Unternehmen, die in einer Stellenanzeige einen „Digital Native“ suchen, riskieren Entschädigungsforderungen. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg bestätigt. Denn laut einer aktuellen Entscheidung aus Stuttgart ist eine derartige Formulierung „ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters” im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG.
Geburtsjahrgang als Maßstab für Digitalkompetenz?
Geklagt hatte ein Diplomwirtschaftsjurist, der sich im April 2023 bei einem international tätigem Sportartikelhändler als Manager Corporate Communication beworben hatte. In der entsprechenden Stellenanzeige hieß es laut Gericht unter anderem: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“
Als der Anfang der Siebziger geborene Bewerber dann eine Absage erhielt, forderte er von dem Unternehmen erfolglos eine Entschädigung. Vor Gericht machte er daraufhin geltend, er sei aufgrund seines Alters nicht berücksichtigt und damit diskriminiert worden. Schließlich erfülle er sämtliche geforderten Voraussetzungen für die Stelle und sei auch nicht überqualifiziert.
Dass ein „Digital Native“ gesucht wurde, zeige hingegen, dass man dort auf jeden Fall einen jüngeren Kandidaten einstellen wolle. Denn der Begriff werde landläufig für Menschen der Geburtsjahrgänge ab 1980 benutzt.
Die Firma bestritt ein Fehlverhalten hingegen und begründete die Absage vielmehr damit, der Wirtschaftsjurist sei überqualifiziert und habe in seiner Bewerbung außerdem keinen Bezug zum Thema Sport aufgezeigt.
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7.500 Euro Entschädigung fällig
Nachdem das Arbeitsgericht Heilbronn der Rechtsauffassung des Mannes gefolgt war und dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 7.500 Euro (zuzüglich Zinsen) zugesprochen hatte, ging das Unternehmen in Berufung. Doch auch die Richterinnen und Richter am LAG entschieden, der Bewerber sei „wegen seines Alters und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nach § 7 Abs. 1 AGG unmittelbar benachteiligt worden“.
Zur Begründung zog die Kammer in erster Linie den Text der Stellenausschreibung heran, in der „mit dem Begriff ‚Digital Native‘ unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft“ worden sei. Schließlich beschreibe der Terminus Menschen, „die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten aufgewachsen sind“. Und das führe dazu, dass dem Begriff „ein Alters- bzw. Generationenbezug nicht abgesprochen werden“ könne.
Dass in der Ausschreibung ferner nach einem „absoluten Teambuddy“ gesucht worden sei, verstärkt laut LAG „die Bezugnahme auf das Alter“. Denn diese Formulierung richte „sich aus Sicht eines objektiven Lesers des Stellenprofils eher an einen/eine jüngeren/jüngere als einen/eine älteren/ältere Bewerber/in”. Erschwerend komme hinzu, dass das Unternehmen zur Frage einer etwaig zulässigen unterschiedliche Behandlung wegen des Alters (§ 10 AGG) „keinen Vortrag geleistet“ habe.
Insgesamt sei es dem Sportartikelhändler damit „nicht gelungen, die nach § 22 AGG bestehende Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters zu widerlegen“. Daher habe der Mann in der Tat Anspruch auf die Entschädigung.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. November 2024, Az. 17 Sa 2/24.
Vorinstanz: Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 18. Januar 2024, Az. 8 Ca 191/23.
Info
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besagt in § 15 (Entschädigung und Schadensersatz) unter anderem:
„(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.“
Anspruchsgegner eines Beschäftigten oder einer Bewerberin ist hierbei immer der (potenzielle) Arbeitgeber – und zwar auch dann, wenn eine Benachteiligung durch Handlungen von Dienstleistern des Unternehmens – etwa einer Personalvermittlung – entstanden ist.
Unternehmen können eine Verantwortung in derartigen Fällen auch damit ablehnen, sie hätten von einer Benachteiligung nichts gewusst und diese auch nicht gewollt.
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

