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Seit bereits dreieinhalb Jahren nutzt Zalando die Software Zonar in seinen Berliner Büros; dort arbeiten 2000 Beschäftigte. Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie der Berliner Humboldt-Universität hat untersucht, wie diese Technologie funktioniert und wie sie sich auf die Mitarbeiter auswirkt. Die Forscher Prof. Dr Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke kommen zu dem Fazit, Zonar stehe für ein „sehr umfassendes, quasi panoptisches System der Leistungskontrolle“.
Rating aufgrund von Kollegenbewertung entscheidet über Geld und Karriere
Die Mitarbeiter werden laut Studie angehalten, sich gegenseitig mit der Software zu bewerten. Zumeist geht es um direkte Kollegen, bisweilen auch um solche in anderen Abteilungen oder anderen Hierarchiestufen. Dabei können sie jederzeit sogenannte Echtzeitratings vergeben, zusätzlich finden regelmäßig – mittlerweile zweimal im Jahr – umfangreiche Leistungs- und Entwicklungs- einschätzungen durch Kollegen und die direkten Vorgesetzten statt. Auf Basis der gesammelten Informationen erstellt ein Algorithmus individuelle Mitarbeiter-Scores, mit denen die Belegschaft in Low-, Good- und Top- Performer eingeteilt wird, so die Forscher. Das Unternehmen nutze diese Rangliste dafür, um Mitarbeitergespräche zu strukturieren, Beförderungen zu verteilen und gruppenspezifische Lohnsteigerungen zu gewähren oder zu versagen. Dabei werde die Zahl der Top-Performer systematisch gering gehalten, was bei den meisten Mitarbeitern zu Lohnstagnation führe, so die Studie.
Zonar als Instrument zur verschärften Kontrolle erzeugt Druck und Angst
Der Arbeitgeber bewerbe das Tool damit, dass es Transparenz schaffe und Beteiligung ermögliche, heißt es in der Untersuchung. Es helfe den Mitarbeitern, die eigene Leistung besser einschätzen zu können, was der Karriereplanung diene. Sonar sei ein wichtiger Bestandteil des Talentmanagements und ermögliche ein 360-Grad-Feedback. Ein Mitarbeiter hingegen spricht von einer 360-Grad-Überwachung. Laut Studie haben die Beschäftigten zunehmend den Eindruck, in „eine Kultur totaler, einseitiger Transparenz gezwängt“ zu werden. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Konkurrenzdenken und ein Klima der Angst gefördert werden, Leistungsdruck, Belastung und Stress zunehmen, das Betriebsklima leidet und viel Spielraum für Willkür vorhanden ist, zumal neben der Leistung auch das soziale Verhalten der Kollegen bewertet wird. Einer der im Rahmen der Studie befragten Mitarbeiter sprach von „Stasi-Methoden“. Die Forscher äußern darüber hinaus Zweifel, ob der Datenschutz eingehalten wird.
Nach Ansicht der Wissenschaftler spiegeln die Praktiken des Online-Händlers den Beginn einer neuen Entwicklung wider, die mit Hilfe moderner digitaler Technologien möglich sei:
Zonar bildet in unseren Augen einen Fall, an dessen Beispiel sich verschiedene Dynamiken, die die Arbeitswelt der Gegenwart prägen, wie unter einem Brennglas bündeln,
so die Forscher. Im Kern gehe es darum, Mitarbeiter permanent bewerten, kontrollieren und sanktionieren zu können.
In einer Pressemitteilung vom 19. November widerspricht Zalando den Studienergebnissen; die Untersuchung sei nicht repräsentativ und beinhalte grobe faktische Fehler. Bei Zalando seien Transparenz und eine offene Feedbackkultur seit jeher gelebte Realität. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, stellt auch Personalchefin Astrid Arndt die Software weiterhin positiv dar. Außerdem werde Zonar laufend weiterentwickelt und einige Aspekte, über die die seit 2017 laufende Studie berichte, würden nicht heute mehr so gehandhabt.
Die Studie „Ratings als Arbeitspolitisches Konfliktfeld – Das Beispiel Zalando“ steht als > Download bereit. Zum Statement von Zalando geht es > hier.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.