Personalwirtschaft: Frau Engenhardt-Gillé, Sie arbeiten seit 2000 für die freenet AG und ihre Tochtergesellschaften. Hatten Sie nie das Bedürfnis, für ein anderes Unternehmen zu arbeiten?
Nicole Engenhardt-Gillé: Nein, denn die Dynamik der Branche und des Marktes hält genug Herausforderungen bereit. Seitdem ich hier angefangen habe, hat sich das Geschäftsmodell immer wieder geändert. Gefühlt habe ich schon in sehr vielen verschiedenen Unternehmen mit sehr ähnlichen Namen gearbeitet. Die Kultur bei freenet passt zu mir, wir haben einen tollen Zusammenhalt im Team, und ich fühle mich einfach wohl hier.
Ab dem 1. Januar sind Sie Vorständin für Personal und ESG. Was bedeutet die Ernennung für Sie?
Das bedeutet mir viel. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass es auch für Frauen möglich ist, sich für Spitzenpositionen in Tech-Unternehmen zu qualifizieren. Ich hoffe, dass ich für die eine oder andere Frau ein Vorbild sein kann.
Wie möchten Sie in dieser Funktion HR im Unternehmen persönlich prägen?
Ich möchte weiter Motor und Moderatorin für Veränderungen im Unternehmen bleiben, die Unternehmenskultur prägen und unsere Arbeitgebermarke stärken. Mein Ziel ist es, den Ausbau unseres Nachhaltigkeitsengagements eng mit dem HR-Management zu verzahnen. Wir wollen bis 2030 klimaneutral arbeiten. Zudem möchte ich für mehr Diversität und Vielfalt im Unternehmen einstehen.
Was wird Ihrer Erwartung nach die größte Umstellung zu Ihrer bisherigen Position sein?
Die Personalarbeit wird mehr Fokus im Unternehmen bekommen, da sie zum eigenen Ressort und nicht mehr „nur“ vom CEO mitvertreten wird. Gerade angesichts eines aus Unternehmenssicht fast volatil zu nennenden Arbeitsmarktes ist diese strategische Positionierung sehr wichtig. Viel positives Feedback habe ich intern und extern zur Erweiterung meiner Tätigkeit in Bezug auf unsere Nachhaltigkeitsziele bekommen. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns im Unternehmen schon lange, und es gibt einen großen Gestaltungswillen im HR-Team.
Mit welcher beruflichen Station sind Sie besonders gewachsen und warum?
Bei meinem Start als Vorstandsassistentin in Dresden. Direkt nach der juristischen Ausbildung zu erleben, wie ein Unternehmen funktioniert, bei Vorstandssitzungen dabei zu sein, zu verstehen, wie Entscheidungen vorbereitet und Verhandlungen geführt werden, wie Unternehmenspolitik gemacht wird: All das hat mir für meine Karriere und mein Leben viel gebracht. In dieser Zeit habe ich auch gelernt, wie ich Widerstände überwinden kann, die gegen mich persönlich aufgebaut werden.
Sie sind die erste Frau im freenet-Vorstand und damit Vorreiterin. Wo waren Sie schon vorher in Ihrer Karriere Vorreiterin?
Ich war bei meinem ersten Arbeitgeber, einer Versicherung, die erste Vorstandsassistentin und die erste Abteilungsleiterin bei freenet.
Was machen Sie am liebsten, wenn Sie abschalten möchten?
Ich mache Sport zum Auspowern und Yoga zum Ausgleich, gehe sehr gerne in der Natur spazieren und besuche die Hühner im Garten. Und ich versuche so oft es geht mit meinen fünf Patenkindern Kontakt zu haben, das verändert den Fokus total.
Wo liegen Ihre Talente?
Ich habe den Überblick und die Ruhe in turbulenten und unsicheren Zeiten. Ich gehe gern neue Themen an und strukturiere sie. Das hat mir enorm geholfen in den vergangenen Jahren. Ich bin zukunftsorientiert und kann gut Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten vernetzen und zu gemeinsamen Erfolgen führen.
Welcher berufliche Wechsel war am bedeutsamsten für Ihre Karriere?
Ich habe mein ursprüngliches Studiengebiet verlassen und bin von der Rechtsabteilung in die HR gewechselt – und habe es nie bereut. Dieser Schritt hat mir ganz andere Perspektiven und Chancen eröffnet, bis jetzt hin zur Vorständin Personal und ESG.
Gab es auf Ihrem beruflichen Weg Mentoren?
Es gab keinen klassischen Mentor oder keine klassische Mentorin: Ich habe viel von meinen Vorgesetzten gelernt, die mich immer in meiner Entwicklung unterstützt haben. Und ich habe in meinem Netzwerk Frauen aus unterschiedlichen Branchen. Da beraten wir uns auf Augenhöhe.
Wie würden Sie Ihren Lebenslauf in drei Adjektiven umschreiben?
Offen, hartnäckig, mutig.
Tim Stakenborg verantwortet die Heftplanung des Magazins Personalwirtschaft. Zudem betreut er das Thema Aus- und Weiterbildung (inklusive MBA und E-Learning) und beschäftigt sich mit dem Bereich Employee Experience und Retention.