Viele Mitarbeitende in deutschen Betrieben halten sich für kompetent genug, in ihrem derzeitigen Job zu bestehen. Trotzdem hadern sie mit mangelnden Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten. Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des Global Talent Barometers, das der Personaldienstleister Manpower jetzt erstmalig veröffentlicht hat. Die Studie, für die Angestellte in 16 Ländern befragt wurden, offenbart ein komplexes Bild von Mitarbeiterwohlbefinden, Arbeitszufriedenheit und Zuversicht in die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt. Dabei stehen in Deutschland Themen wie Stress, interne Entwicklungsmöglichkeiten und die Work-Life-Balance besonders hoch auf der Agenda.
Insgesamt wurden in der Studie drei Dimensionen näher untersucht: Erstens das sogenannte Well-Being, also das Befinden, zweitens die Zufriedenheit sowie drittens die Zuversicht im Job. Während die Ergebnisse in den Bereichen Well-Being (49 Prozent aller Beschäftigten haben täglich mit Stress zu kämpfen) und Zufriedenheit (35 Prozent aller Beschäftigten erwägen, innerhalb der nächsten sechs Monate den Job zu wechseln) wenig überraschen, weil andere Studien und Befragungen schon zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind, lassen die Ergebnisse im Bereich „Zuversicht im Job“ aufhorchen. Allerdings stellen sie den Arbeitgebern kein gutes Zeugnis aus.
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
Dabei stimmen die Ergebnisse der Studie in diesem Punkt auf den ersten Blick hoffnungsvoll, fühlt sich die Mehrheit der Beschäftigten in der eigenen Rolle doch selbstbewusst und kompetent: Stattliche 87 Prozent haben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und werten die eigene Beschäftigungsfähigkeit als hoch. Allerdings hakt es offenbar bei den Einsatzmöglichkeiten: Ein Drittel (34 Prozent) sieht eine Grenze für eine Karriere im aktuellen Unternehmen, da es an Möglichkeiten zur Verwirklichung der eigenen Karriereziele und Fähigkeiten mangelt. Oft fehlt es vor allem an der Bereitschaft der Führungskräfte, die Mitarbeitenden entsprechend zu fördern. Hier könnten Personalabteilungen mit Entwicklungsprogrammen gegensteuern, um insbesondere talentierte und motivierte Beschäftigte zu fördern und im Unternehmen zu halten.
Info
Für das Global Talent Barometer der Manpower Group wurden zwischen dem 15. April und 10. Mai 2024 Daten von über 12.000 Beschäftigten erfasst und analysiert. Die Studie bietet umfassende Einblicke in die Arbeitswelt von Beschäftigten in 16 Ländern. Der Gesamtwert, der Global Talent Barometer Score, basiert auf drei wesentlichen Indizes: Well-Being, Zufriedenheit sowie Zuversicht im Arbeitsleben.
Konkret zeigen die Zahlen: Obwohl 73 Prozent glauben, dass ihr Unternehmen ihnen theoretisch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bieten könnte, haben 59 Prozent der Beschäftigten in den vergangenen sechs Monaten keinerlei Training erhalten. Nur 57 Prozent sehen klare Aufstiegschancen, was auf eine Lücke zwischen Kompetenzentwicklung und Karrierefortschritt hindeutet, vermuten die Studienmacher. Dem Vertrauen in den momentanen Arbeitgeber ist das nicht eben zuträglich.
Dazu passen auch die Ergebnisse des „L & D Monitor“ der KI-gestützten Lernplattform Studytube: Während nur 18 Prozent der dort befragten Personalverantwortlichen einen Zusammenhang zwischen Weiterbildung, Entwicklung und Mitarbeiterbindung sehen, sind es bei den Angestellten 37 Prozent. Für sie ist das laut Studytube tatsächlich ein Grund, die derzeitige Stelle zu kündigen. Dagegen sind zwei Drittel (68 Prozent) und damit die meisten befragten Führungskräfte der Meinung, dass die frühzeitige Fluktuation vor allem am Gehalt liegt, gefolgt von anderen Arbeitsbedingungen wie etwa Benefits.
Wechselwunsch wegen fehlender Karrieremöglichkeiten
Tatsächlich führt laut Manpower diese Diskrepanz zwischen vorhandenen Karriere- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten und ihrer tatsächlichen Nutzung dazu, dass viele Mitarbeitende – insbesondere junge Fachkräfte – darüber nachdenken, die Stelle zu wechseln. So erwägt beispielsweise fast die Hälfte der jungen Berufstätigen im Alter von 18 bis 27 Jahren innerhalb der nächsten sechs Monate einen Jobwechsel.
Remote-Arbeitende sind offenbar besonders frustriert – trotz der oft besseren Work-Life-Balance, die ihnen das Homeoffice bietet: 41 Prozent der Beschäftigten, die vorwiegend von zu Hause aus arbeiten, ziehen einen Jobwechsel in Betracht, offenbar auch zum Teil, weil ihnen zu wenige Möglichkeiten der Weiterentwicklung geboten werden.
Das gibt besonders zu denken, weil viele Mitarbeitende ihren derzeitigen Job offenbar gewählt haben, weil er in ihre längerfristige Karriereplanung passt, nämlich 38 Prozent aller Angestellten in Deutschland. Während es hier wenig Unterschiede zwischen Männern (38 Prozent) und Frauen (37 Prozent) gibt, fallen diese bei den verschiedenen Generationen umso deutlicher aus. So sind es bei der Generation Z 51 Prozent, bei den Millenials 41, und selbst bei der Generation X haben sich noch 31 Prozent bewusst aus Karrieregründen für ihre derzeitige Position entschieden.
„Die Beziehung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebern steht an einem Wendepunkt“, erläutert Iwona Janas, Country Manager Deutschland bei Manpower, die Ergebnisse. Zwar sei es erfreulich, dass insgesamt 80 Prozent der Befragten weltweit Sinn in ihrer Arbeit finden. Indes: „Die Menschen erwarten von ihrer Arbeit mehr Balance, mehr Optionen, mehr individuelle Förderung“, sagt Janas.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

