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Darum enttäuschen auf HR spezialisierte MBA-Studiengänge noch

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Als Melanie Kreis Ende 2014 in der Vorstand der Deutschen Post berufen wurde, stand der Physikerin nur ein kurzes Intermezzo als Arbeitsdirektorin bevor. Doch das hatte es in sich: Wochenlang stritt Kreis mit der Gewerkschaft Verdi um eine tarifliche Lösung für neue Mitarbeitende in der Paketzustellung, ehe schließlich ein Kompromiss herbeigeführt werden konnte. Zwar machte der weithin beachtete Deal die inzwischen zur CFO berufene Managerin über die Business-Netzwerke hinaus bekannt. Ihren Ruf als „Cash Queen“ verdankt sie jedoch ihrem eisernen Willen, solide zu haushalten und den Shareholder Value entschlossen nach oben zu treiben.

Was oft übersehen wird: Führungskräfte wie Kreis übernehmen HR-Spitzenämter nicht, weil sie das Personalmanagement von der Pike auf gelernt haben. Ihre Berufung verdanken sie vielmehr einschlägigen Branchenerfahrungen und handfesten Belegen für ihr Durchsetzungsvermögen. Kreis, bei McKinsey „sozialisiert“, wechselte vor ihrer Post-Ära zunächst zu einem Finanzinvestor, wo sie knallhart zu verhandeln lernte.

MBA als „Career Booster“

Ein typischer Werdegang: Nicht Personalmanagement, vielmehr Strategie, Marketing, Finanzen und Controlling ist der Beritt, aus dem zahlreiche neue weibliche Vorstandsmitglieder im Dax hervorgehen. Das i-Tüpfelchen ist ein MBA-Abschluss an einer erstklassig beleumundeten Business School: Kreis erwarb ihn an der Insead in Paris, während die studierte Diplom-Kauffrau Birgit Bohle, seit 2019 CHRO der Deutschen Telekom, ihre Vita mit einem MBA von der University of Austin, Texas, schmückt.

Auch die Juristin Margret Suckale erwarb den akademischen Grad, der unverändert als „Career Booster“ gehandelt wird, an einer renommierten Business School in den USA, nämlich Kellogs. 2009 stand sie kurz davor, zur ersten Dax-Vorständin überhaupt ernannt zu werden – wäre der geplante Börsengang der Deutschen Bahn nicht im letzten Moment gescheitert. Inzwischen kontrolliert die ehemalige Personalvorständin von Deutsche Bahn und BASF als Aufsichtsrätin die Vorstände von Heidelberg Cement, Deutsche Telekom, DWS und Infineon.

MBA und Promotion auf Augenhöhe

Kreis, Bohle und Suckale stehen für wichtige Trends. Sie sind nicht nur Beispiele für den ungebremsten Aufstieg von Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft: Zwei Drittel der Personalvorstände sind inzwischen Frauen. Darüber hinaus verdeutlichen sie auch, dass der MBA der Promotion den Rang als Eintrittskarte ins Top-Management zunehmend streitig macht. Laut dem „Dax-Report 2021“ der Personalberatung Odgers Berndtson legen die MBA-Quoten unter Vorständen seit Jahren zu, während die Promotionsquoten zugleich sinken. Unter neu berufenen Vorständen liegen sie inzwischen sogar gleichauf bei 23 Prozent.

Mit einem MBA in der Tasche, so könnte eine naheliegende Hypothese lauten, steht dem beruflichen Aufstieg von Frauen in die Chefetagen der Wirtschaft also nichts entgegen. Nun gilt es zu differenzieren: Denn MBA ist nicht gleich MBA. So vielen Absolventen es auch gelungen ist, bis zur Spitze vorzustoßen: Bei genauer Betrachtung zerfällt das üppig wuchernde Studienangebot doch in eine Unzahl nur geringfügig geeigneter und wenigen verheißungsvollen Qualifikationsnachweisen.

Anders formuliert sinkt der Tauschwert einer im Schnitt zweijährigen Entwicklungsmaßnahme, je weniger finanziellen Aufwand Teilnehmende entrichten müssen und je seltener das Institut namentlich in jenen Ranglisten erscheint, die vom interessierten Publikum – eben potenziellen MBA-Aspiranten und HR-Entscheidern als deren Abnehmer – auch als hinreichend seriös zur Kenntnis genommen werden.

Online-Programme vorn

Um zu verstehen, wie das aktuelle MBA-Weiterbildungsangebot in Deutschland strukturiert ist, bietet sich Detlef Kran als gut unterrichteter Beobachter an. Über viele Jahre hat er den „MBA Guide“ herausgegeben und verfügt deshalb wie kaum ein anderer über detailliertes Hintergrundwissen zu diesem Markt.

Berücksichtige man Daten des Statistischen Bundesamtes, sagt er, verteilten sich die derzeit etwa 1500 Teilnehmenden solcher Programme zu einem Drittel auf den klassischen MBA mit Ausrichtung auf General Management und zu zwei Dritteln auf Spezialkurse, wie zum Beispiel den MBA für Human Resources Management. Der Anteil von Frauen, die derzeit eine MBA-Weiterbildung absolvieren, beträgt nach Krans Beobachtung 30 bis 40 Prozent.

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Weitere Daten lassen auf spannende Entwicklungen im MBA-Markt schließen. Fernstudienangebote etwa erfreuen sich Kran zufolge wachsender Beliebtheit, ein Trend, der sich in der Pandemie noch stärker herausgebildet hat. „Weil sich ohnehin das Meiste online abspielt, lehnen viele MBA-Interessierte herkömmliche Präsenzangebote ab“, erklärt der intime Kenner der Szene.

Zusätzlich erwarten sie mehr zeitliche Flexibilität. Statt wie üblich zwei Jahre zu studieren, wollen viele MBA-Kandidaten das Studium über eine längere Dauer strecken. Diese Option bietet etwa die European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. Studierende können einzelne Module und Zusatzpakete zu einem Programm nach eigenem Gusto zusammenstellen.

Jüngere Studierende oft an Business Schools im Ausland

Obwohl immer mehr Einrichtungen mit digitalen und somit deutlich günstigeren Studienmodellen aufwarten, muss sich auf eine vergleichsweise kostspielige Vollzeit-Weiterbildung in Präsenz einstellen, wer aus Karrieregründen unbedingt ein Studium an einer hochrangigen Business School bevorzugt. Vorwiegend jüngere Teilnehmer, meist im Alter von 25, 26 oder 27 Jahren, wählen dafür das Ausland, nicht selten die USA. Einige wenige Vollzeit-Angebote in Deutschland sprechen vor allem ausländische Studierende an. „Bis die jungen Leute die Chance bekommen, eine Vorstandsposition zu bekleiden, müssen sie noch mindestens zehn Jahre Erfahrungen sammeln“, sagt Kran.

Eine andere, deutlich größere Gruppe favorisiere hingegen ein berufsbegleitendes MBA-Programm. Innerhalb des üppigen Angebotes solcher Weiterbildungen gebe es Unterschiede, so sagt Kran, „wie zwischen dem erstklassigen Rolls-Royce und vielen Golfs“. Darunter findet sich auch eine kleine Gruppe von rund 20 Programmen, die sich dadurch auszeichnen, dass zahlreiche Unternehmen dorthin regelmäßig Kandidaten im Rahmen ihrer Führungskräfteentwicklung entsenden. Bliebe noch der „Rest“ aus unzähligen MBA-Programmen mit einer „Spezialisierung auf alles Mögliche“, so Kran. Sie würden ihre Teilnehmenden vornehmlich aus dem näheren Umkreis ihres Standorts rekrutieren.

Nun wird es spannend: Zählen MBA-Angebote, die im fachlichen Kontext des Personalmanagements angesiedelt sind und in der vergangenen Dekade neu auf den Markt kamen, eher zu den Weiterbildungen mit hohem oder niedrigem Tauschwert mit Blick auf einen Karriereweg hinauf in die oberste Entscheidungsriege von Unternehmen? Um es vorwegzunehmen: Nicht ein einziges Vorstandsmitglied in den Dax-Unternehmen verfügt über einen solchen auf HR zugeschnittenen MBA-Abschluss. Wie es scheint, erweisen sich die werblichen Verlockungen der entsprechenden Institute als unrealistisch.

HR-MBA Kurse ermöglichen kaum beruflichen Aufstieg

Doch für dieses Manko kann man die Anbieter nicht allein verantwortlich machen. Hohe Hürden richten Personaler ohne Not selbst auf. Dass einschlägige HR-MBA-Kurse kaum den Aufstieg nach ganz oben fördern, ist zu einem gewissen Teil strukturell zu erklären: lnhaltlich beschränken sie sich oft auf „Nabelschau“. Mit primär personalwirtschaftlichen Themen sprechen sie die Zielgruppe HR an, statt sich für Fachfremde und deren Erfahrungen zu öffnen.

Gerade Personaler könnten aufgeschlossener sein: 80 Prozent der HR-Entscheider, fand eine Staufenbiel-Studie heraus, bevorzugen bei einer Stellenbesetzung Kandidaten mit Master oder Diplom, nur elf Prozent geben Bewerbern mit MBA eine Chance. Erklären kann man sich solche im Vergleich zu angelsächsischen Ländern völlig gegensätzliche Einstellungen mit der tief sitzenden Sorge von Personalern, sich mit MBA-Absolventen nur allzu fordernde, auch in Gehaltsfragen ambitioniert auftretende Protagonisten ins Haus zu holen. Vor allem im Mittelstand scheinen entsprechende Vorurteile ausgeprägt zu sein.

Solche Einstellungen verschwinden nicht von heute auf morgen aus den Köpfen. Umgekehrt kann es den MBA-Kaderschmieden nicht genügen, mit ihrem Curriculum wie bisher vorwiegend auf Konzerne, Player im Tech Business und nicht zuletzt Start-ups als „Abnehmer“ ihrer Absolventen zu setzen. Bleibt der breite Mittelstand außen vor, wird dem MBA der Ruf des Elitären weiterhin anhaften. Umso erfreulicher sind daher Anregungen aus dem Umfeld jener MBA-Programme, die sich aufs HR Management fokussieren, ihre Curricula kritisch zu beurteilen und ihnen womöglich sogar einen anderen Zuschnitt zu verleihen.

HR mit mangelnder Wertschätzung konfrontiert

Solche Impulse liefert zum Beispiel Katharina Herrmann, Personalvorständin der Hubert Burda Medien Holding und Präsidiumsmitglied des HR-Verbands BPM. Herrmann ist Beirätin des „MBA Leadership, People & Organization“, der seit Jahren an der Berliner Quadriga Hochschule angeboten wird und laut Eigenwerbung Studierende zu „Schlüsselfiguren in Transformationsprozessen auf allen Ebenen“ formen will. Solche Aussagen, die eine gewisse Hybris erkennen lassen, werden das Problem, dass HR hartnäckig mit mangelnder Wertschätzung aus Fachbereichen und dem Topmanagement konfrontiert ist, kaum lösen können.

Zwar habe HR in der Pandemie wertvolle Arbeit geleistet und sei sichtbarer geworden, sagt Herrmann. Das bedeute jedoch nicht, dass sich HR auch „auf den Olymp“ hochgekämpft habe und „mit immer klarerem Blick resolut seine neu errungene Position verteidigt“.

Herrmann erteilt irrigen Erwartungen über die „Größe“ von HR eine klare Absage. In den vergangenen zwei Jahren hätten Personaler ihr Augenmerk darauf gelegt, Kurzarbeitergeld korrekt zu berechnen und pünktlich auszuzahlen. Sie hätten Hygienekonzepte mit dem Betriebsrat abgestimmt und sich um die betriebliche Altersversorgung gekümmert. Viel Kärrnerarbeit also als administrativer Teil des Jobs.

Anstöße von außen wichtig für HR

Das seien keine Experimentierräume, betont sie in einem ausführlichen Gespräch mit dem Studienleiter des Berliner MBA-Programms, René Sadowksi. Etliche solcher Aufgaben, die „ausgewiesene Expertise“ benötigten, zeichneten das Personalmanagement aus. Dennoch benötige HR unbedingt Anstöße von außen, von Quereinsteigern, Branchenfremden, anderen Fachbereichen. Voraussetzung sei jedoch, dass HR zunächst attraktiv werde für andere. „Da gibt es noch viel zu tun.“

Sagen wir es so: Wollen Personaler sich in der Top-Entscheidungsebene etablieren, müssen sie aufgeschlossen und den Menschen zugewandt sein – dieser Gestus sollte sich vielmehr einprägen. Auf HR zugeschnittene MBA-Programme können ihren Teilnehmenden dabei durchaus eine wertvolle Hilfe sein: Wenn sie sich am klassischen angelsächsischen Modell orientieren, in dem international gemischte Teams lernen, Strategien für Fallbeispiele zu entwickeln. Eignen sie sich so wertvolles methodisches Wissen an, können Teilnehmende auch ihre betriebswirtschaftliche Problemlösungs- und Entscheidungskompetenz ausprägen.

Das verbessert den Ruf der Programme und könnte durch stärkere Ansprache Teilnehmende ohne personalwirtschaftlichen Stallgeruch auch der von Herrmann eingeforderten „Frischzellenkur“ den Weg ebnen. Spätestens wenn der erste Absolvent oder die erste Absolventin in einen Vorstand berufen wird, zahlt sich die Mühe aus. 

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