Wenn Stellen gestrichen werden, trifft das nicht nur die Mitarbeitenden, die gekündigt werden. Auch für das verbleibende Team, die Führungskräfte und HR bedeutet ein solcher Einschnitt eine emotionale und organisatorische Ausnahmesituation. Gerade jetzt rückt dieses Thema wieder mehr in den Alltag von HR-Verantwortlichen: Wirtschaftlicher Druck und technologische Umbrüche führen in vielen Unternehmen zu Umstrukturierungen, in denen ein Stellenabbau unvermeidbar wird.
Dabei ist es entscheidend, den Stellenabbau psychologisch verantwortungsvoll zu begleiten und zu gestalten. Denn wie mit der Kündigung von Mitarbeitenden umgegangen wird, prägt nicht nur deren Zukunft, sondern auch die Kultur, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der gesamten Organisation.
Doch wie lässt sich ein Stellenabbau gestalten, ohne langfristige Schäden zu hinterlassen? Wie können die verbleibenden Mitarbeitenden aufgefangen werden? Und was braucht HR, um dabei selbst stabil zu bleiben?
Die Auswirkungen des Stellenabbaus auf alle im Unternehmen
Ein Stellenabbau betrifft alle, nicht nur die Gekündigten. Bereits die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust kann Stress, Schlafstörungen und depressive Symptome auslösen. Sie kann eine negative Spirale in Gang setzen: Mentale Belastungen beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit, was wiederum das Gefühl der Unsicherheit verstärkt und die mentale Gesundheit weiter negativ beeinflusst.
Für Betroffene bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes oft auch einen Verlust von Identität, ihrem sozialen Umfeld und Selbstwertgefühl. Schon die drohende Gefahr kann zu emotionalem Druck führen, der sich in körperlichem Stress, Reizbarkeit und Erschöpfung äußert.
Für die verbleibenden Mitarbeitenden entsteht ein paradoxes Gefühl: Die Erleichterung, nicht gekündigt worden zu sein, mischt sich mit einem Gefühl der Schuld. Gleichzeitig steigt der Druck, da mehr Verantwortung plötzlich auf weniger Ressourcen verteilt wird. Aus Angst, „nicht belastbar genug“ zu wirken, werden persönliche Grenzen oft stillschweigend verschoben.
Für Unternehmen sind die Folgen von Entlassungen oft lange spürbar: Die Motivation der Mitarbeitenden leidet, Vertrauen in die Führung geht verloren, und die Unternehmenskultur wird beeinträchtigt. Wenn Wertschätzung fehlt oder Kommunikation vage bleibt, leidet die Bindung ans Unternehmen oft dauerhaft.
Für HR und Führungskräfte entsteht eine doppelte Belastung: Sie tragen Verantwortung für die Abwicklung des Stellenabbaus und gleichzeitig für die Menschen dahinter. Diese emotionale Ambivalenz ist kräftezehrend und wirkt sich negativ auf das mentale Wohlbefinden der HR-Verantwortlichen aus.
Wie kann HR den Stellenabbau mental gesund gestalten?
Ein Stellenabbau ist ein tiefer Einschnitt in das Leben der Betroffenen und das Gefüge eines Teams. Umso wichtiger ist es, dass HR ihn nicht nur organisatorisch, sondern auch psychologisch verantwortlich begleitet. Zwei Aspekte sind dabei zentral: die Gesprächsführung mit Betroffenen und die strukturelle Gestaltung des gesamten Prozesses.
Gespräche, klar, direkt und mit Empathie führen
Für das Gespräch mit Betroffenen braucht es einen klaren Rahmen: ausreichend Zeit, einen geschützten Raum und eine gute Vorbereitung. Ehrlichkeit ist kein Widerspruch zu Empathie – im Gegenteil: Ein klarer Satz wie „Ich habe eine schwierige Nachricht für dich“ ist besser als Schönfärbereien. Verschleierte, unklare Botschaften können das Misstrauen verstärken und erschweren die emotionale Verarbeitung.
Auch emotional schwierige Reaktionen verdienen Raum. Betroffene dürfen mit Wut, Trauer oder Ohnmacht reagieren – Führungskräfte und HR sollten dies weder bewerten noch abwehren. Der oder die Mitarbeitende sollte spüren, dass die Gesprächsführenden die Situation ernst nehmen und Mitgefühl haben, ohne in Mitleid zu verfallen.
Am Ende des Gesprächs sollte klar sein: Wie geht es weiter? Welche konkreten Angebote zur Unterstützung stehen bereit? Wer begleitet die nächsten Schritte?
Betroffene auch über das Gespräch hinaus unterstützen
Ein respektvoll geführtes Gespräch ist wichtig, doch genauso entscheidend ist, was danach passiert. Ein Unternehmen sollte betroffenen Mitarbeitenden auch über die Kündigung hinaus Unterstützung anbieten. Das hilft Betroffenen, die Situation so gut wie möglich zu verkraften.
Gleichzeitig signalisiert es den verbleibenden Mitarbeitenden, dass dem Unternehmen das mentale Wohlbefinden der Belegschaft am Herzen liegt und das Team auch in schwierigen Zeiten auf Unterstützung zählen kann.
Der Zugang zu psychologischer Beratung kann zum Beispiel helfen, die ersten Schritte zu machen, um neue Perspektiven zu sehen. Falls das Unternehmen schon mentale Gesundheitsbenefits anbietet, kann es auch eine Möglichkeit sein, den Zugang über die Kündigung hinaus bereitzustellen.
Wie kann HR verbleibende Mitarbeitende unterstützen?
Ein Stellenabbau betrifft nicht nur die, die gehen. Auch im verbleibenden Team hinterlässt er tiefgreifende Spuren. HR-Verantwortliche können manche Ängste, Fragen und Zweifel abfangen, indem sie an drei Hebeln ansetzen: Sie können Sicherheit vermitteln, sie können bei der emotionalen Verarbeitung unterstützen und sie können die Reorganisation der Teams aktiv begleiten. Konkrete Maßnahmen wären zum Beispiel:
Sicherheit vermitteln
- Offen kommunizieren: Menschen können besser mit Veränderungen umgehen, wenn sie die Gründe dahinter verstehen. Die Hintergründe und der Ablauf des Stellenabbaus sollten klar kommuniziert werden – und auch, was das für den Rest des Teams bedeutet.
- Sorgen ernst nehmen: Zuhören, Rückfragen stellen, ehrliches Interesse signalisieren – all das wirkt stärkend. Hier sollte man darauf achten, authentisch zu bleiben und keine Lippenbekenntnisse zu machen.
- Unterstützungsangebote schaffen: Coaching, psychologische Beratung oder digitale Formate können helfen, individuelle Belastungen zu verarbeiten. Entscheidend ist: Die Angebote müssen sichtbar, zugänglich und aktiv kommuniziert sein.
Emotionale Verarbeitung ermöglichen
- Räume für Austausch schaffen: HR sollte den verbleibenden Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, die Veränderungen zu verarbeiten. Feedbackrunden, Teamworkshops oder moderierte Gespräche bieten den nötigen Raum für Emotionen und für den Austausch über Zukunftsperspektiven.
- Abschiede bewusst gestalten: Rituale wie persönliche Dankesworte oder kleine Abschiedsformate können emotionale Verarbeitung erleichtern und zugleich Unternehmenskultur und Loyalität stärken.
- Unterstützung für die mentale Gesundheit anbieten: Neben dem emotionalen Austausch ist es wichtig, konkrete Ressourcen zur individuellen Bewältigung anzubieten. Plattformen für mentale Gesundheit, Coachings oder anonyme Beratungsangebote helfen Mitarbeitenden, das Geschehene zu reflektieren, neue Stabilität zu finden und ihre mentale Gesundheit nachhaltig zu stärken.
Reorganisation aktiv begleiten
- Rollen und Verantwortlichkeiten klären: Mit dem Stellenabbau gehen meist auch Veränderungen in den Rollen und Verantwortlichkeiten einher. Diese sollten so früh und so klar wie möglich kommuniziert werden. In diesem Kontext sollte auch darauf geachtet werden, dass die Arbeitslast fair verteilt wird.
- Entwicklungsperspektiven aufzeigen: Klare Perspektiven und Entwicklungspotenziale können den verbleibenden Mitarbeitenden die Angst nehmen, selbst auch bald den Job zu verlieren.
Wie kann HR sich um sich selbst kümmern?
Wir vergessen oft, dass ein Stellenabbau auch die belastet, die ihn begleiten. HR-Verantwortliche tragen in solchen Phasen eine doppelte Last: Sie sind als Teil des Teams selbst betroffen, organisatorisch gefordert und emotional stark involviert. Während sie sich um das Wohl anderer kümmern, bleibt die eigene mentale Gesundheit leicht auf der Strecke. Umso wichtiger ist es, dass sich auch HR Raum für Selbstfürsorge nimmt:
- Austausch suchen und Peer-Support nutzen: Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, ein vertraulicher Austausch in der HR-Community oder Tandem-Formate entlasten und stärken. Schon kleine Rituale wie ein monatlicher HR-Lunch fördern Offenheit und Verbindung.
- Grenzen setzen und Rollen klären: Nicht alles liegt in der persönlichen Verantwortung des HR-Teams. Eine bewusste emotionale Abgrenzung hilft, Überidentifikation zu vermeiden und handlungsfähig zu bleiben.
- Resilienz trainieren und Regeneration fördern: Mentale Widerstandskraft lässt sich stärken – durch Bewegung, gute Schlafhygiene oder gezielte Erholungspausen. Kurze Atemübungen oder Spaziergänge wirken oft Wunder. Digitale Programme und Resilienztrainings bieten zusätzliche Unterstützung.
- Soziale Netzwerke bewusst aufbauen: Mentoring, Peer Groups oder Supervision schaffen Raum für Reflexion und Austausch. Solche Netzwerke vermitteln Rückhalt – gerade in Phasen, in denen „stark sein“ zur Norm wird.
- Professionelle Hilfe frühzeitig nutzen: Auch HR darf sich psychologische Beratung, Coaching oder EAP-Angebote nehmen. Solche Schritte entlasten nicht nur individuell, sondern senden ein starkes Signal in Richtung einer gesunden Unternehmenskultur.
Mental stark durch schwierige Zeiten
Am Ende des Tages lässt sich ein Stellenabbau nicht immer vermeiden. Entscheidend ist jedoch, wie damit umgegangen wird und ob das Unternehmen Verantwortung für das Wohlbefinden aller Beteiligten übernimmt. Kommt es zu einem Stellenabbau, spielt HR eine zentrale Rolle: als Gestalterin von Prozessen, als emotionale Stütze – und als Mensch inmitten der Veränderung. Es lohnt sich, diese Verantwortung bewusst anzunehmen und zugleich die eigenen Grenzen im Blick zu behalten.
