Personalwirtschaft: Herr Harms, wie ist HR bei dm strukturiert?
Christian Harms: Tatsächlich nennen wir den Bereich bei uns nicht HR, sondern Mitarbeiter. Wir sind rund 600 Kolleginnen und Kollegen, die sich um die gesamte Employee Experience kümmern – also alle Themen rund um Recruiting, Aus- und Weiterbildung, Abrechnung, betriebliches Gesundheitsmanagement und vieles andere.
Das heißt, Sie erledigen alle Aufgaben auch selbst und lagern nichts – wie zum Beispiel die Gehaltsabrechnung – an Dienstleister aus?
Dienstleister ziehen wir in der Regel nur beratend hinzu, die Abrechnung machen wir tatsächlich wie das meiste Andere komplett selbst. Mit externen Dienstleistern arbeiten wir zudem beim betrieblichen Gesundheitsmanagement und bei der Arbeitssicherheit zusammen.
Sie sind schon sehr lange bei dm. Hat sich am Zuschnitt der Abteilung oder der Priorisierung in der letzten Zeit etwas verändert?
Ein Bereich, in den wir in letzter Zeit viel Energie gesteckt haben, ist das Thema Organisationsentwicklung und Change Management, was natürlich auch durch die technologischen Entwicklungen bedingt ist. Außerdem haben wir in den letzten Jahren ein stärkeres Augenmerk auf das Recruiting gelegt, denn Mitarbeitergewinnung ist gerade ein Megathema für Unternehmen.
Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Selbstverständlich haben auch wir Herausforderungen in der Mitarbeitergewinnung – nicht in der breiten Masse, sicher jedoch an manchen Stellen. Wir bekommen nach wie vor sehr viele Bewerbungen. In diesem Geschäftsjahr sogar im sechsstelligen Bereich. Aber wir haben sehr großen Bedarf und suchen intensiv nach Mitarbeitenden, sowohl für die einzelnen dm-Märkte als auch für unser dialogicum in Karlsruhe.
Wie gelingt Ihnen das?
Unser großer Vorteil ist natürlich, dass dm durch die vielen dm-Märkte für die Menschen erlebbar ist. Wir sind als Unternehmen sehr konkret. Das heißt, worauf sich die Menschen, die bei uns arbeiten möchten, einlassen, ist nicht abstrakt. Das kommt uns zugute.
Aber die Menschen sehen ja in erster Linie die Filiale und vielleicht gar nicht, wie viele Jobs dahinterstecken …
Das stimmt. In der Vergangenheit war in der Öffentlichkeit sicher nicht so bekannt, wie komplex es ist, eine Tube Zahnpasta vom Hersteller ins Regal zu bringen. Corona hat da das Bewusstsein sicher gestärkt. Zudem berichten wir viel über uns in den Sozialen Netzwerken. Wir versuchen, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Das heißt, es gibt kaum einen Kanal, über den wir nicht Menschen ansprechen: Soziale Medien, U-Bahnen, Plakate oder unsere eigene Plattform – um nur einiges zu nennen.
Die Arbeit in einer Drogeriefiliale wiederum ist auf den ersten Blick unattraktiv. In der Vergangenheit gab es auch wie im Fall Schlecker immer wieder Diskussionen um die Arbeitsbedingungen. Wie gelingt es Ihnen, sich da als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren?
Sie haben es selbst gesagt: Auf den ersten Blick. Denn zum Glück sehen viele Menschen ihre berufliche Erfüllung im Einzelhandel, im Kundenkontakt und dem damit verbundenen Dienst an der Gesellschaft. Sie wollen gar nicht woanders sein, auch wenn es natürlich Arbeitgeber mit attraktiveren Arbeitszeiten gibt. Wir ermöglichen jedoch sehr viel Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, damit die Mitarbeitenden ihre persönlichen Bedürfnisse mit denen der Kundinnen und Kunden möglichst in Einklang bringen kann. Hinzu kommt, dass wir als dm immer mindestens den Tariflohn bezahlen, in der Regel mehr.
Spüren Sie Veränderungen in den Forderungen, die die Mitarbeitenden heute an ihren Arbeitgeber stellen?
Während früher vielleicht eher die Bezahlung im Vordergrund stand, ist es heute die Arbeitszeitgestaltung, die für viele im Mittelpunkt steht. Aktuell werden auch Themen wie Sicherheit und Verlässlichkeit wieder wichtiger. Wir merken auch, dass Themen wie ESG im Bewerbungsprozess immer wichtiger werden. Das ist auch für uns als Unternehmen schon seit Jahren ein sehr wichtiges Thema und wir als dm profitieren davon, dass wir da glaubwürdig sind. Grundsätzlich gibt es auf jeden Fall die Entwicklung zu einem Arbeitnehmermarkt, und das finde ich auch gut. Man muss sich als Mitarbeiter heute nicht mehr alles gefallen lassen. Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht nur unsere Kunden, sondern auch die Mitarbeitenden.
dm hat zahlreiche Filialen in ganz Europa – wie gelingt da das Talent Management über all diese verschiedenen Standorte hinweg?
Wir sehen uns im dialogicum als Unterstützung für unsere dm-Märkte vor Ort. Ein zentrales Talent Management, wie es das vielleicht in anderen Unternehmen gibt, existiert daher in der Form nicht. Die Hauptverantwortung liegt bei den Teams vor Ort und wir unterstützen, wenn es dann an die Umsetzung, also Einarbeitung oder Weiterbildung geht.
Was heißt das konkret, wenn es in einem dm-Markt jemanden gibt, der oder sie sich gern weiterentwickeln würde?
Diese Person spricht dann zunächst mit ihrer direkten Führungskraft und diese dann mit den regionalen Gebietsverantwortlichen. Und dann schauen wir individuell, welche Weiterbildungsmöglichkeiten es beispielsweise gibt.
Stichwort Weiterbildung – wie ist die denn bei Ihnen über die Fläche hinweg organisiert?
Wir bieten natürlich Präsenz-Schulungen in ganz vielen Regionen und in unserer Karlsruher Zentrale im dialogicum an. Zentraler Baustein ist aber mittlerweile unser digitaler Lerncampus. Alle unsere Mitarbeitenden haben Smartphones und können nach Absprache mit ihren Führungskräften über ihre Endgeräte auf zahlreiche Schulungen zu allen möglichen Themen zugreifen.
Ein Vorwurf, der häufig von Arbeitgeberseite erhoben wird ist, dass gerade junge Menschen heute mit Defiziten ins Berufsleben starten, die von den Unternehmen dann aufgefangen werden müssen. Gleichzeitig hängen noch viele Arbeitgeber formalisierten Einstellungskriterien nach. Wie stehen Sie dazu?
Natürlich gibt es Dinge, die stimmen müssen. Wenn ich Drogistin oder Drogist werden möchte, aber so gar keinen Draht zu Chemie oder Biologie habe, wird es schwierig. Aber wir sind bei dm immer gut damit gefahren, zuerst auf den Menschen und seine soziale Kompetenz zu schauen: Ist er gut im Umgang mit Kundinnen und Kunden? Hat er vielleicht ein Ehrenamt oder ein Hobby, bei dem er oder sie Fähigkeiten entwickelt hat, die im Beruf helfen? Wir gucken sehr individuell auf die Talente und Vorlieben des Menschen. Für alles Weitere gibt es Förderung, Nachhilfe oder Sprachkurse.
Wie haben all diese Veränderungen das Selbstverständnis Ihrer Abteilung beeinflusst?
Die strategische Rolle ändert sich mit den Anforderungen der Menschen, die bei uns arbeiten. Wir müssen als Mitarbeiter-Ressort genauso kundenorientiert sein wie unsere Mitarbeitenden in den dm-Märkten. Unser Bereich bietet Unterstützung an und setzt die Rahmenbedingungen, damit die Verantwortlichen in den dm-Märkten mit ihren Teams die bestmögliche Arbeit machen können. Insofern sind wir keine klassische HR-Abteilung, die alles managt und festlegt, sondern eher ein Dienstleister.
In der Branche gibt es immer wieder die Diskussion, HR würde nicht „mit am Tisch sitzen“. Wie stehen Sie dazu?
Ich kenne diese Diskussion, aber ich kann wenig dazu beitragen. Bei dm war das Thema Mitarbeiter immer Teil der Geschäftsführung. Das war, ist und wird auch so bleiben, denn der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt. Ein Duschgel können Sie ja im Prinzip überall kaufen – es sind die Menschen, die den Unterschied machen.
Info
dm ist Gastgeber des Karrieretag Familienunternehmen, der am 05. Juli 2024 in Karlsruhe stattfindet. Wir, das Schwestermagazin der Personalwirtschaft, ist Medienpartner der Veranstaltung. Bewerbungsschluss für den Karrieretag ist der 10. Juni 2024.
Catrin Behlau koordiniert die Magazinproduktion der Personalwirtschaft organisatorisch und thematisch. Sie leitet gemeinsam mit Matthias Schmidt-Stein die Redaktionen der HR-Medien von F.A.Z. Business Media. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Berufsbild HR.

