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So steigern Sie den Frauenanteil im Unternehmen und auf Führungspositionen

HR-Werkstatt zum Thema weibliche Führungskräfte

Frage an die HR-Werkstatt: „Wie können wir den Frauenanteil im Unternehmen und auf Führungspositionen steigern?“

Es antwortet: Kathleen Dunton, Managing Partner bei der Personalberatung Boyden in Frankfurt.

Nicht nur in den Vorständen, sondern auch im mittleren Management ist der Frauenanteil in Deutschland im internationalen Vergleich sehr klein. Die Themen Diversity und Geschlechterparität ist für Unternehmen aber spätestens seit der Corona-Pandemie weit mehr als nur ein kosmetischer Nice-to-have-Faktor ohne jeglichen Mehrwert. Denn gerade volatile wirtschaftliche Phasen bringen vielfältige neue Herausforderungen in immer kürzeren Abständen hervor, auf die es mit diversen Lösungen zu reagieren gilt. Doch wie lässt sich Frauenanteil im Unternehmen und auf Führungspositionen in der Praxis steigern?

Mentoring-Programm für Fach- und Führungskräfte

Weibliche Führungskräfte sind heute leider immer noch zu oft Einzelkämpfer in Unternehmen, da ihnen ein regelmäßiger und strategischer Austausch – im besten Fall unter Gleichgesinnten – fehlt. Empowerment am Arbeitsplatz gelingt für Frauen aber vor allem dann, wenn ein konstruktives und förderndes Miteinander Teil der Unternehmenskultur ist.

Um ein solches Arbeitsklima zu schaffen, gehören Mentoring-Programme für weibliche Fach- und Führungskräfte zu den wichtigsten Instrumenten. Beim Mentoring geht es vor allem darum, die Mitarbeiterinnen ganz gezielt zu fördern und noch stärker für mögliche Führungspositionen zu begeistern, beziehungsweise sie auf diesem Weg zu protegieren. Denn es gibt in vielen Unternehmensbereichen potenzielle weibliche Führungskräfte, die bislang – auch wegen der traditionell männlichen Dominanz in den oberen Managementebenen – nicht ausreichend sichtbar sind. Durch individuelle Mentoring-Programme auf Augenhöhe lässt sich dieses wertvolle Potenzial weiblicher Führungsqualitäten deutlich besser erkennen und schlussendlich erschließen.

Ziel dieses Personalentwicklungsinstruments ist es, die beruflichen Möglichkeiten der Frauen zu stärken, sie also beruflich und mental zu fördern und dadurch auf lange Sicht im Unternehmen zu halten. Dabei kann es in der „Tandem-Beziehung“ um die individuelle Entwicklung gehen, um die Karriereplanung und gezielte Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen oder auch um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Welche Themen im Vordergrund stehen und welche Schritte tatsächlich sinnvoll sind, hängt immer von den individuellen Bedürfnissen ab und sollte als Team gemeinsam erarbeitet werden. Für eine vertrauensvolle und offene Arbeitsbeziehung ist es im Übrigen nicht zwingend notwendig, dass Mentor und Mentee aus demselben Unternehmen stammen. Auch externe Mentoren sind in der Lage, die individuelle Weiterentwicklung von Frauen gezielt voranzutreiben. Denn gerade Außenstehende müssen sich nicht auf unternehmensinterne Ziele fokussieren, sondern können ein besonderes Augenmerk auf die ganz persönliche Situation des Mentees legen.

Diese Vorgehensweise hat im Übrigen nicht nur Einfluss auf die weiblichen Fach- und Führungskräfte, sondern auch auf das Unternehmen als Ganzes. Denn neben den positiven betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen wird eine diverse Firmenkultur – gerade im globalen Umfeld – auch mehr und mehr zur Imagefrage und dient so auch dem Employer Branding.

Starke Vorbildfunktion für weibliche Mitarbeiter

Wenn sich der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht, steigen Studien zufolge auch die Beförderungschancen weiblicher Arbeitnehmer auf den unteren Hierarchieebenen. Top-Managerinnen kurbeln also die Aufstiegschancen top-down für andere Frauen im Unternehmen nicht nur durch aktive Beförderungsentscheidungen an, sondern auch durch ihre Vorbild- und die angesprochene Mentorenfunktion. Je mehr führende Positionen im Unternehmen mit Frauen besetzt sind, desto höher sind die Chance für weitere weibliche Fachkräfte, die Karriereleiter ebenfalls zu erklimmen. Ausschlaggebend dafür sind sogenannte „Spillover-Effekte“. Zum einen motivieren Frauen, die Führungspositionen innehaben, andere Frauen – oft auch indirekt – dazu, selbst Führungspositionen anzustreben. Zum anderen fördern und befördern Frauen auch eher Personen, bei denen sie hohes Entwicklungspotenzial sehen – oft handelt es sich dabei um andere Frauen. Weibliche Top-Managerinnen haben demnach eine beträchtliche Signalwirkung. Sie sind entscheidend für die Motivation der Mitarbeiterinnen und deren langfristige Bindung an das Unternehmen. Denn sobald ein Vorstand oder das mittlere Management aus vielfältigen Persönlichkeiten besteht, greift der sogenannte „Role-Model-Effekt“.

Diverse Teams in der Unternehmensführung machen es der HR-Abteilung damit viel einfacher, weibliche Führungskräfte zu gewinnen, da die Unternehmenskultur als offener und transparenter wahrgenommen wird. Gut möglich, dass sich diese Effekte durch die Einigung der Politik auf eine verbindliche Frauenquote in den Vorständen größerer Unternehmen in diesen deutlich zeigen werden. Unternehmen sollten aber nicht nur auf die regulatorischen Vorgaben warten, sondern jetzt selbst handeln.

Flexible Arbeitszeitmodelle auf Führungsebene

Wenn eine Führungsposition mit einer Frau besetzt werden soll (oder aufgrund der Quote bald muss), reicht es nicht mehr, sich nur pro forma auf eine Kandidatin im Bewerbungsverfahren zu verpflichten, um schlussendlich dann doch den männlichen Kandidaten auszuwählen. Stattdessen sollten Unternehmensentscheider die Bereitschaft an den Tag legen, so lange nach einer geeigneten Frau zu suchen, bis sie gefunden ist – und dafür auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Dazu können etwa Home-Office-Lösungen, flexibleren Arbeitszeiten und individuellen Betreuungsangeboten gehören. Gerade flexible Arbeitszeitmodelle bieten sich an, um Frauen – die immer noch den größeren Teil der Kinderbetreuung leisten – den Einstieg oder auch die Rückkehr in eine Führungsposition zu ermöglichen. Die Diskrepanz zwischen den „guten Absichten“ für Mütter und der Realität in vielen Unternehmen spricht allerdings nach wie vor eine andere Sprache – neue Ansätze zur Arbeitszeitgestaltung sind seltene Ausnahmen.

So verzichten Frauen immer noch viel zu häufig auf Führungspositionen, da die nötige Work-Life-Balance für ihre individuellen Bedürfnisse nicht gewährleistet ist. Für viele potenzielle weibliche Top-Managerinnen lässt diese strukturelle Inflexibilität Führungspositionen zu oft unattraktiv erscheinen. Sie wollen und können sich nicht mehr zwischen beruflichem Aufstieg beziehungsweise Wiedereinstieg und familiären Engagement entscheiden.

Mittelfristig werden in der modernen Arbeitswelt die Themen Flexibilität und eine diverse Unternehmenskultur aber zu den entscheidenden Puzzleteilen, um sich das weibliche Potenzial an Arbeitskräften zu sichern. Damit das zielgerichteter gelingt, müssten Unternehmen aber den „Erfolgsfaktor Diversität“ besser erkennen und das wirtschaftliche Potenzial dahinter identifizieren und aktiv heben, bevor sie sich an die Rekrutierung machen. Immer mehr deutsche Unternehmen tun dies aber glücklicherweise bereits. Das spiegelt sich seit einigen Jahren in den Suchaufträgen an Personalberatungen wider und wird auf lange Sicht auch über die „Klassiker-Positionen“ für Frauen, nämlich die HR- und Marketing-Abteilung, hinausgehen.

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