli fand Mitte August dann ein Personalgespräch statt, in dessen Folge der Arbeitgeber den örtlichen Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitnehmers anhörte. Zwar signalisierte das Gremium seine Ablehnung der Maßnahme, das Unternehmen kündigte das Arbeitsverhältnis jedoch dennoch fristgerecht zu Ende September.

Dagegen klagte der Mitarbeiter mit dem Argument, die verhaltensbedingte Kündigung sei überzogen, unverhältnismäßig und damit unwirksam. Es habe gute Gründe für seine Verspätungen gegeben und er habe sich jedes Mal beim Schichtleiter vorab gemeldet und entschuldigt. Zudem sei der Betriebsrat nicht korrekt angehört worden.

Das bestritt der Arbeitgeber zurück und verwies laut Gericht darauf, die Verspätungen hätten zu „Störungen im Betriebsablauf geführt“ und das – seinerzeit Corona-bedingt bestehende – Konzept zur Kontaktreduzierung in der Produktion gefährdet. Daher sei eine Trennung unvermeidlich und gerechtfertigt.

Sowohl das Arbeitsgericht Aachen als auch die 8. Kammer des LAG gaben jedoch dem Weiterbeschäftigungsantrag des Arbeitnehmers statt. Die Kündigung sei unwirksam, da sie sozial nicht gerechtfertigt ist – und zwar „insbesondere nicht durch verhaltensbedingte Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG“.

Warnfunktion abgeschwächt

Zwar sei eine verhaltensbedingte Entlassung bei wiederholtem Zuspätkommen trotz Abmahnung prinzipiell denkbar. Das gelte aber nur, wenn ein Arbeitnehmer „seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist“.

Hier aber, so die Richter weiter, verstoße das Unternehmen mit seiner Kündigung gegen den disziplinarischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: So seien die Verspätungen des Arbeitnehmers „zunächst ohne Reaktionen“ geblieben, während die dann später im Bundle ausgesprochenen Abmahnungen „nicht im unmittelbaren Nachgang zu der jeweiligen Pflichtverletzung erfolgten“. Insofern habe „der Kläger in zeitlicher Hinsicht lediglich eine ‚Warnung‘ erhalten“.

Kündigung unwirksam

Das aber reiche „angesichts der eher geringen Schwere der Pflichtverletzung“ nicht aus, um sich wirksam von dem Mitarbeiter zu trennen. Es hätte stattdessen vor Ausspruch der Kündigung „einer weiteren (einschlägigen) Abmahnung bedurft“, um dem Beschäftigten „eine wohlmöglich letzte Gelegenheit zu geben“, sein Fehlverhalten ein für alle Mal abzustellen.

Da außerdem der Betriebsrat unvollständig unterrichtet worden sei – laut LAG fehlten in der Anhörung etwa Details zu Umfang und Hintergrund der abgemahnten Verspätungen –, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20.10.2022 (Az.: 8 Sa 465/22).

Info

Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem BetriebsratsPraxis24.de, unser Portal für Mitbestimmung.