Personalwirtschaft: Herr Saul, Sie sind Co-Geschäftsführer der Index Gruppe und zweifacher Vater. Kürzlich waren Sie zum zweiten Mal nach der Geburt ihres zweiten Kindes für einen Monat in Elternzeit. Hat alles geklappt, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Oliver Saul: Ja, absolut. Mein Ziel ist es immer, die entbehrlichste Führungskraft zu sein, die ich sein kann und meinem Team entsprechend zu vertrauen. Es gab zwar eine Mitarbeiterin im Vertrieb, die für Notfälle meine Handynummer hatte und mir eine Whatsapp-Nachricht hätte schicken können. Das ist aber nie passiert.
Sie sind als ein Geschäftsführer, der in Elternzeit geht, trotz aller gesellschaftlicher Fortschritte immer noch ein Exot. Wieso?
In der Tat ist es als Geschäftsführer rechtlich nicht ganz so einfach wie bei einem normalen Angestellten. Sie müssen unter anderem aus haftungsrechtlichen Gründen abberufen werden. Zwar gibt es seit vergangenem Jahr ein offizielles Rückkehrrecht für 14 Wochen, aber selbst das ist ein kompliziertes Konstrukt. Zudem ist es natürlich für den Geschäftsführer zum Beispiel von einer Dachdeckerfirma mit vier Beschäftigten schwieriger. Denn wenn er nicht da ist, fehlen gleich 20 Prozent der Arbeitskraft.
Bei Index arbeiten 180 Menschen – und es gibt zwei Geschäftsführer.
Genau, da geht es einfacher. Wobei mein Geschäftsführungs-Kollege Jürgen Grenz und ich getrennte Bereiche verantworten. Aber es war natürlich schon wichtig, dass er meine Entscheidung auch unterstützt hat. In so einem Setting sollte eine Elternzeit des Geschäftsführers kein Problem sein.
Wieso waren Sie dann nur zweimal einen Monat in Elternzeit?
Wir sind stark im Projektgeschäft tätig – da hätte es in der Tat nur schwer gepasst. Deshalb bin ich nach dem einen Monat der zweiten Elternzeit zumindest halbtags wiedergekommen, weil ich noch zwei Wochen die Kita-Eingewöhnung begleitet habe. Ich war aber selbst auch verwundert über die Resonanz zu meinem Linkedin-Post, den ich zur ersten Elternzeit abgesetzt hatte. Natürlich habe ich mich über den Zuspruch gefreut. Gleichzeitig dachte ich: Ich bin einen Monat weg – das ist jetzt auch nicht sensationell. Aber es ist ein Anfang.
Wie meinen Sie das?
Ein, zwei Monate Elternzeit sollten für jeden Arbeitgeber und jeden Arbeitnehmer zu machen sein. Bei weiblichen Angestellten klappt das ja auch. Und wenn das normalisiert ist, ist der erste kleine Schritt getan – und der nächste Schritt nicht mehr so schwer. Bisher ist es doch so, dass viele Menschen glauben, dass eine kurze Elternzeit in ihrem Fall nicht geht.
Woher kommen diese Annahmen?
Viele haben Angst davor, ersetzbar zu sein. Andere sehen den Mehrwert nicht oder verzichten aus finanziellen Gründen auf eine Elternzeit. Und viele haben Angst, schlecht dazustehen. Zudem gibt es Unternehmen, bei denen das Thema nach wie vor ein Tabu ist. Mir hat eine Personalerin geschrieben, die von ihrem – mittlerweile ehemaligen – Arbeitgeber die Anweisung bekam, elternzeitwilligen Vätern zu sagen, dass sie das ablehnen könne – was natürlich nicht stimmt. Ich wäre vielleicht auch nicht bei all’ meinen ehemaligen Arbeitgebern in Elternzeit gegangen.
Wieso nicht?
In der Unternehmensberatung, in der ich mal gearbeitet habe, hätte man mir womöglich den Vogel gezeigt. Und in dem Start-up, das ich später mitgeleitet habe, wäre das Ganze wohl nicht gern gesehen gewesen. Als ich dort dann gekündigt hatte, habe ich die Zeit bis zum nächsten Job auch für eine siebenmonatige Elternzeit bei meinem ersten Kind genutzt.
Nehmen bei Index denn viele männliche Führungskräfte Elternzeit?
Das ist schwer zu sagen, weil bei uns die meisten Führungskräfte Frauen sind. Aber auch die männlichen gehen in Elternzeit, momentan ein Kollege in der IT und vorher ein Kollege aus dem Vertrieb. Das interessante dabei: Die Männer fragen, ob Sie in Elternzeit gehen dürfen. Ich sag dann immer: Frage nicht mich, sondern deine Frau! Aus meiner Sicht sollte die Elternzeit eine Selbstverständlichkeit sein. Eigentlich müsste man als Arbeitgeber negativ reagieren, wenn es jemand nicht macht.
Info
Oliver Saul ist seit 2019 CEO der index Gruppe, dem nach eigenen Angaben europäischen Marktführer in der Stellenmarkt-Auswertung. Zuvor baute er den Vertrieb des Solar-Start-ups Enpal auf und leitete das Sales Recruiting der Unternehmensberatung Pawlik Consultants.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.