„KI wird unseren Alltag, ob in der Schule, im Privaten oder am Arbeitsplatz, verändern.“ Mit diesen Worten wendete sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in einer Videobotschaft an das Publikum zur Eröffnung der 30. Learntec. Damit sprach er genau die drei Bereiche an, um die es auch in den folgenden Vorträgen und Diskussionsrunden auf der „digitalen Bildungsmesse“ in Karlsruhe ging: Um die großen Veränderungen bei Jobprofilen und in der Ausbildung durch KI und Robotik, den Transformationsbedarf der Schulen und der Lehre sowie den erforderlichen Mindsetwechsel bei der Bevölkerung, die lebenslang lernen muss.
Vom E-Learning zur Digitalisierung
Dass neue technische Innovationen die Arbeitswelt und vor allem die Lernwelt auf den Kopf stellen, ist nicht neu. In seiner Keynote „In 30 Jahren vom E-Learning zur Digitalisierung der Bildung“ zeigte Dr. Jörg Desel, Professor für Softwaretechnik und Theorie der Programmierung an der Fernuniversität in Hagen, wie sich Lernen entwickelt hat. Auffällig sei, dass sich die Begrifflichkeiten gewandelt haben. „Früher wählte man den Begriff ‚E-Learning‘, weil er schick war, heute spricht man von ‚Digitalisierung‘, weil es jetzt schick ist.“ Er wies darauf hin, dass die Grundzüge und Prinzipien der Digitalisierung älter seien als 30 Jahre. „Vor 30 Jahren fand die erste Learntec statt“, erklärte er. „Damals hießen die Themen ‚Computergestütztes Lernen und Multimedia‘.“
Die Idee sei schon immer gewesen, Kosten zu sparen, indem man Lerninhalte einem größeren Publikum Zeit- und Ortsunabhängig. Sei es in den 2000er-Jahren noch darum gegangen, geeigneten Content produzieren zu können – etwa indem wissenschaftliche Mitarbeitende eingestellt wurden –, standen in den 2010er Jahren Aspekte der Bildungsgerechtigkeit im Vordergrund. „Auch Menschen, die sich aufgrund von Einschränkungen oder aus Kostengründen nicht in Hochschulräume bewegen konnten, sollten an der Lehre teilhaben können“, so Desel. Seit 2020 stünde das lebenslange Lernen im Vordergrund. Das Internet mache seit den 2000-er Jahren das „vernetzte Lernen“ möglich, seit 2015 auch über smarte portable Endgeräte. Lernen im digitalen Raum hänge immer an den technischen Gegebenheiten. Und andersherum: „Wenn die Menschen in einer digitalen Welt leben, dann müssen auch die Lerninhalte dahin transformiert werden.“
Modulare Weiterbildungen im öffentlichen Dienst
Ohnehin ist das selbstständige und modulare Lernen im Trend. Auch im öffentlichen Dienst, wie Marc Egloffstein von der Uni Mannheim erklärte. Er stellte den eGov-Campus für modulare digitale Bildung im öffentlichen Sektor vor. Gerade dieser Sektor hänge im Bereich Learning und Digitalisierung im Deutschland-Vergleich mit anderen Sektoren – aber auch im internationalen Vergleich – hinterher. „Es besteht ein hoher Qualifikationsbedarf. Vor allem muss vermittelt werden, wie die Digitalisierung im öffentlichen Sektor gelingen kann“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik – Learning, Design & Technology.
„Der eGov Campus ist ein Verbundprojekt von Hochschulen sowie Behörden und Kommunen, dass vor allem mit Videos und Quizzes weiterbilden soll“, so Egloffstein. Die Inhalte seien kostenfrei zugänglich. Verschiedene Hochschulen für den öffentlichen Dienst nutzen das Angebot bereits, so der Wissenschaftler. „Jetzt sollen die Inhalte auch in die Berufsausbildung eingebunden werden.“ Bei den Lernenden käme der modulare Aufbau gut an. So ließen sich die „Lernhappen“ gut in den Arbeitsalltag integrieren. Nach Abschluss von Kursen erhalten die Absolvierenden Bescheinigungen oder Zertifikate. Ein Gremium das aus dem Hochschulumfeld sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis, berät über die Inhalte, die kritisch geprüft und auch in Pilotkursen getestet werden.
Welche Skills müssen Schulen vermitteln?
Aber nicht nur die Hochschullehrer und die Weiterbildung standen im Fokus. Eine von vier Messehallen fokussierte nur die Schulbildung und wie sich die Lehre durch die fortschreitende Digitalisierung verändert. Im Panel „Digitale Angebote sind alles, nur nicht nachhaltig“ diskutierten Achim Beule, Fachreferent Bildung für nachhaltige Entwicklung und Beauftragter für Nachhaltigkeit im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, Petra Ferrari, Geschäftsführerin des Galileo Bildungshauses, Dr. Uta Hauck-Thum, Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität und Katja Kranich, Schulleiterin des Stromberg-Gymnasium in Vaihingen/Enz. Sie erörterten, wie dem Widerspruchspaar Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Schulen begegnet werden kann.
Die Diskussion drehte sich im Kern um die Frage, welche Kompetenzen Schule heute vermitteln muss, um die Schülerinnen und Schüler auf die Arbeitswelt von morgen vorzubereiten. In einem waren sich die Diskutierenden einig: Die meisten Schulen sind rückständig. Das liege auch an den vorgegebenen Lehrplänen und der Prüfungsordnung. Relevante Skills wie die Fähigkeit zum Erschließen komplexer Sachverhalte und das Spüren der eigenen Selbstwirksamkeit fänden nicht genug Beachtung.
„Zwar stößt das Einführen von Geräten wie Tablets in Schulen den Change an“, sagte Petra Ferrari. „Doch auch die Inhalte die Art des Unterrichtes müssen darauf aufbauend angepasst werden.“ Genau hier hapere es noch. „Schule gelingt es zwar Wissen zu vermitteln, aber ihr gelingt es nicht, Einstellungen zu verändern“, sagt Achim Beule. Es sei für Schülerinnen und Schüler wichtig, Feedback aus der Peergroup – also von anderen Schülern – zu bekommen.
Selbst im Vermitteln der Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben – die zwar essenziell seien, aber eben nicht mehr das Wichtigste – eröffne die Technologie neue Möglichkeiten. Professor Dr. Uta Hauck-Thum: „KI kann dabei helfen, individuelle Schwächen und Förderbedarfe in den Basiskompetenzen festzustellen.“ Lehrkräfte könnten dann mit passenden Angeboten nachsteuern. Einigkeit bestand in der Runde darüber, dass das Prüfungssystem und der Unterricht dringend transformiert werden müssen. „Wenn sich die Lernprozesse so verändern, muss auch die Feedbackkultur angepasst werden“, meint Beule. Es brauche neue Wege, um Leistungen zu messen und auch die Lehrer müssten anders ausgebildet werden. „Auch die Auswahl der Lehrkräfte muss anders erfolgen, es braucht Personal, dass für das, was es tut, brennt. Menschen, die nur eine sichere Arbeitsstelle wollen, die sind hier fehl am Platz“, fügt Hauck-Thum an.
Gut wäre es laut Katja Kranich, wenn nur noch das Basiswissen geprüft werden würde. „Alles andere sollten wir in Portfolios abbilden, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler dann bewerben können.“ In diese Portfolios können die Ergebnisse von Projektarbeiten einfließen, die die Fähigkeiten besser widerspiegeln als schnöde Noten. Dieser Wandel in den Schulen könne am besten durch das Vernetzen der Schulen untereinander erreicht werden. Auch hierbei würden wiederum die digitalen Tools helfen. Neue Technologie und neue Arbeitsweisen erfordern auch neue Bildung.
Was Unternehmen brauchen, um in Zukunft erfolgreich sein zu können
Die Neuerungen formen letztlich auch eine neue Arbeitswelt – um sie drehte es sich insbesondere in der Halle zu New-Work-Themen. Die Autorin und Beraterin Saskia Eversloh ging in ihrem Vortrag „Erfolgsfaktor New Work – nicht nur fürs White-Collar-Management: Gute Beispiele aus Medizin, Mobilität und Müllmanagement“ auf die nötigen Veränderungen im Blue-Collar-Bereich ein.
„Es geht um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sektoren, die für das Zusammenleben jetzt und in Zukunft wichtig sind“, betonte sie. New Work sei das, was alle Unternehmen in Zukunft bräuchten, um erfolgreich sein zu können. Denn der demografische Wandel, das neue (ökologische) Nachhaltigkeitsbewusstsein und die Digitalisierung in der Post-Corona-Welt, fordern ein Auseinandersetzen etwa mit dem zeitunabhängigen Arbeiten voraus.
Beispiele aus dem Müllverwertungs- und dem Klinikbereich sowie aus dem Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs zeigten, dass vielen Berufsgruppen in den Bereichen nur wenig Wertschätzung erfahren und selbst Toilettenpausen nicht selbstverständlich sind. „Zu zeigen, dass diese Mitarbeitenden auch von HR und Führungskräften gesehen werden, macht stimmungsmäßig viel aus“, so die Beraterin. Kommunikation über digitale Tools erleichtere hier das Planen von Schichten, die bei Bedarf mit Kollegen getauscht werden können. „Die Beschäftigten haben so mehr Zeit, um etwa Angehörige zu pflegen oder die Kinder von der Schule abzuholen.“ Und darum gehe es ja auch insgesamt beim technischen Fortschritt. Die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Produktivität und Wertschöpfung zu erhöhen und eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen.
Info
Die Learntec fand vom 23. Bis zum 25 Mai in der Messer Karlsruhe statt. Mehr Informationen zu Speaker, Vorträgen, Diskussionen und den Ausstellern, finden Sie hier.
Tim Stakenborg verantwortet die Heftplanung des Magazins Personalwirtschaft. Zudem betreut er das Thema Aus- und Weiterbildung (inklusive MBA und E-Learning) und beschäftigt sich mit dem Bereich Employee Experience und Retention.