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So führen Sie Mitarbeitende, die sich ungewohnt verhalten

Frage an die HR-Werkstatt: Wie lassen sich Beschäftigte führen, die sich anders als sonst verhalten?

Es antwortet: Dr. Frank Stöpel ist Coach und Berater

Verlieren Mitarbeitende Angehörige, erleben sie eine Ehekrise, Überlastung durch private Sorgen wie Schulden oder müssen sie plötzlich die Pflege für eine Person übernehmen, wird Führen oft zu einer Herausforderung. Denn in solchen besondere Situationen haben die meisten Menschen keine oder unzureichende Orientierung und keine Handlungsmuster, auf die Sie zurückgreifen können. Sie fühlen sich dann oft verwirrt und überfordert – und reagieren nicht so, wie sonst.

So ein „komisches“ Verhalten tritt in der immer komplexer werdenden Arbeitswelt – und gerade durch die Einflüsse der diversen Krisen unserer Zeit – immer häufiger auf, weiß ich aus der Beratungspraxis. Erklären lässt sich das damit, dass das allgemeine Belastungsniveau durch die Krisen hoch war und ist, etwa weil gewohnte Routinen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie weggefallen sind. Wenn dann auch noch eine „besondere Situation“ hinzukommt, ist schnell eine Überlastung erreicht. Solche besonderen Situationen sind statistisch gesehen gar nicht ungewöhnlich, jede Führungskraft dürfte im Laufe ihrer Karriere mit Mitarbeitenden konfrontiert werden, die ihr Verhalten auf diese Art verändern. Deshalb gilt es, Personalverantwortliche darauf vorzubereiten. Doch welche Tipps gibt es für den Umgang mit Mitarbeitenden in solchen Situationen?

Richtig reagieren

Wenn ein Mitarbeitender „komisch“ wird, sollte die Führungskraft zunächst das Gespräch suchen. „Komisch“ bedeutet hier, dass sich der Mitarbeitende anders verhält, anders arbeitet oder auch nur anders aussieht als früher. Führungskräfte sollten an der Stelle auf ihr Bauchgefühl hören, denn ist die Veränderung so zu bemerken, dann sind diese in der Regel schon so deutlich, dass sie vom Unbewusstsein nicht mehr zurückgedrängt werden können. Führungskräfte sollten im Gespräch möglichst keine Wertung wie „Sie sind komisch geworden“ oder „Haben Sie Probleme?“ einfließen lassen.

Sie sollten lieber die konkreten Veränderungen als Z.D.F. (Zahlen, Daten, Fakten) ansprechen. Eine passende Ansprache in der Logik könnte beispielsweise dieser hier sein: „In letzter Zeit haben Sie öfters einzelne Tage gefehlt. So kenne ich Sie gar nicht und da frage ich mich, was ist los?“

Im Qualitätsmanagement heißt es: Je früher eine Abweichung vom Soll erkannt und gegengesteuert wird, umso geringer ist der Aufwand. Viele der großen Schwierigkeiten beim Führen entstehen dadurch, dass die Probleme nicht rechtzeitig angegangen wurden. Denn bei Problemen lässt sich ein Hefeteig-Effekt beobachten. Wenn man sie ruhen lässt, werden sie immer größer und größer. Wenn die Führungskraft früh reagiert, genügt oft schon eine kurze Rückmeldung, damit sich das Verhalten wieder ändert. Das erspart dem Unternehmen Kosten und allen beteiligten Nerven. Wenn sich die Kollegen schon beschweren, ist der Prozess der Veränderung meist schon vorangeschritten und der Aufwand, um zum Soll zurückzukehren ist entsprechend groß.

Unterstützen, nicht therapieren

In der Beratungspraxis begegnet mir das ganze Spektrum von Führungskräften. Von konsequenter Ignoranz selbst deutlichster Auffälligkeiten bis hin zu Überengagement als quasi „Hilfstherapeut“. Und wie so oft im Leben liegt auch hier die Gefahr in der Übertreibung. Wenn der Führungskraft etwas auffällt, sollte sie den Mitarbeitenden zwar zeitnah darauf ansprechen, aber nicht therapieren. Für weitergehende Hilfen sind dann die Expertinnen und Experten wie Psychotherapeuten und Beratungsstellen einzubeziehen. Hierbei kann HR im Unternehmen helfen. Eine Führungskraft sollte sich nicht überfordern und in ihrer Rolle als Vorgesetzter bleiben.

Wichtig ist es, den Mitarbeitenden zu vermitteln, dass es in ihrer Verantwortung liegt, dafür zu sorgen, dass sie ihre Arbeitskraft wieder vollumfänglich zur Verfügung stellen können und sich dafür im Zweifelsfall Unterstützung holt. Auch die Führungskraft kann dabei im Arbeitsalltag und im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, beispielsweise in Form einer vorübergehenden Entlastung. Arbeitsrechtliche Instrumente müssen grundsätzlich meist erst dann genutzt werden, wenn versäumt wurde, frühzeitig die Auffälligkeiten anzugehen. Solche Instrumente sollten eine Notlösung sein. Denn gerade in solchen Situation schaden sie oft mehr als sie helfen, weil der Mitarbeitende ja eigentlich arbeiten möchte, er es aber gerade aufgrund seiner Situation nicht kann.

Entspannen sie sich!

Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich Führungskräfte durch das komische Verhalten ihrer Mitarbeitenden persönlich angegriffen fühlen. Selbst wenn es zu unschönen Situationen und verbalen Ausfällen seitens der Mitarbeitenden kommen sollte, beziehen sich diese in der Regel nicht auf die Führungskraft persönlich, sondern nur die Funktion. Auch ist es wichtig zu akzeptieren, dass jedem Verhalten eine positive Absicht zugrunde liegt und das diese die für den Mitarbeitenden in der Situation als die bestmögliche erscheint.

Nehmen wir das Beispiel Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Der Mitarbeitende will unbedingt die Aufgabe trotz Schwierigkeiten gut fertigstellen und nimmt deshalb Medikamente oder illegale Drogen. Der Beobachter sieht allerdings nur einen groben Regelverstoß. Durch diese Haltung  Durch das Akzeptieren der positiven Absicht hinter dem problematischen Verhalten können Führungskräfte weniger emotional und „vernünftig“ reagieren – ohne das Verhalten zu tolerieren. Führungskräfte sollten kritische Gespräche niemals mit negativen Emotionen wie Wut, Ärger und Trauer führen, weil sie dann nur begrenzt Zugriff auf ihre Ressourcen wie logisches Denken haben. Erst entspannen, Kopf einschalten, sich gut Vorbereiten und dann die Sache angehen.

Vorbeugen

„Investiere in der Zeit, so hast Du in der Not“ gilt auch hier. Teil von dem gesunden Führung ist auch die Pflege der Beziehungsebene. Wenn Vorgesetzte einen guten Draht zu den Mitarbeitenden aufgebaut haben, fällt es ihnen auch in Krisenzeiten leichter diese zu führen. In Zeiten von Corona und Homeoffice konnte ich bei einigen Führungskräften aber auch beobachten, dass sie ganz froh waren, nicht mit ihren Mitarbeitenden sprechen zu müssen. Dadurch besteht nicht nur die Gefahr, dass die Beziehung gestört wird, sondern die Mitarbeitenden mit ihren Belastungen allein gelassen werden und so schneller in eine Überforderungssituation geraten können.

Das Team

Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Mitarbeitenden in Krisensituationen ist die Kommunikation im Tim. Grundsätzlich ist es vorteilhaft, wenn mit offenen Karten gespielt werden kann und das Team Bescheid weiß. Dann können auch die Beteiligten das Verhalten der Betroffenen besser einordnen. Das ist aber nicht immer möglich. Wenn der oder die Betroffene sagt, dass er oder sie nicht möchte, dass der Rest vom Team diese Informationen bekommt, dann muss das akzeptiert werden.

In dem Fall bleibt der Führungskraft nichts anderes übrig, als dem Team die getroffenen Maßnahmen mit Sätzen wie „… weil ich nach reiflicher Überlegung zu diesem Schluss gekommen bin“ zu begründen. Die Begründungen sind für die Akzeptanz der Mitarbeitenden wichtig, wenn Aufgaben zur Entlastung der oder des Betroffenen auf das Restliche Team übertragen werden.  Solche Regelungen müssen allerdings zeitlich begrenzt sein. Nach etwa 4 bis 6 Wochen muss eine andere Regelung getroffen werden, damit die anderen Teammitglieder nicht überlastet werden.

Selbstfürsorge

Die Konfrontation mit Schicksalsschlägen lässt auch Führungskräfte nicht kalt. Wichtig ist, dass Führungskräfte Empathie zeigen, aber nicht mit leiden. Führungskräfte sollten nach Feierabend noch abschalten können und die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen. Das kann zu Rollenkonfusion führen und zu schlaflosen Nächten. Eine gestresste Führungskraft ist darüber hinaus ein erheblicher zusätzlicher Belastungsfaktor für die Mitarbeitenden.

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