Frauen und Geld scheinen für zu viele Menschen nicht zusammenzupassen. Dies ist leider kein altes Denken, sondern immer noch tief in unserem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen System verankert. Im Schnitt verdienen Frauen in Deutschland derzeit 18 Prozent weniger als Männer. Damit arbeiten sie im Vergleich zu ihren Kollegen rund 40 Tage im Jahr umsonst. Eine Zahl, die zwar langsam sinkt (2008 waren es noch 23 Prozent und damit etwas weniger als 60 Tage) aber nach fast einem Jahrhundert der Frauenbewegungen zum ungläubigen Kopfschütteln und frustriertem Sich-in-die-Haare-greifen animiert.
Die Zahlen belegen, was viele Frauen im Berufsalltag schon einmal erlebt haben, auch ich. Als ich einmal – gemeinsam mit einem männlichen Kollegen – mit einem Speaker für eine Veranstaltung im Gespräch war, sagte dieser: „Entschuldige Lena, aber wir müssen jetzt mal, wie es unter Männern üblich ist, direkt übers Geld sprechen.“ Dieser Satz, so dahingesagt und vielleicht lustig gemeint er war, enthielt drei Aussagen: Dass ich als Frau keine Ahnung vom Geldgeschäft habe, dass ich aus den folgenden Verhandlungen ausgeschlossen bin und dass Geld und Frauen nicht zusammenpassen. In etwa so, wie es bei meinen Großeltern war, wo meine Oma wöchentlich einen bestimmten Betrag als Haushalts- und Taschengeld bekam, und sich mein Opa um den Rest kümmerte.
Die kleine Stimme, die nicht weggeht
Trotz aller Emanzipation war und ist auch dieses Rollenverständnis Teil der Sozialisation vieler. Natürlich hat sich auch hier einiges geändert und viele Frauen haben erkannt, dass eine Ehe als Altersvorsorge nichts taugt – schon alleine wegen der hohen Scheidungszahlen. Und trotzdem existieren genau die alten Erwartungen als kleine Stimme im Hinterkopf – und lassen einen auch bei Gehaltsverhandlungen unsicher werden. So unsicher, dass 41 Prozent der Frauen erst gar nicht um ihr Gehalt verhandeln, wie eine Umfrage des Fintechs WeltSparen offenbart. Ziemlich sicher ist das einer der wichtigsten Gründe für die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, zumindest in nicht tarifgebundenen Unternehmen.
Stellt sich nur die Frage, warum HR überhaupt den Lohn von Gehaltsverhandlungen abhängig macht, wenn Frauen hier durch ihre Sozialisation einen doppelten Kampf führen – den gegen die eigenen inneren Vorurteile und den gegen die Voreingenommenheit von Führungskräften und Personalerinnen und Personalern. Als Frau mehr Geld zu fordern gleicht zudem einem Angriff auf bestehende Glaubenssätze und kann schon mal zu Spott oder Wut des Gegenübers führen. Einem Szenario, dem sich nicht jede Mitarbeiterin aussetzen möchte.
Einfacher und hilfreicher wäre es, den Prozess umzudrehen und HR oder Führungskräfte in einem festgelegten Rhythmus Gehaltserhöhungen anbieten zu lassen. Strukturiert, nach Leistungen und nicht nach dem besten Verhandlungsgeschick. Das würde zeigen, dass es eben auch für Frauen ganz natürlich ist, steigende Summen an Geld zu erhalten und erfolgreiche Gespräche darüber zu führen.
Der nächste Lösungsansatz könnte auf den ersten Blick wie das Gegenteil davon erscheinen: HR und Führungskräfte sollten Frauen mehr finanzielle Verantwortung in Unternehmen zukommen lassen. Warum nicht immer wieder eine Frau für Gehaltsverhandlungen als Hauptverantwortliche auswählen? So könnten beide Seiten das lernen, was eigentlich klar sein sollte: dass Frauen und Geld sehr gut zusammenpassen.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.