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Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass mein Mitarbeitender blau macht?

Wir haben für Teil 3 unserer Kolumne “So ist’s Arbeitsrecht” mit Katharina Müller, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, gesprochen.

Personalwirtschaft: Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass mein Mitarbeitender blau macht?
Katharina Müller: Die einfachste Möglichkeit die Arbeitgeber bei einem vermuteten Blaumacher haben, ist sich an die Krankenkasse zu wenden, wenn der oder die Mitarbeitende gesetzlich versichert ist, und eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu verlangen. Denn in der Thematik des Blaumachens geht es fast immer darum, dass der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat. Gerade dann, wenn Mitarbeitende auffällig häufig zu Beginn oder Ende einer Woche arbeitsunfähig sind oder die Arbeitsunfähigkeit auf Zeiten eines abgelehnten Urlaubswunsches fällt. Der MDK überprüft dann die Arbeitsunfähigkeit, indem er sich in der Regel die Krankenakten heranzieht, um etwaige Auffälligkeiten zu finden. Zum Beispiel wenn die Krankschreibung für den Grund der Krankheit viel zu lang war. Die Krankenkasse informiert Arbeitgeber und Versicherten über das Ergebnis der MDK-Begutachtung, wenn diese mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht übereinstimmt. Allerdings macht sie keine Angaben zu der Erkrankung selbst. Der Arbeitgeber erfährt also nicht, warum der Mitarbeitende arbeitsunfähig war.

Kann der Arbeitgeber auch selbst Nachforschungen anstellen?
Theoretisch gäbe es die Möglichkeit einen Privatdetektiv einzuschalten, um zu überprüfen, ob der oder die Mitarbeitende zu Hause ist beziehungsweise was er oder sie überhaupt macht während seiner oder ihrer Krankschreibung. Meistens ist das aber nicht angemessen. Da müssen schon besondere Umstände vorliegen, denn bei der Beschattung bewegen wir uns im Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes: Der Einsatz eines Privatdetektives kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn der oder die Mitarbeitende sein oder ihr Blaumachen vorher ankündigt, zum Beispiel gegenüber einem Kollegen oder einer Kollegin. War die Beschattung nicht gerechtfertigt, droht allerdings Schmerzensgeldanspruch des betroffenen Mitarbeitenden.

Und darf der Arbeitgeber selbst bei dem Angestellten zu Hause auftauchen?
Es kann mich als Arbeitgeber niemand daran hindern, meinem Angestellten einen Blumenstrauß und Genesungswünsche vorbei zu bringen. Das bewegt manche Arbeitnehmenden dann doch dazu, wieder arbeiten zu kommen, weil sie sich ertappt fühlen. Eventuell entdeckt man dabei, dass der oder die Mitarbeitende sich genesungswidrig verhält. Bei der Interpretation muss man natürlich aufpassen: Jemand kann arbeitsunfähig sein und sich trotzdem an der Eisdiele ein Eis holen – außer, ihm oder ihr wurde Bettruhe verordnet.

Darf der Arbeitgeber für diese Einschätzung nach dem Grund der Krankschreibung fragen?
Es gibt kein Verbot, diese Frage zu stellen, aber der oder die Arbeitnehmende muss nicht antworten. Man sollte aber generell mit solchen Fragen vorsichtig sein, da man sich vor allem bei Dauerkranken im Bereich der Schwerbehinderung bewegen kann und dann kann die Frage zu einem Diskriminierungsverdacht auf Seiten des Angestellten führen. Hier könnte ein Schadensersatz folgen.

Dass man bei manchen Unternehmen erst ab dem dritten Krankheitstag ein Attest vorlegen muss, macht es natürlich leichter, zumindest zwei Tage blau zu machen. Kann man das Attest von einzelnen Angestellten ab dem ersten Tag fordern?
Ja, das geht bei einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitgeber diese Pflicht auch im laufenden Arbeitsverhältnis einführen. Allerdings kann er nicht rückwirkend – also für vergangene Krankheitszeiträume eine entsprechende Bescheinigung verlangen.

Auch Bilder und Videos auf den Social-Media-Accounts eines Mitarbeitenden können den Verdacht des Blaumachens auslösen. Kann der Arbeitgeber dies als Indiz heranziehen?
Ja, so etwas kann ein Indiz für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit von einem Blaumacher oder ein genesungswidriges Verhalten – also eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers sein. Um an diesen Verdacht eine arbeitsrechtliche Maßnahme knüpfen zu können – ggfs. sogar eine Kündigung wegen des Verdachtes, muss der Arbeitgeber den Mitarbeitenden zunächst mit seinem Verdacht konfrontieren und ihm/ihr die Möglichkeit geben, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen. So mag sich herausstellen, dass das Foto oder Video zwar während der Arbeitsunfähigkeit veröffentlicht, aber nicht entstanden ist. Erhärtet sich der Verdacht des Arbeitgebers – liegen also schwerwiegende Anhaltspunkte für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vor – kann der Arbeitgeber ggfs. eine Kündigung auf diesen Verdacht stützen. Für den Zeitraum der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit schuldet er ebenfalls keinen Lohn.

Zu welchem Zeitpunkt muss der Arbeitgeber den Betriebsrat hinzuziehen?
Der Betriebsrat muss angehört werden, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Er hat dann eine Woche Zeit, dazu Stellung zu nehmen – bei einer fristlosen Kündigung drei Tage. Im Rahmen des Verdachtes, der Beauftragung eines Detektives oder bei Aussprechen einer Abmahnung muss der Betriebsrat nicht beteiligt werden. Allerdings hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 6 des Betriebsverfassungsgesetzes, sobald der Detektiv zur Überwachung technische Mittel einsetzt.

Muss der Arbeitgeber Fristen für diese Maßnahmen einhalten?
Ja, wenn er fristlos kündigen möchte, muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen, nachdem der zur Kündigung berechtigte Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt hat, ausgesprochen werden. Die Abmahnung unterliegt keiner Frist. Allerdings verliert sie ihre Wirkung, wenn der Arbeitgeber einen langen Zeitraum zwischen Kenntnis von dem abgemahnten Sachverhalt und Abmahnung verstreichen lässt. Arbeitgeber sind in jedem Fall gut beraten, einem entsprechenden Verdacht zeitnah nachzugehen.

Alles zum Thema

Die Kolumne “So ist’s Arbeitsrecht” erscheint alle zwei Wochen und klärt HR-relevante Fragen im Recht. Gibt es bei Ihnen Unklarheiten zu arbeitsrechtlichen Themen? Dann schreiben Sie gerne an unsere Redakteurin Gesine Wagner: gesine.wagner@faz-bm.de.

Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.