Im sich schnell wandelnden HR-Tech-Umfeld gewinnen Transparenz und Echtzeitdaten immer mehr an Bedeutung. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, die richtigen Entscheidungen in Bezug auf die Wahl der Vergütungsstudie(n) zu treffen.
Neue Technologien und Anbieter versprechen Zugang zu Vergütungsdaten in Echtzeit, was für Unternehmen verlockend sein kann. Compensation-Plattformen wie Figures aus Frankreich, Pave aus den USA und Ravio aus Großbritannien beziehen ihre Daten direkt aus HR-Systemen, um einen umfassenden Überblick zu bieten. Gleichzeitig führen die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz und die Pay-Transparency-Gesetzgebung in Ländern wie den USA zur Veröffentlichung von Gehaltsspannen in Stellenanzeigen. Außerdem sorgen Internetportale wie levels.fyi, glassdoor. com oder gehaltsreporter.de in Deutschland dafür, dass crowdsourced-Daten systematisch erhoben werden können.
Ehemals unter Verschluss gehaltene Daten werden plötzlich öffentlich zugänglich. Diese Entwicklung nutzen Softwareanbieter wie TalentUp (Spanien), HR Datahub (UK) oder Squirrel von Comptool (USA), um Gehaltsvergleiche zu erstellen. Das Angebot vom Start-up TalentUp geht weit darüber hinaus: Es stellt Informationen über Angebot und Nachfrage auf dem Talentmarkt als Benchmark-Daten zur Verfügung, ähnlich wie HRForecast, ein HR-Tech-Unternehmen aus Deutschland. Die Unterstützung von Big Data soll Unternehmen helfen, bessere Personalentscheidungen zu treffen.
Das Dilemma der Echtzeitdaten
Obwohl Echtzeitdaten attraktiv erscheinen, müssen Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Anti-Trust-Regeln sind konzipiert, um Wettbewerbsbeschränkungen wie Preisabsprachen zu verhindern. Die unmittelbare Veröffentlichung von Gehaltsdaten könnte aber als solche verstanden werden, da sie es Unternehmen ermöglicht, ihre Gehälter in Echtzeit zu koordinieren. Es ist daher entscheidend, dass Arbeitgeber und Anbieter von Vergütungsstudien einen verantwortungsvollen Umgang mit Gehaltsdaten pflegen. Das bedeutet: Echtzeitdaten müssen möglicherweise mit einer gewissen Verzögerung aufbereitet werden, um den (amerikanischen) Anti-Trust-Regeln zu entsprechen und ein faires wettbewerbsorientiertes Arbeitsangebot zu gewährleisten. Etablierte Anbieter haben daher einen zeitlichen Abstand zwischen Datensammlung und der Veröffentlichung ihrer Studien und nutzen diesen für mehr oder weniger gewissenhafte Qualitätskontrollen.
Einfluss der EU-Direktive zur Entgelttransparenz
Die EU-Direktive zur Entgelttransparenz hat einen weiteren signifikanten Einfluss auf den Vergütungsmarkt. Die Vorgabe, Gehaltsbänder in Stellenausschreibungen anzugeben, wird zu einer neuen Form der Transparenz führen. Anbieter wie TalentUp nutzen diese öffentlich zugänglichen Daten heute schon, um detaillierte Vergütungsanalysen bis auf die Ebene von Metropolregionen zu erstellen, ohne dass Arbeitgeber einen aufwendigen Teilnahmeprozess durchlaufen müssen.
Angesichts dieser Entwicklungen sollten Unternehmen ihre Qualitätskriterien für die Auswahl von Vergütungsstudien überdenken:
- Aktualität und Reaktionsfähigkeit: Wie schnell reagieren die Anbieter mit ihren Analysen auf Marktveränderungen? In einer Welt, in der sich Vergütungstrends, Benchmark-Profile sowie die dafür benötigten Skills schnell wandeln können, ist der Zugang zu Echtzeitdaten von unschätzbarem Wert.
- Datenerfassung und -integration: Wie werden die Daten erfasst und in bestehende HR-Systeme integriert? Anbieter, die eine nahtlose Integration und datenbasierte Einblicke ermöglichen, bieten einen erheblichen Mehrwert. Hier beobachten wir eine deutliche Kluft zwischen Start-ups, Scaleups und anderen Marktteilnehmern. Etablierte (Groß-)Unternehmen tun sich oft schwer mit einer Anbindung ihrer HR-Informationssysteme an Drittsysteme, oder halten oft keine saubere Stellenarchitektur vor, um ihre Daten systematisch austauschen zu können.
- Transparenz und Erfüllung gesetzlicher Anforderungen: Inwieweit unterstützen die Vergütungsstudien und ihre Anbieter die Unternehmen bei der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen, wie zum Beispiel der EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz? Aus unserer Sicht reicht der summarische Ansatz einer Vergütungsstudie nicht aus, um die Gleichwertigkeit von Arbeit zu ermitteln. Hier scheint eine separate analytische Stellenbewertung erforderlich, um die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen.
- Kosten-Nutzen-Verhältnis in einem veränderten Markt: Traditionelle Vergütungsstudien können wertvolle Einblicke bieten, aber die Kosten müssen im Kontext der Verfügbarkeit alternativer Datenquellen und Analysemethoden bewertet werden. Gegenüber den Aktionären eines Unternehmens und weiteren Stakeholdern sind Kosten von 7500 Euro und mehr für jeden landesspezifischen Datensatz und den Aufwand einer Teilnahme kaum mehr zu vermitteln, da Unternehmen für den gleichen Preis schon einen Zugriff auf globale Marktdaten erwerben können.
Fazit
Die Wahl der richtigen Vergütungsstudie ist eine komplexe Entscheidung, die weit über die bloße Betrachtung von Gehaltsdaten hinausgeht. In einer Ära, in der Transparenz und Echtzeitdaten zunehmend an Bedeutung gewinnen, müssen Unternehmen die Qualität, Relevanz und rechtliche Konformität der Daten berücksichtigen. Gleichzeitig dürfen sie die Grundpfeiler einer soliden Vergütungsstrategie nicht außer Acht lassen. Die analytische Stellenbewertung bleibt ein unverzichtbares Instrument, um die interne Fairness zu gewährleisten und eine gerechte sowie motivierende Vergütungsstruktur zu schaffen. Die analytische Stellenbewertung bildet zusammen mit Grade-spezifischen Gehaltsbändern die Basis, auf der Gehälter objektiv und nachvollziehbar festgelegt werden. Sie trägt dazu bei, die Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden sicherzustellen und einen Gender-Pay-Gap zu beseitigen.
Darüber hinaus ermöglicht eine gut durchdachte Stellenarchitektur den Brückenschlag zum Talent Management. Sie schafft ein strukturiertes Framework, in dem Karrierepfade klar definiert sind und die Entwicklung der Mitarbeitenden zielgerichtet gefördert wird. Dies unterstützt nicht nur die individuelle Karriereentwicklung, sondern stärkt auch die organisatorische Leistungsfähigkeit, in dem es die richtigen Talente mit den richtigen Aufgaben zusammenbringt.
In einer Zeit, in der sowohl sich die Datenlandschaft als auch die regulatorischen Anforderungen rasch weiterentwickeln, ist es für Unternehmen essenziell, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen. Dies bedeutet, die neuesten Technologien und Datenquellen zu nutzen, um informierte Vergütungsentscheidungen zu treffen, gleichzeitig aber auch bewährte Methoden der Stellenbewertung und -architektur zu pflegen, um eine solide Basis für interne Fairness und effektives Talent Management zu gewährleisten. Nur so können Arbeitgeber sicherstellen, dass ihre Vergütungsstrategien nicht nur wettbewerbsfähig und konform sind, sondern auch nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen.
Autor
Philipp Schuch
CEO & Founder
QPM Quality Personnel Management GmbH
philipp.schuch@gradar.com
www.gradar.com
