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Copetri Digicon23: HR soll Raum für unterschiedliche Konzepte halten

Ich habe angefangen, in meiner Sprache das „Aber“ durch ein „Und“ zu ersetzen, sagte Frauke von Polier, Personalvorständin von Viessmann, in ihrer Keynote bei der Digicon23. Die Digitalkonferenz für HR-Expertinnen und -Experten fand in diesem Jahr erstmals als vorgelagerte Einleitung der Copetri statt, mit der die Veranstalter Nadine Jäger und Ralf Hocke im Mai wieder mehr als 2.500 Besucherinnen und Besucher nach Offenbach locken möchten.  

Frauke von Poliers Aussage fasst gut zusammen, was in den rund 30 Programmpunkten – bestehend aus Keynotes, Diskussionsrunden, Workshops sowie einer Live-Podcast-Aufnahme – mal direkt, mal indirekt kommuniziert wurde: Es geht für HR nicht darum, sich für eine einzige Lösung oder Herangehensweise zu entscheiden, um auf aktuelle Herausforderungen bei der Personalarbeit zu reagieren. Vielmehr sollten Personalerinnen und Personaler mehrgleisig fahren, ein Problem ganzheitlich betrachten und ein Ziel durch mehrere Methoden – je nach Situation und Wünsche der Mitarbeitenden, aber auch Branchengegebenheiten – angehen.

Und so diskutierten die HR-Expertinnen und -Experten bei der Digicon auch über die unterschiedlichsten Aspekte der derzeitigen Personalarbeit, legten ihren Schwerpunkt wie von den Veranstaltern vorgeben allerdings auf die Themen Ambidextrie – also innerhalb einer Organisation gleichermaßen Prozesse zu optimieren und neue Geschäftsbereiche zu erarbeiten –, Nachhaltigkeit, New Work und Bridging Perspectives. 768 Besucherinnen und Besucher nahmen an der virtuellen Veranstaltung teil.

Die Verantwortung liegt nicht nur bei einer Person

Auf vier digitalen Bühnen saßen die unterschiedlichsten HR-Expertinnen und -Experten – die meisten von ihnen gehören der Beraterszene an.  Sie sehen die Verantwortung für diese Überthemen nicht nur bei der Führungskraft oder dem einzelnen Mitarbeiter oder der jeweiligen Mitarbeiterin. Der gewünschte Change müsse auch von entsprechenden Strukturen getragen werden. „Organisationen schieben gerne Verantwortung für den Aufbau einer Ambidextrie an Führungskräfte ab“, sagte Frank Strebe, Organisationsberater der BMW Group, in einem Panel.

Dabei könnten die Leader nicht alleine die Innovation und Effizienz eines Unternehmens gleichermaßen fördern. Vielmehr müsse es in der Organisation Strukturen geben, die Exploitation (das Optimieren des Kerngeschäfts) und Exploration gleichermaßen möglich machen und Raum lassen, um diese widersprüchlichen Arbeitsweisen beide zuzulassen. „Dabei müssen wir die Gleichwertigkeit der beiden Arbeitsweisen vermitteln“, fügte Philipp Wichert von TIM Consulting hinzu.

Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden kennen

Trotz wichtiger Strukturen braucht es folglich auch Individuen, die diese aufrechterhalten und gegebenenfalls anpassen. Allen voran seien hier dann doch wieder die Führungskräfte gefragt. „Sie müssen versuchen, alle Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu kennen“, sagte Sonja Bozic, Principal Engineering Manager bei Microsoft, im Panel „Bridging Perspectives in Challenging Times“. „Auch müssen sie an jeden kommunizieren, welche Prioritäten man als Team hat und die Leute dazu bringen, selbst Entscheidungen zu treffen.“ Dafür sei es essenziell, Feedback zu geben und in einem regen Austausch mit jedem und jeder Einzelnen zu sein.

Das ist auch für die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden wichtig – ein Thema, das unter anderem aufgrund der hohen Krankheitstage wegen psychischer Probleme immer mehr für HR in den Fokus rückt. Führungskräfte müssten für Mental Health sensibilisiert und in dem Umgang mit Betroffenen qualifiziert werden.

Doch auch beim Thema psychische Gesundheit betonten die Speaker Sven Adomat, Sportlehrer und Wirtschaftspsychologe an der IST-Hochschule, und Martin Lange, Professor an der IST-Hochschule, wie wichtig es ist, auch bei diesem Thema die Organisationsstrukturen anzupassen. „Wir müssen Gesundheit und Verletzlichkeit in der Arbeitswelt erlebbar machen“, sagte Adomat. „Dafür müssen wir auch auf der Organisationsebene Änderungen vornehmen, und nicht nur auf der Mitarbeiterebene.“ Es sei ein Thema, das alle Mitarbeitende gemeinsam und auf allen Ebenen angehen sollten.

Die jungen Arbeitnehmer suchen nach Gemeinschaft

„Gemeinsam“ war auch das Stichwort für Jörg Munkes, Managing Director des Marktforschungsinstituts GIM. In seinem Vortrag zur Generation Z ernannte er das Wort zu dem Ziel der jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gemeinsamer Erfolg, gemeinsame Erlebnisse, (Status-)Symbole als Teil einer Community – die Generation Z wolle zusammen ihren Wohlstand sichern und genießen. Und eines dürfe dabei nicht fehlen: die Werte.

Auch hier konnten sich Besucherinnen und Besucher der Digicon wieder an Frauke von Poliers „Und“ statt „Aber“ erinnern. „Die Gen Z will Werte ohne einen Wohlstandsverzicht leben“, sagte Munkes. Nachhaltigkeit ist für sie laut der Forschung des GIM übrigens kein dominantes Thema. Es spiele für sie aber in dem Sinne eine Rolle, als dass der Klimawandel die Macht hat, ihren Wohlstand zu bedrohen.

Bei Viessmann sieht man Nachhaltigkeit dahingegen als einen wichtigen Teil der Unternehmensidentität an – das machte dessen Personalvorständin in ihrer Keynote noch einmal deutlich. Beim Hersteller für Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik habe jede Jobfamilie ein eigenes Purpose, das wiederum klar an Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. So laute der Purpose vom Customer Service: „Wir lösen alle Probleme nachhaltig.“ Damit sich Mitarbeitende auch entsprechend dieser Absicht verhalten können, würden sie regelmäßig und verpflichtend auf eine Lernreise geschickt, die sie in nachhaltigen Methoden ihrer Arbeit schult. Mit nachhaltigem Wirtschaften Gutes zu tun, führe keinesfalls dazu, dass ein Wachstum des Business vernachlässigt wird.

Bei Viessmann solle beides gehen – Business und Gutes tun. „Dafür lassen wir Raum für unterschiedliche Perspektiven“, sagte von Polier. „Wir wollen kein Gegeneinander bei uns haben, sondern mit einem ,Und‘ unsere Energie bündeln, um Lösungen zu finden.“ Genau das wollten auch die Veranstalter der Digicon erreichen – unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen, um die Arbeitswelt der Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.