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BAG-Urteil: unterschiedliches Gehalt trotz ähnlichem Job

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Tarifverträge dürfen für fast identische Tätigkeiten unterschiedliche Vergütungen vorsehen. Das gilt etwa, wenn die betroffenen Mitarbeitenden eine unterschiedliche Ausbildung haben, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Der Urteilstext und die Begründung des Gerichts liegen seit dieser Woche vor.  

Die Eingruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gehaltsstufen ist eine der zentralen Aufgaben im Personalwesen. Doch was passiert, wenn es Uneinigkeit darüber gibt, welche Entgeltgruppe für eine Tätigkeit zutreffend ist? Ein aktuelles Urteil des BAG, das in einem Fall zur Eingruppierung einer Medizinischen Fachangestellten (MFA) im ambulanten Operationssaal (AOP) entschied, beleuchtet die entscheidenden Punkte für diese Fragestellung und bietet wertvolle Hinweise für Personaler und Personalerinnen. 

Worum ging es? 

Im vorliegenden Fall stritten sich die Arbeitgeberin, eine Trägerin mehrerer Krankenhäuser, und der Betriebsrat über die Eingruppierung einer MFA. Die MFA, die seit August 2023 in einem Krankenhaus beschäftigt und zuvor in der Patientenaufnahme tätig war, wurde im März 2024 in den AOP versetzt. Die Arbeitgeberin wollte die MFA aufgrund der speziellen Anforderungen im AOP in die Entgeltgruppe 6 Stufe 2 des Tarifvertrags (TVöD/VKA) umgruppieren. 

Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung und argumentierte, dass die MFA aufgrund ihrer Tätigkeit im AOP vielmehr der Entgeltgruppe P8 zugeordnet werden müsste, die für Pflegekräfte vorgesehen ist. Die Begründung des Betriebsrats beruhte auf der Annahme, dass die MFA in einem pflegeähnlichen Bereich tätig sei und damit die Anforderungen an eine Pflegekraft erfülle 

Die Arbeitgeberin hingegen vertrat die Auffassung, dass die Eingruppierung nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags zu erfolgen habe, da die MFA eine entsprechende dreijährige Ausbildung als Medizinische Fachangestellte abgeschlossen hatte. Ihre Tätigkeit im AOP erfordere zudem gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, was eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 rechtfertige. Für die Arbeitnehmerin bedeutet das etwa 250 Euro weniger im Monat auf dem Lohnzettel. 

Worauf kommt es rechtlich an? 

Laut § 12 TVöD/VKA erfolgt die Eingruppierung anhand der Tätigkeitsmerkmale in der Entgeltordnung, die im Allgemeinen in Teil A und dem spezifischeren Teil B für Gesundheitsberufe unterteilt ist. Die Entgeltgruppe 5 erfordert gründliche Fachkenntnisse, während Entgeltgruppe 6 zusätzlich vielseitige Fachkenntnisse verlangt. Der Betriebsrat berief sich auf eine spezielle Regelung für Pflegekräfte (Teil B, Abschnitt XI), die für Operationstechnische Assistenten (OTA) und Pflegekräfte gilt, und forderte eine höhere Entgeltgruppe. 

Womit begründen die beiden Streitparteien ihre Forderungen? 

Die Arbeitgeberin führte aus, dass die MFA weitreichende Kenntnisse über medizinische Geräte, Instrumente und das spezifische Krankenhausumfeld benötige, was über das Wissen einer typischen MFA in einer Arztpraxis hinausgehe. Zudem seien ihre Aufgaben im AOP nicht nur technischer Natur, sondern auch organisatorisch und dokumentarisch anspruchsvoll. 

Der Betriebsrat hingegen argumentierte, dass die MFA im AOP im Wesentlichen Pflegeaufgaben ausübe und daher nach den entsprechenden Pflege-Tarifgruppen (P7/P8) eingruppiert werden müsse. Die Arbeit im AOP sei im Wesentlichen eine Assistenzfunktion während der Operationen, was nach Ansicht des Betriebsrats der pflegerischen Tätigkeit von OTA entspreche. 

Wie entschied das Gericht? 

Das Gericht prüfte, inwiefern die Eingruppierung willkürlich ist. Das BAG wies die Beschwerde des Betriebsrats allerdings zurück und bestätigte die Eingruppierung der MFA in Entgeltgruppe 6 Stufe 2 des TVöD/VKA. Dabei stützte sich das Gericht auf die Unterschiede in den Tätigkeiten, auch wenn diese eher gering ausfallen. Die tarifliche Differenzierung zwischen MFA und OTA stelle laut des BAG keine willkürliche Ungleichbehandlung dar, sondern basiere auf den unterschiedlichen Ausbildungsanforderungen der Berufe. Die Differenzierung zwischen Entgeltgruppe 6 für MFA und den Pflegegruppen für OTA sei daher gerechtfertigt. 

Das BAG weiter: Durch die „Tarifautonomie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können.“ Da keine Willkür bei dieser konkreten Eingruppierung festgestellt werden konnte, mische sich das Gericht nicht in die beschlossenen Regelungen der Tarifvertragsparteien ein, sofern kein Verstoß beispielsweise gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorliegt.

Info

Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.