Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

So gelingt es, Diversity mithilfe einer Mitarbeiterbefragung zu messen

Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann man Diversity & Inclusion mittels einer Mitarbeiterbefragung erheben?

Es antwortet: Dr. Petra Köppel, Inhaberin der Diversity-Beratung Synergy Consult

Den meisten Arbeitgebern ist mittlerweile bewusst: Unternehmen müssen sich mit Vielfalt und Inklusion beschäftigen, wenn sie zukünftig innovativ, produktiv und mit genügend Personal arbeiten möchten. So wurde in vielen Unternehmen ein umfassendes Diversity Management entwickelt, mit verschiedensten Maßnahmen für Führungskräfte und Mitarbeitende. Was allerdings wenige Arbeitgeber bisher machen, ist Diversity und Inclusion mittels einer Mitarbeiterbefragung zu erheben. Das sollte sich ändern, denn D&I-Befragungen haben allerlei Nutzen:

Mit einer Befragung zu Diversity (Vielfalt) und Inclusion (Einbeziehung) können Sie …

… erkunden, was die Einstellungen und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden zu D&I sind

… die verschiedenen Personengruppen mitreden lassen

… erkennen, welches Verbesserungspotenzial hinsichtlich D&I vorhanden ist

… den Stand von Vielfalt in Ihrem Unternehmen erheben und herausfinden, welche Wirkung Ihre Maßnahmen erzeugen

… auf Basis einer Faktenlage erkennen, welche (weiteren) Maßnahmen notwendig sind

… Ihr Diversity Management strategisch lenken und damit die Unternehmenskultur gestalten

… via eines Benchmarks Ihr Unternehmen im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern verorten

… Ihr Engagement aufzeigen und in einem (ESG-)Report veröffentlichen

… verantwortliche Führungskräfte für ihre Fortschritte honorieren.

Die Architektur einer D&I-Befragung

Es spricht folglich eine Menge dafür, Diversity- und Inclusion-Aspekte in die Mitarbeiterbefragung zu integrieren oder eine eigene Umfrage zu dem Thema zu kreieren. Wie genau das geht? Das schauen wir uns jetzt an. Die Befragung besteht aus zwei wesentlichen Elementen: Einerseits wird die bestehende Vielfalt (Diversity) abgefragt. Dabei können folgende Fragen gestellt werden: Welche Personengruppen sind in der Belegschaft und in den jeweiligen Bereichen vertreten? Hier wird also nach den klassischen demografischen Daten wie in jeder anderen Mitarbeiterbefragung gefragt – Geschlecht, Alter, Betriebszugehörigkeit. Doch um auch die Perspektiven anderer, bisher weniger sichtbarer Personengruppen in Erfahrung zu bringen, werden die Befragten ebenfalls gebeten, ihre geschlechtliche Orientierung und Identität, ihre Familienverpflichtungen oder auch ihren sozialen Hintergrund anzugeben.

Andererseits wird im zweiten Element nach der Einbeziehung und Teilnahme in den Unternehmensalltag gefragt (Inclusion). Dabei interessiert vor allem, ob sich die Mitarbeitenden wertgeschätzt, miteinbezogen, sich als Teil eines kooperativen Austauschs empfinden und innovative Ideen einbringen können. Die Fragen beziehen sich auf vier Ebenen:

1. Unternehmenskultur: Inwiefern wird Vielfalt in der Gesamtorganisation gelebt?

2. Mein Team: Wie verhalten sich die unmittelbaren Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich Vielfalt?

3. Meine Führungskraft: Wie diversityorientiert führt sie?

4. Ich: Wie fühle ich mich in meinen verschiedenen Facetten angenommen?

Haben Human Resources oder die Diversity-Beauftragten die Daten gesammelt, können folgende Aspekte damit aufgedeckt werden: Wie divers ist die Belegschaft (wie hoch ist beispielsweise der Anteil der LGBTIQ+-Angehörigen)? Inwiefern wird diese Vielfalt in der Unternehmenskultur gelebt (welche Vorteile erleben beispielsweise diverse Teams)? Wie blicken einzelne Personengruppen auf kulturrelevante Aspekte im Unternehmen (fühlen sich Frauen beispielsweise gegenüber Männern benachteiligt)?

Alles zum Thema

Die HR-Werkstatt

Immer wieder bringen kleine Probleme die Personalarbeit zum Erliegen oder man weiß einfach nicht, wo anfangen bei neuen Anforderungen. Hier finden Sie alle Beiträge unserer HR-Werkstatt zum Nachlesen. Von Problemen bei der Ausbildung über technische oder Recruiting-Fragen bis hin zu Führungsthemen.

Die Formen einer D&I-Befragung

Der vorgeschlagene Inhalt der D&I-Befragung in seinem ganzen Umfang wird idealerweise in einer Vollbefragung erhoben. Aber egal, in welcher Form die D&I-Aspekte erfasst werden, es sollte immer die Frage im Zentrum stehen: Wie kann ich sämtliche Mitarbeitende miteinbeziehen und erreichen? Wichtig ist es dafür, nicht nur eine Online-Befragung anzusetzen, sondern über eine Papierversion auch jene zu erreichen, die über keinen Arbeitsrechner verfügen. Auch sollten sich die Projektverantwortlichen fragen, inwieweit man eigene Fragen entwickeln oder auf standardisierte zurückgreifen möchte. Generell gilt: Je standardisierter die Fragen sind, desto besser gelingt ein Benchmarking, also ein Vergleich, mit anderen Unternehmen.

Möchte ein Unternehmen D&I in die allgemeine Mitarbeiterbefragung aufnehmen, kann eine Auswahl der wesentlichen Fragen in einem D&I-Themenblock verwendet werden. Eine solche Kurzauswahl kann auch als Stimmungsbarometer angesehen werden, welche in der Umsetzung einfacher als eine Vollbefragung ist. Organisationen, die sich besonders für Geschlecht oder Alter oder eine andere Diversity-Dimension interessieren, können eine Fokusbefragung einbauen – als Teil der D&I-Befragung oder einer allgemeinen Mitarbeiterbefragung.

Datenschutz oder wann Menschen sich an einer D&I-Befragung beteiligen

Noch mehr als jede andere Mitarbeiterbefragung erhebt eine D&I-Befragung höchst vertrauliche Informationen – über Religionszugehörigkeit, familiäre Verpflichtungen, geschlechtliche Orientierung und ähnliches. Diese Informationen teilt nicht jeder Mitarbeiter und nicht jede Mitarbeiterin gerne, weil er oder sie damit Benachteiligung befürchtet. Um Ängste aus dem Weg zu räumen, sollten die Projektverantwortlichen bei der Erstellung, Durchführung und Auswertung der Befragung ein höchstes Augenmerk auf Vertraulichkeit legen. Viele Unternehmen schrecken komplett vor einer D&I-Befragung zurück, weil sie Datenschutzprobleme befürchten. Doch hier kommt die gute Nachricht: Es gibt keine rechtliche Vorschrift, die es untersagt, nach diesen Daten zu fragen – solange es auf freiwilliger Basis passiert, Datenschutz gewährleistet ist und die Ergebnisse nicht dazu verwendet werden, nachteilige Konsequenzen für die Befragten abzuleiten.

Daher muss die Einhaltung der DSGVO selbstverständlich sein. Auch die Einbeziehung eines oder einer Datenschutzbeauftragten ist vorzusehen. Wenn die Erhebung und Auswertung bei einem externen Dienstleister statt bei der internen Personalabteilung liegen, hebt das ebenso bei vielen die Bereitschaft, persönliche Informationen preiszugeben. Denn an den Arbeitgeber zurückgespielt werden dann Daten auf aggregiertem Niveau, sodass keine Rückschlüsse zu einzelnen Personen möglich sind.

Doch neben diesen technischen Aspekten ist vor allem und vielmehr darauf zu achten, dass den Beteiligten der Nutzen einer solchen D&I-Befragung deutlich wird: Indem Menschen mit Behinderung, einem ausländischen Pass oder mit geringem Schulabschluss darüber Auskunft geben, wie gut sie sich im Team integriert fühlen, ob ihre Bedürfnisse oder Kompetenzen wahrgenommen werden oder als wie sensibilisiert sie ihre Führung einschätzen, erhalten sie die Gelegenheit, auf ihre Bedürfnisse hinzuweisen. Somit können die Verantwortlichen genau auf diese Bedürfnisse eingehen und die zukünftige Unternehmenskultur daraufhin gestalten. Dieses Ziel sollten die Projektverantwortlichen klar an die Belegschaft kommunizieren.

Im Idealfall schließt sich an die Datenerhebung eine gemeinsame Diskussion der Ergebnisse mit den verschiedenen Personengruppen an, in der weitere Schritte und Aktivitäten besprochen werden. Eine Partizipation dieser Stakeholder, also den Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Diversity-Dimensionen, sollte neben dem Betriebsrat auch bereits in der Planungsphase der Befragung vorgesehen werden. Sie können hilfreiche Hinweise aus der Sicht von Betroffenen geben und sorgen meist für eine bessere Annahme der Mitarbeiterbefragung vonseiten der Belegschaft. Generell gilt: Es ist maximale Transparenz über das Ziel, den Nutzen, das Verfahren und die gewährleistete Anonymität der Befragung in der Belegschaft herzustellen.

Alles zum Thema

Sonderheft Mitarbeiterbefragung

Alles jetzt relevante zum Thema Mitarbeiterbefragungen finden Sie in unserem aktuellen Sonderheft zum Thema. Dort widmen wir uns unter anderem dem Einfluss von KI auf Befragungen, Continuous Listening, Exhit Interviews und der Open-Rooms-Methode. 

Mit den Befragungsergebnissen D&I stärken

Eine D&I-Befragung ist bereits eine Intervention – sie regt Erwartungen und Hoffnungen in der Belegschaft. Von daher sollten Sie bereits im Vorfeld überlegen, wie es mit den Ergebnissen weitergehen sollte. Idealerweise werden im Nachgang in Workshops mit Projektverantwortlichen und Stakeholdern weiterführende Schritte für die Gesamtorganisation abgeleitet – wie Diversity & Inclusion weiter gestärkt werden kann, denn die Befragung wird einige Handlungsfelder zutage gebracht haben. Je nach Ergebnis können auch besondere Aktivitäten für Bereiche oder Führungskräfte ergriffen werden – zum Beispiel Trainings für multikulturelle Teams oder Schulungen für diversityorientiertes Führen. In einigen Unternehmen wird die Befragung mit dem Berichts- und Anreizsystem verbunden: So werden Verantwortlichkeiten nachgehalten und Akteure bei ausreichendem Fortschritt mit einem Bonus belohnt – wenn zum Beispiel der Anteil unterrepräsentierter Gruppen oder die Bewertung der Führungsleistung gestiegen ist.

Zudem können Status und Erfolg für ein Reporting verwendet werden, um nach extern auf das Engagement von Diversity hinzuweisen. In Zeiten des Fachkräftemangels und des ESG-Reportings sind dafür faktenbasierte Berichte absolut notwendig.

Fazit

Eine gut gemachte D&I-Befragung ist genau das richtige Instrument, um sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte von Vielfalt zu messen. Noch mehr als eine allgemeine Mitarbeiterbefragung dient sie als Intervention, um partizipativ die Bedürfnisse der Unternehmensangehörigen zu ermitteln und die Organisation daraufhin auszurichten. Damit gewinnen die Einzelnen und das Gesamtunternehmen – denn über Mitarbeiterorientierung kann sowohl Arbeitgeberattraktivität und Retention erhöht werden. Und über die stärkere Beachtung und Nutzung von Vielfalt steigt Innovation und Kundenorientierung.

Autor