Wer als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin Erkältungssymptome in der Corona-Pandemie hat, sollte zu Hause bleiben – sonst verletzt er oder sie seine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden. Dies hat ein Fall vor dem Landesarbeitsgericht München erneut bestätigt, bei dem aufgrund der Vernachlässigung der Fürsorgepflicht eine Hochzeit abgesagt werden musste. Folgendes ist geschehen: Ein Geschäftsführer war im August 2020 trotz Erkältungssymptomen mehrfach zusammen mit einer Mitarbeiterin im Auto zu geschäftlichen Terminen gefahren. Anschließend musste sich die Frau – nach einem positiven Corona-Test beim Geschäftsführer – als Kontaktperson in Quarantäne begeben. Die Isolation war vor allem schlimm für die Mitarbeiterin, da sie ihr Zuhause nicht verlassen und damit nicht am geplanten Datum heiraten konnte.
War der Geschäftsführer für die Absage der Hochzeit verantwortlich?
Die Mitarbeiterin verlangte vom Arbeitgeber Schadensersatz für die anfallenden Kosten für die Stornierung der Hochzeit, die Kosten für einen Tag Hotel – die Hochzeitsreise konnte wegen der Quarantäne erst einen Tag später angetreten werden – sowie für die Ausgaben für Einladungskarten und Hochzeitsaccessoires. Insgesamt handelte es sich um einen Betrag von gut 5.000 Euro. Die Frau behauptete, der Geschäftsführer habe trotz Kopfschmerzen, starkem Husten, Heiserkeit und heftigem Schwitzen im Büro gearbeitet und trotz dieser Symptome Autofahrten mit ihr unternommen. Das hätte er in ihren Augen nicht tun dürfen.
Urteil: Verletzung der Fürsorgepflicht
Das Landesarbeitsgericht München gab der Arbeitnehmerin recht (LAG München, Urteil vom 14.02.2022, Aktenzeichen 4 Sa 457/21). Der Arbeitgeber habe seine ihm obliegende Fürsorgepflicht gegenüber der Mitarbeiterin verletzt, indem der Geschäftsführer trotz Erkältungssymptomen mit ihr zusammen längere Zeit in einem Auto fuhr. Durch die Missachtung der Abstandsregeln habe er gegen die damals geltende Corona-Arbeitsschutzverordnung verstoßen.
Der Geschäftsführer stimmt dem nicht zu. Er habe im Anschluss an eine Italienreise im August 2020 nur eine leichte Erkältung gehabt, aber keine Symptome, die auf eine Corona-Infektion hätten schließen lassen. Er sei erst nach der Autofahrt mit seiner Mitarbeiterin alarmiert worden und daraufhin Zuhause geblieben.
Kein Mitverschulden der Arbeitnehmerin
Das LAG erkannte kein Mitverschulden der Arbeitnehmerin und folgte auch in diesem Punkt den Argumenten des Geschäftsführers nicht. Nach dessen Meinung hätte die Mitarbeiterin aufgrund der Pandemie die Hochzeit verschieben müssen oder sie hätte sich durch Rücktrittvereinbarungen mit den beauftragten Dienstleistern und mit einer Reiserücktrittskostenversicherung für die Hochzeitsreise absichern können. Ohne diese Vorsichtsmaßnahmen habe sich die Mitarbeiterin bewusst in das Risiko begeben, dass die Hochzeit kurzfristig abgesagt werden müsse.
In Bezug auf die gemeinsame Autofahrt argumentierte der Geschäftsführer, die Mitarbeiterin hätte die Möglichkeit gehabt, ein anderes Auto zu nutzen oder ihrerseits eine Maske zu tragen. Auch dies sieht das LAG München anders. Von der Mitarbeiterin könnte nicht erwartet werden, dass sie gegenüber ihrem Vorgesetzten verlangte, ein zweites Auto zu nutzen. Dies wäre einem Hinweis der Angestellten gegenüber dem Geschäftsführer gleichgekommen, dass dieser seinen eigenen Gesundheitszustand nicht ausreichend beachte und nicht adäquat darauf reagiere.
ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.