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Führungskräfte früher und heute: Vom Raucher zum Marathonläufer

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Ein Gläschen hier, ein Gläschen da, dazu die obligatorische Zigarette – wirft man einen Blick auf die Führungskräfte der vergangenen Jahrzehnte, trieben viele mit ihrer Gesundheit früher noch ziemlich Schindluder. Hans-Peter Machwürth vom gleichnamigen Beratungsunternehmen sagt: „Vor 30, 40 Jahren waren viele Führungskräfte noch passionierte Raucher und auch dem Alkohol sprachen sie nicht selten – aus heutiger Sicht – übermäßig zu. Und Sport trieben sie eher sporadisch.“ 

Wie sich die Zeiten ändern. Heute gehen viele Chefinnen und Chefs mit gutem Beispiel voran und achten auf sich und ihre Gesundheit. Jeder zehnte Manager eines Dax- oder MDax-Unternehmens hat sogar bereits einen Marathon absolviert. Wenn überhaupt, seien die meisten Gelegenheits- oder Genussraucher, so Hans-Peter Machwürth. Dasselbe gelte für den Alkoholkonsum.  

„Das regelmäßige Sporttreiben, speziell Joggen ist heute bei vielen Führungskräften ein integraler Bestandteil ihres Lebensalltags. Auch ihr Ernährungsverhalten hat sich verändert. Es ist heute viel gesundheitsbewusster als noch zur Jahrtausendwende“, sagt der Berater, der sich mit seinem Unternehmen unter anderem auch auf das Thema Prävention spezialisiert hat.  

Wer führt, muss fit sein 

Dass ein gesunder Lebensstil auch ein Vorbild für die Belegschaft sein kann, ist den meisten Führungskräften bewusst, wie eine Studie der Max-Grundig-Klinik in Bühl, Baden-Württemberg, zeigt. Zwei Drittel der 1.000 dabei befragten Personen treiben regelmäßig Sport, nur etwa zehn Prozent rauchen, und auch der Fleischkonsum nimmt ab – insbesondere bei weiblichen und jüngeren Führungskräften. Das Bewusstsein, mehr für die eigene Gesundheit zu tun, ist also weit verbreitet.  

Dabei müssen sich die Führungskräfte jedoch einem ständigen Spagat stellen: Ihr beruflicher Alltag bietet oft wenig Gelegenheit, sich ausgewogen zu ernähren oder regelmäßig Sport zu treiben. Neben den „gesunden“ Vorgesetzten gibt es demzufolge noch eine weitere Gruppe: Ein Drittel der Führungskräfte verzichtet während der Arbeit komplett auf Pausen.  

Besonders im mittleren Management ist der Lebensstil häufig ungesund. Diese Führungskräfte befinden sich in einer schwierigen Position: Sie sind weder Teil des Teams noch gehören sie zum Topmanagement, wodurch sie nicht selten isoliert agieren. Gleichzeitig stehen sie unter Druck von oben und müssen diesen an ihr Team weitergeben. 

Gesundes Vorbild durch direkten Einfluss 

Doch gerade die Führungskräfte auf der mittleren Ebene haben durch ihr Verhalten einen großen Einfluss auf die Gesundheit im Unternehmen. Wegen ihres engen Kontakts zu den Mitarbeitenden tragen sie eine besondere Verantwortung als Vorbilder – auch in Bezug auf ihre eigene Gesundheit und den Umgang mit Belastungen. Das kann auch bedeuten, einfach mal zu Hause bleiben, wenn es gesundheitlich nicht anders geht. 

In Unternehmen, in denen der Manager eine Vorbildfunktion einnimmt und beispielsweise nicht krank zur Arbeit erscheint, haben die Mitarbeitenden um acht Prozent bessere Werte in Bezug auf die psychische Gesundheit als in anderen Unternehmen, so das Deutsche Institut für Betriebliches Gesundheitsmanagement und Gesundheitsentwicklung. Gesunde Führung wirkt sich demnach auch auf die mittlere Führungsebene aus. Dabei verbessert sich das mittlere Management um 90 Prozent, wenn der oder die Vorgesetzte gesund führt. 

Zuviel Stress macht krank 

Was für Mitarbeitende gilt, gilt für Führungskräfte also mindestens genauso: Eine übermäßige Arbeitsbelastung kann krank machen. Insbesondere die Personen in den Unternehmen, auf deren Schreibtischen viele Fäden zusammenlaufen –Führungskräfte oder Projektmanager – stehen zumindest gefühlt unter einem permanenten Dauerdruck. „Darum besteht bei ihnen latent stets die Gefahr, dass ihr Gefordertsein in ein Überfordertsein umschlägt und sie mittel- bis langfristig erkranken“, analysiert Hans-Peter Machwürth.  

„Damit Führungskräfte zwischen dem Druck von oben und unten nicht Wohlbefinden und Gesundheit einbüßen, müssen sie auf sich achten und bei Überlastung frühzeitig gegensteuern, was vielen Führungskräften allerdings oft nicht gelingt“, erklärt auch die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga), die das Thema in ihrem Forschungsprojekt „iga-Radar“ aufgearbeitet hat. Diese Gefahr der Überlastung sei tendenziell umso größer, je exponierter die Position in einer Organisation ist. „Zudem tragen diese Personen in der Regel auch die Verantwortung dafür, dass die nötigen Entscheidungen nicht nur zur rechten Zeit getroffen, sondern auch im Betriebsalltag umgesetzt werden.“ 

Gesundheit in den Zielvereinbarungen integrieren 

Was es heißt, wenn Führungskräfte mit ihrer Gesundheit nicht pfleglich umgehen, hat der Arbeitspsychologe Jörg Felfe bereits 2020 erforscht, der sich dem Thema „gesundheitsbewusste Führung“ im Rahmen einer Studie angenommen hat. In der Untersuchung zeigte Felfe, dass Beschäftigte, deren Führungskräfte kein gesundheitsbewusstes Vorbild sind, doppelt so häufig unter psychischen Beschwerden leiden wie diejenigen, die sich an der Gesundheit ihrer Führungskraft orientieren.  

„Unsere Ergebnisse liefern erste Belege dafür, dass gesundheitsorientierte Führung für Mitarbeitende in Krisensituationen besonders wichtig ist und dass Führungskräfte in Krisen – gleich welchen Ausmaßes – gesundheitsorientierte Führung ausüben sollten“, schließt Felfe aus den nachgewiesenen Zusammenhängen. „Die Befunde deuten darauf hin, dass gesundheitsorientierte Führung der Zielerreichung nicht hinderlich ist, sondern sich positiv auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden auswirkt.“ 

Felfe fordert, eine Gesundheitskultur im Unternehmen zu etablieren, welche die Führungskräfte sensibilisiert, motiviert und unterstützt. Das könne zum Beispiel dadurch geschehen, dass Sicherheit und Gesundheit Teil der Zielvereinbarungen von Führungskräften sind und sie deshalb ein zeitliches und finanzielles Budget dafür erhalten. 

Einfluss auf die BGM-Programme der Unternehmen 

Neben der Vorbildfunktion, die die Führungskräfte einnehmen, hat ihr Verhalten übrigens noch einen anderen Effekt: Chefs und Cheffinnen, die auf sich selbst achten, tun auch etwas für die Arbeitgebermarke.  

Hans-Peter Machwürth bekräftigt: „Wenn die Unternehmen registrieren, dass ihre Mitarbeitenden und die Stellensuchenden den Themen Gesundheit und Work-Life-Balance eine größere Bedeutung beimessen, sind sie selbstverständlich auch bemüht, ihre diesbezüglichen Förder- und Unterstützungsmaßnahmen auszubauen, um attraktive Arbeitgeber zu sein und zu bleiben und im „war for talents“ sozusagen die Nase vorn zu haben.“ Zudem seien sie bestrebt, die Mitarbeiterfluktuation zu senken und längere krankheitsbedingte Fehlzeiten ihrer Mitarbeitenden zu vermeiden.  

Mehr Gelassenheit wagen 

Was können Führungskräfte also tun, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen? Vor allem sollten sie eine Kultur der regelmäßigen Pausen etablieren. Wer selbst regelmäßig innehält, signalisiert, dass dies wichtig und erwünscht ist. Dies mag simpel erscheinen, hat jedoch einen erheblichen Einfluss auf das gesamte Team. 

Zudem sollten sie eine ausgewogene Work-Life-Balance fördern und Angebote zur Gesundheitsförderung nutzen, um auch ihre Mitarbeitenden dazu zu ermutigen. Ein weiterer wichtiger Punkt: „Führungskräfte sollten weder von sich selbst noch von ihrem Team erwarten, krank zur Arbeit zu erscheinen – auch nicht bei hohem Arbeitsaufkommen“, rät die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik

Last not least: Eine gewisse Gelassenheit, wenn es mal drunter und drüber geht, trägt ebenfalls zur Gesundheit von Führungskraft und Mitarbeitenden bei. Laut der Studie der Max-Grundig-Klinik pflegt etwa ein Drittel der befragten Führungskräfte Entspannungstechniken wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Meditation. 

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.