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Fachkräftemangel: „Stark im Beruf“ soll ungenutzte Potenziale heben

46 Prozent der Mütter mit Migrationshintergrund in Deutschland sind nicht erwerbstätig. Und das, obwohl die meisten von ihnen im erwerbsfähigen Alter sind – und viele von ihnen gerne auch arbeiten würden. Was aus Sicht der Mütter eine suboptimale Situation ist, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht in Zeiten eines sich verschlimmernden Fach- und Arbeitskräftemangels nicht viel besser.

Das Programm „Stark im Beruf“ des Bundesfamilienministeriums, das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird und noch bis Mitte dieses Jahres läuft, richtet sich daher auch an beide Zielgruppen: Mütter mit Migrationshintergrund auf der einen, Unternehmen auf Mitarbeitersuche auf der anderen Seite. Die Schnittstelle zwischen ihnen bilden rund 90 Kontaktstellen bundesweit. In Dortmund und im Kreis Unna, zu dem auch die Städte Lünen und Bergkamen gehören, übernimmt diese Aufgabe das Multikulturelle Forum, ein Verein, der auch jenseits des Programms schon Erfahrungen mit der Vermittlung und Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund und Unternehmen in der Region gesammelt hat.

Hatice Müller-Aras koordiniert das Projekt „Stark im Beruf“ beim Multikulturellen Forum Lünen. (Foto: privat)

„Durch unsere langjährige Arbeit haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut mit Kontakten etwa zur IHK, Handwerkskammer, zur Wirtschaftsförderungsgesellschaft und natürlich zu den Unternehmen in der Region”, sagt Hatice Müller-Aras, die beim Multikulturellen Forum den Fachbereich Arbeit und Qualifizierung leitet und das Projekt „Stark im Beruf“ koordiniert. Dadurch gebe es nicht nur ein gewisses Grundvertrauen, auf dem man aufbauen kann. „Wir können zum Beispiel ganz gut einschätzen, was für eine Kandidatin zu einem Unternehmen passt und dann entsprechend vermitteln.“ Natürlich erleichtere die langjährige Zusammenarbeit auch die Akquise von interessierten Betrieben.

Begeistert von der Motivation

Sie selbst, sagt Müller-Aras sei bei dem Projekt vor allem von der Motivation beider Seiten begeistert. „Bei den Frauen fällt auf, wie viele unheimlich gerne eine Beschäftigung aufnehmen wollen“, sagt sie. „Und auf der anderen Seite haben wir immer mehr Unternehmen, die aufgeschlossen sind.“ Auch das sei ein Verdienst solcher und ähnlicher Projekte. „Wir arbeiten seit langem daran, hier Potenziale sichtbar zu machen.“ Allerdings hätten bislang oft die Männer im Mittelpunkt gestanden. „Gerade beim Fachkräftemangel haben viele vor allem Handwerker und Industriearbeiter im Kopf, Tätigkeiten, die leider häufig noch männlich konnotiert sind“, glaubt die Expertin. „Aber Erwerbspotenziale gibt es eben auch in anderen Personengruppen.“ Leider gebe es gerade bei Müttern mit Migrationshintergrund bis heute noch Hemmungen – auf beiden Seiten. „Die Frauen glauben, sowieso nicht genommen zu werden“, sagt sie. „Und die Unternehmen fragen sich, ob denn die Qualifikation der Mütter ausreicht.“

Die Zahlen zum Projekt zeigen allerdings, dass mehr als die Hälfte der am Programm teilnehmenden Mütter einen mittleren oder höheren Schulabschluss hat und 40 Prozent von ihnen über eine Berufsausbildung verfügen – die allerdings häufig nicht in Deutschland anerkannt ist. Auch die Deutschkenntnisse sind in vielen Fällen mindestens fortgeschritten, heißt es in einer Zwischenbilanz des Ministeriums.

Aber wie läuft die Vermittlung konkret ab? „Wenn eine Kandidatin zu uns kommt, schauen wir zunächst, welche Qualifikationen, Erfahrungen und Fähigkeiten die Kandidatin hat und erarbeiten gemeinsam mit ihr beruflichen Perspektiven und Wünsche. Danach stellen wir den Kontakt zu einem potenziell passenden Betrieb her und unterstützen im Bewerbungsprozess“, sagt Müller-Aras. Auch beim Vorstellungsgespräch seien die Beraterinnen oft dabei. „Wichtig ist mir aber zu betonen, dass es die Frauen sind, die die Entscheidungen für sich treffen. Unsere Rolle ist die der Unterstützerin, Beraterin und Zuhörerin. Und wir stehen den Frauen und den Personalverantwortlichen bei Nachfragen und möglichen Missverständnissen zur Seiter.“ Das gelte natürlich auch in der ersten Zeit, wenn die Mutter einen Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag angeboten und unterschrieben hat. „Da kann es dann zum Beispiel um aufenthaltsrechtliche Fragen gehen, bei denen wir natürlich entsprechende Hilfestellung geben können“, sagt Müller-Aras. Aber auch zu Förder- oder Weiterbildungsmöglichkeiten gebe es häufig Beratungsbedarf. Daher sei auch die gut vernetzte Arbeit mit den Jobcentern und der Agentur für Arbeit bei der beruflichen Integration von Müttern mit Migrationshintergrund enorm wichtig.

Info

Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.