Der Aufruhr war groß, als Mitte 2022 Social-Media-User der HR-Szene auch in Deutschland eine Welle von Quiet Quittern identifiziert haben wollten. Begründet wurde dies unter anderem mit der gesunkenen Mitarbeiterbindung, die einzelne Studien vermeldet hatten. Innerlich hätten immer mehr Menschen in der Pandemie gekündigt, würden „nur“ noch Dienst nach Vorschrift machen. Eine neue Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt nun: Bei Quiet Quitting hat es sich zumindest im Jahr 2021 eher um einen Hype auf Social Media gehandelt als um eine tatsächliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
Was bedeutet Quiet Quitting?
Als Quiet Quitting haben die Analystinnen und Analysten der IAB zum einen den Wunsch bezeichnet, zugunsten von Familie und Freizeit auf der Arbeit kürzerzutreten. Zum anderen definieren sie Quiet Quitting als „innerliche Kündigung“, bei der sich Mitarbeitende nicht mehr mit ihrer Arbeit identifizieren und ihre Leistung deshalb reduzieren. Um zu schauen, ob es in diesen Feldern bei den Beschäftigten in Deutschland in den vergangenen Jahren eine Veränderung gab, griffen die IAB-Expertinnen und -Experten auf Daten der Linked-Personal-Panel-Befragung zurück, für die zuletzt 2021 770 Betriebe und mehr als 7.000 Beschäftigte befragt wurden. Diese Befragungswelle haben sie mit den fünf vorherigen Befragungsdurchgängen (seit 2013) verglichen. Die Ergebnisse sind repräsentativ für privatwirtschaftliche Unternehmen.
Darum gibt es in Deutschland keinen Trend zum Quiet Quitting
Die Identifikation von Beschäftigten mit ihrer Tätigkeit und die Bindung an den Arbeitgeber haben demnach zwischen 2013 und 2019 stetig abgenommen. Ab 2021 ist dann aber – anders als die Karriere des „Quiet Quitting“-Begriffs vermuten lässt – die Arbeitgeberbindung deutlich gestiegen. Auch beim Engagement der Beschäftigten zeigt sich ab 2021 ein Anstieg. Interessant ist auch, dass gerade die jüngeren Mitarbeitenden tendenziell eine höhere Bindung und ein höheres Engagement aufzeigen. Gleichzeitig hat sich die Präferenz für eine Trennung von Beruflichem und Privatem durch die Pandemie kaum verändert.
Was für einen Trend zum Quiet Quitting sprechen könnte, ist dahingegen die gesunkene Anzahl an Überstunden. Haben Beschäftigte im Jahr 2013 noch durchschnittlich 4:09 Stunden mehr gearbeitet, als in ihrem Vertrag vereinbart ist, waren es 2021 nur 3:03 Stunden. Das könnte aber auch an den pandemiebedingten Arbeitsausfällen liegen, geben die IAB-Expertinnen und -Experten zu bedenken. Was den Arbeitseinsatz und die Hilfsbereitschaft gegenüber Kollegen und Kolleginnen angeht, zeigt sich laut den Untersuchungsergebnissen kein klarer Trend.
Ebenfalls gegen eine steigende Quiet-Quitting-Mentalität in Deutschland spricht, dass die IAB-Analystinnen und -Analysten keinen Zusammenhang zwischen dem Engagement, der Trennung von Beruflichem und Privaten auf der einen Seite und der Anzahl an geleisteten Überstunden oder der vertraglichen Arbeitszeit auf der anderen Seite gefunden haben. Sprich: „Ändert eine Person ihre Einstellung zur Trennung von Beruf und Privatem, führt dies nicht dazu, dass sie infolgedessen mehr oder weniger Überstunden leistet“, heißt es in der Ergebniszusammenfassung. Wer eine Trennung zwischen Beruflichem und Privatem präferiert – ohne dass sich das Engagement oder die Arbeitgeberbindung verändert – zeigt zudem nicht weniger Einsatz auf der Arbeit. Im Gegenteil: Der Arbeitseinsatz steigt in diesem Fall leicht, womit Beschäftigte effizienter arbeiten. Von einem Quiet-Quitting-Trend kann hierzulande – zumindest bis zum Jahr 2021 – keine Rede sein.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

