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Quiet Firing: Vergraulen mit System

Ist wirklich „Quiet Quitting“, also der Dienst nach Vorschrift, das größte Problem, das Organisationen gerade umtreibt? Die Social Media lassen es vermuten. Gleichzeitig trendet schon das nächste Schlagwort: „Quiet Firing“. Was damit gemeint ist, wieso das höchst relevant für Ihre Organisation sein könnte und was gerade Führung und HR dagegen tun können – darum geht es in dieser Kolumne.

Das „leise Feuern“ ist keine heimliche Form der Kündigung. Es ist eher ein stilles, mehr oder weniger systematisches Vergraulen und passivaggressives Herausekeln von Arbeitnehmenden. Unter dem Begriff wird bereits das Übertragen unnötiger, unlösbarer oder gar keiner Aufgaben verstanden. Permanente Überlastung, aber auch dauerhafte Unterauslastung, ständiges Nörgeln ohne Anerkennung, keine (versprochene) Gehaltserhöhung, der Ausschluss aus Meetings oder anderen Informationskreisläufen: All das können Anzeichen von Quiet Firing sein.

„Fast jeder Zweite hat Quiet Firing bereits erlebt.“

Christian Thiele

Laut einer Umfrage auf Linkedin hat fast jeder Zweite von über 20.000 Befragten Quiet Firing bereits erlebt – und mehr als jede oder jeder Dritte sei schon einmal selbst davon betroffen gewesen. Natürlich ist Quiet Firing – genauso wie Quiet Quitting – eine Frage der Wahrnehmung. Und es kann unterschiedliche Gründe haben, warum einem die Führungskraft nicht die Anerkennung angedeihen lässt, die man selbst für angemessen hält: Vielleicht ist die Führungskraft selbst überlastet und unterorganisiert? Vielleicht stimmt einfach die Chemie nicht? Vielleicht ist die Chefin oder der Chef konfliktscheu und möchte eine Kündigung oder eine Abfindung vermeiden – und stattdessen die betroffene Person in den selbst gewählten Abgang treiben?

Eine toxische Arbeitskultur vermeiden

Doch wenn Quiet Firing tatsächlich zur Strategie wird, ist das nicht nur unanständig, sondern auch höchst gefährlich und kann zu einer toxischen Arbeitskultur führen. Mögliche Folgen sind Burnouts; es kommt zu verbrannten Brücken zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, die möglicherweise auch zu Kollateralkündigungen führen und das Vertrauen insgesamt schädigen.

Besonders hoch ist das Risiko, ein Opfer von Quiet Firing zu werden, meinen Beobachtungen nach für die Personengruppen, die weniger Führungskräfte stellen und deshalb weniger Support von oben bekommen – etwa Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund. So kann Quiet Firing Diversitätsstrategien entgegenwirken und das Image auf dem – eh immer knapper werdenden – Arbeitsmarkt beschädigen. Letztlich verwehrt sich die Führungskraft selbst auch die Möglichkeit, an herausfordernden Mitarbeiterverhältnissen zu wachsen und sich zu entwickeln.

Quiet Firing entgegenwirken

Führung und HR sollten also dem Quiet Firing entgegenwirken – bloß wie? Führungskräfte systematischer in Sachen Konflikt- und Kommunikationskompetenz schulen, das könnte ein Weg sein. Weitere Ideen: ihnen Unterstützung anbieten, etwa durch Coachings oder Austausch in Peer-Group-Treffen, wo es nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten und die tolle nächste Strategie geht. Und Mitarbeitenden regelmäßig den Puls fühlen, etwa in „Stay Interviews“, durch regelmäßige Befragungen zur (Führungs-)Zufriedenheit, in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Betriebsräten oder auch durch die systematische Bewerbung von seitlichen Transfers innerhalb der Organisation. Und wenn schließlich wer geht, können systematische Exit-Interviews helfen, weiteren Abgängen vorzubeugen. Denn die meisten vermiedenen Kündigungen zahlen sich aus.

Christian Thiele ist Autor und Coach für positive Leadership. Sein Buch „Positiv führen für Dummies“ ist gerade im Wiley-Verlag erschienen, sein Podcast „Positiv Führen“ lässt sich auf allen großen Podcast-Plattformen abrufen.
https://positiv-fuehren.com/