Alternative Karrierewege: Die Projektlaufbahn
Viele Unternehmensbereiche weisen ganz oder teilweise projektorientierte Organisationsstrukturen auf. In Ergänzung zum bestehenden, hierarchisch aufgebauten Organisationsgefüge wird zunehmend projektbezogen und teamorientiert, sowohl bereichsintern wie bereichsübergreifend, gearbeitet. Die Forderungen nach größerer Flexibilität bei der Zusammenarbeit und nach flacheren Hierarchien tragen dazu bei.
In Abbildung 1 sind beispielhaft wichtige Projektformen und die damit verbundenen Laufbahnentwicklungsmöglichkeiten aufgeführt:
Abbildung 1: Projektformen und damit verbundene Laufbahnentwicklung
Projektform |
Kurzbeschreibung |
Laufbahnentwicklung (Beispiele) |
Traditionelle Projekte |
Eine bestimmte Anzahl von Team-Mitgliedern, die sich aus für die Projektaufgaben bedeutsamen Unternehmensbereichen rekrutieren, arbeiten auf Zeit an einer Problemstellung. |
- Team-Mitglied |
Task Force |
Einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern wird die Aufgabe gestellt, mit höchster Priorität innerhalb einer bestimmten Zeit eine Idee bzw. eine Vorgabe unter wirtschaftlichen, juristischen, technischen usw. Gesichtspunkten zu analysieren, Vorschläge zu präzisieren und deren Umsetzung zu forcieren. |
- Team-Mitglied |
New Venture Team |
Eine Gruppe von Mitarbeitern, die in der Regel aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen kommen, wird beauftragt, nach neuen Geschäftsfeldern für das Unternehmen zu suchen. Sonderform: „Spielwiesen” |
- Team-Mitglied
|
Produktteam |
Mitarbeiter aus den relevanten Unternehmensbereichen (Forschung/Entwicklung, Produktion, Vertrieb national/international, Planung, Rechnungswesen, Personal etc.) managen als Produkt(gruppen)leitung einen bestimmten produktbezogenen Geschäftsbereich (Unternehmen im Unternehmen). |
- Team-Mitglied |
Zirkel |
Eine Gruppe von Mitarbeitern trifft sich in einer Serie von regelmäßig durchgeführten und moderierten Gesprächsrunden (Qualitätszirkel, Innovationszirkel, Lernstatt, Werkstattzirkel etc.), um über Probleme, Schwachstellen, neue Ideen und Ansätze im Zusammenhang mit ihrem Tätigkeitsbereich zu diskutieren, Lösungsansätze zu erarbeiten und diese zu präsentieren. Auch an der Umsetzung sollen die Gruppenmitglieder so weit wie möglich beteiligt werden. |
- Mitglied von Zirkeln |
Dabei zeigt sich – neben der traditionellen Führungslaufbahn und der Spezialistenlaufbahn – für die Projektlaufbahn im Rahmen der Fachlaufbahn eine weitere praxisrelevante Laufbahnstruktur. Besonders hinzuweisen ist darauf, dass es sich hierbei nicht lediglich um die schon immer bestehende Projektarbeit für Mitarbeiter oder Projektleiter handelt. Hier geht es um eine systematische Einbindung unterschiedlicher Projektarbeiten in ein Personalentwicklungskonzept und in eine (zumindest intern) sichtbare Projekthierarchie.
Identifikation und Führungspotenzial steigern
Eine Projektlaufbahn schafft nicht nur zusätzliche Möglichkeiten, die Karrieren eines ausgewählten Personenkreises durch Alternativen der Laufbahnentwicklung zu verwirklichen. Der zeitlich begrenzte Einsatz eines Mitarbeiters als Projektleiter kann vom Management auch zur Identifikation und Förderung von Führungspotenzial genutzt werden (Personenauswahl- und Entwicklungsfunktion). Es handelt sich um eine Art „reales“ Assessment-Center.
Um den Anreiz von Projekt(leiter)positionen zu erhöhen, sollten auch diese Projektmanagement-Positionen formal im Organisationsplan ausgewiesen und dann in die für Führungskräfte üblichen Informations- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Auch für Spezialisten ohne Interesse an Projektleiterpositionen – oder solche ohne Potenzial dafür – bietet eine Projektlaufbahn durchaus Entwicklungsmöglichkeiten, wenn im Rahmen von Projektarbeiten zunehmend komplexere Fachaufgaben (Job Enrichment) übertragen werden.
Das Projektende im Blick
Generell sollten mit dem Mitarbeiter bereits bei Übernahme einer Position in der Projekthierarchie seine Einsatzmöglichkeiten nach Projektende besprochen werden. Denn es wird sich ja grundsätzlich um einen zeitlich begrenzten Einsatz handeln. Aber gerade zur Potenzialerkennung und -entwicklung bieten auch diese projektbezogenen Zeiten wertvolle Hinweise.
Mit dem Einsatz der Projektlaufbahn sind in der Praxis ebenfalls positive und negative Erfahrungen gesammelt worden. Hierzu enthält die Abbildung 2 abschließend eine Zusammenstellung:
Abbildung 2: Erfahrungen mit Projektlaufbahnen
Positive Erfahrungen |
Negative Erfahrungen |
Wirksame Anreiz- und Belohnungsfunktion |
Laufbahnentwicklung (zunächst) auf Zeit |
Zusätzliche Aufstiegschancen |
Projektlaufbahn nicht in die Personalplanung einbezogen (re-entry-Problematik) |
Größere Flexibilität bei der Personalentwicklung |
Keine Positionsbestimmung (Vergleichbarkeit mit Führungs- und Fachlaufbahn) für Projektlaufbahn |
Potenzialerkennung („reales” Assessment-Center) |
Keine organisatorische Zuordnung und Veröffentlichung in Ergänzung zum Organigramm |
Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten bei der Leitung bereichsübergreifender Projektteams |
Unklare Kompetenzregelung, insbesondere für den Projektleiter bei Sach- und Personalfragen |
Erkennen erforderlicher Personalentwicklungsmaßnahmen und Potenzialförderung |
Personalführungsprobleme (insbesondere unklare Trennung zwischen fachlicher und disziplinarischer Unterstellung der Projektmitarbeiter und insbesondere der Projektleiter) |
Möglichkeit zur Berücksichtigung unterschiedlicher individueller Zielvorstellungen |
Unklarheit über Höhe und Dauer von Projektleitungszulagen |
Flexible Entgeltfindung (z. B. durch Projektzulagen) |
Mangelnde Vorbereitung auf Projektleitungsaufgaben |
Prof. Dr. Michel E. Domsch ist Professor für Personalwesen und Internationales Management an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und leitet dort das MDC Management Development Center e.V. In Forschung, Lehre und Beratung befasst er sich schwerpunktmäßig mit Personalentwicklung, Arbeitszeitflexibilisierung, Mitarbeiterbefragungen und Diversity Management.
Prof. Dr. Désirée H. Ladwig
ist Professorin für Personalmanagement und Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Lübeck. Als
Unternehmensberaterin befasst sie sich schwerpunktmäßig mit den
Bereichen Personal, Organisation sowie Gender und Diversity.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen leicht bearbeiteten Auszug aus dem Werk:
Michel E. Domsch / Désirée H. Ladwig (Hrsg.): Fachlaufbahnen. Alternative Karrierewege für Spezialisten schaffen. 1. Auflage, Köln 2011, Luchterhand (Wolters Kluwer Deutschland), 272 Seiten, broschiert, 39,00 Euro, ISBN 978-3-472-07854-8.