Personalwirtschaft: Herr Tsalikis, Lautsprecher Teufel wurde Ende 2022 von der schweizerischen Equal Salary Foundation als Arbeitgeber zertifiziert, der sich für die gehaltliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern einsetzt. Wie kam es dazu?
Jannis Tsalikis: Es gab keinen Druck, weder von innen noch von außen, das zu tun. Wir möchten einfach als Unternehmen einen hinreichend kritischen Blick auf uns selbst richten und dem Thema Equal Pay gerecht werden. 2020 haben wir die Charta der Vielfalt unterschrieben und hatten bereits zuvor einen Code of Conduct für Teufel und ein entsprechendes Wertegerüst in Sachen Diversity. Trotzdem war und ist klar, dass Lohngerechtigkeit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt immer Relevanz haben. Und wir vermuteten, dass wir im Zuge der Zertifizierung selbst noch dazu lernen können.
Wie kam es zur Auswahl des Siegels? Kaum ein deutsches Unternehmen ist hiermit zertifiziert, KMU wie Teufel erst recht nicht.
Auf den Seiten des BMFSFJ (Anm. d. Red.: Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) gibt es eine Menge Informationen zum Thema Lohngerechtigkeit, auch auf der Seite des Equal Pay Day. Das haben wir als Ausgangspunkt für die eigene Recherche genutzt. Wenn du als Arbeitgeber wirklich aktiv werden und einen Prozess starten willst, dann gibt es eine große Auswahl an Angeboten. Uns erschien die Equal Salary Foundation als seriöser Partner. Die Stiftung ist von der EU-Kommission anerkannt, die Zertifizierung mit der Universität in Genf entwickelt und Auditierungspartner ist unter anderem die PWC. Unser positiver erster Eindruck wurde bestätigt: Das Audit war herausfordernd, aber fair. Der Prozess war gut.
Wie läuft dieser Prozess ab?
Am Anfang steht eine komplexe Datenanalyse, die von PWC durchgeführt wird. Die hat gezeigt, dass wir – bei knapp 400 Mitarbeitenden – nur drei Fälle hatten, die Auffälligkeiten gezeigt haben. Die Abweichungen waren nicht groß und erklärbar. Sie wurden zwischenzeitlich zugunsten der Mitarbeiterinnen angepasst.
Wie stand es um qualitative Dimensionen?
Das qualitative Audit ist relativ fordernd. Es geht über zwei Tage und schließt auch einen Vor-Ort-Besuch mit ein. Unter anderem werden zufällig ausgewählte Mitarbeitende aus unterschiedlichen Hierarchieebenen interviewt. Als Arbeitgeber kann man deren Auswahl und natürlich ihre Aussagen nicht steuern oder beeinflussen. Außerdem mussten wir Antworten auf grundsätzliche Fragen rund um das Thema Equal Pay im Unternehmen geben: Wie kommunizieren wir zu dem Thema? Wie laufen die Vergütungsprozesse? Gibt es entsprechende Dokumente und Anforderungen im Unternehmen? Sind die Führungskräfte im Boot?
Spätestens da dürften zahlreiche Mittelständler in Erklärungsnöte geraten. Sie auch?
Zu einigen dieser Punkte hatten wir in der Tat unsere Herausforderungen. Zum Teil mussten wir gelebte Prozesse und Strukturen genauer verschriftlichen und an mancher Stelle unsere Kommunikation noch detaillierter gestalten. Das haben wir getan, sodass wir im Dezember 2022 zertifiziert werden konnten.
Wie lange hat der gesamte Prozess gedauert?
Insgesamt hat das HR-Team etwa ein Jahr lang konzentriert auf dieses Zertifikat hingearbeitet. Und ehrlicherweise ist es doch ein Zeichen für die Güte des Zertifikats, wenn man sich auf dem Weg bemühen muss, um es am Ende dann auch zu erhalten. Jetzt können wir von uns sagen, dass wir ein Arbeitgeber sind, der vielleicht nicht immer perfekt ist, aber intern ein transparentes und faires Geschäftsgebaren gegenüber der Belegschaft pflegt, nach dem alle Mitarbeitenden im Unternehmen gleichbehandelt werden. Dabei ist das Zertifikat mehr ein Weg, statt ein Ziel. Wir müssen uns stetig weiter darin üben und darauf achten, die bei Teufel zugrunde gelegten Standards einzuhalten.
Was heißt das genau?
Die Zertifizierung gilt für drei Jahre. Die Anforderungen müssen also immer wieder erbracht und gegebenenfalls bearbeitet werden. Die Datenanalyse erfolgt alle drei Jahre, die qualitativen Dimensionen werden jährlich abgefragt. Es ist also längerfristig angelegt und führt dazu, dass wir uns nachhaltig mit dem Thema beschäftigen. Das ist, glaube ich, für unsere Unternehmenskultur herausragend, gut und wichtig.
Es klingt allerdings ziemlich aufwendig.
Ja, das Zertifikat ist durchaus anspruchsvoll. Vor dem Hintergrund der Kosten (Anm. d. Red.: Auf den Seiten der Stiftung selbst sind keine Preise zu erfahren; PWC aber legt auf seinen Seiten die Kosten teilweise offen) muss man es als Unternehmen wirklich wollen. Und auch wenn es in manchen Phasen auch mal anstrengend war: Ich kann zu diesem Weg nur ermutigen!
… und auch anderen KMU empfehlen?
Sich mit dem Thema Equal Salary auseinanderzusetzen, sollte für jedes Unternehmen ein wichtiges Anliegen sein. Ein solches Audit hilft bei der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen zugrundegelegten Prozessen und Strukturen.
Gab es Aspekte an der Zertifizierung, die Sie störend oder hinderlich fanden?
Wir hätten uns gewünscht, dass uns die Foundation beziehungsweise die PWC insbesondere am Anfang, beim Einstieg in die Zertifizierung, noch ein wenig mehr an die Hand nimmt. Aber insgesamt war das ein fairer, ein guter Prozess, mit freundlichen und motivierten Partnern.
Info
Jannis Tsalikis ist seit Mitte 2019 HR Director bei Lautsprecher Teufel, Autor des Buchs „HR True Story“ und Mitveranstalter des HR BarCamp Berlin. Er ist einer der führenden Netzwerker der HR-Szene, seiner Linkedin-Präsenz folgen über 10.000 Menschen. Wir haben ihn unter anderem Ende 2021 im Podcast „Personalwirtschaft Vorstellungsgespräch“ interviewt.
Die Lautsprecher Teufel GmbH mit Sitz in Berlin stellt Audioprodukte wie Lautsprecher, Kopfhörer, Hi-Fi- und Heimkinosysteme her. 1979 gegründet, ist das Unternehmen heute Teil der französischen Investorengruppe Naxicap Partners.
Die Equal Salary Foundation wurde 2010 nach schweizerischem Recht als Stiftung gegründet. Sie verfolgt das Ziel, Equal Pay praktisch und mit wissenschaftlicher Fundierung zu verankern. Der Zertifizierungsprozess wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Genf entwickelt.
Cliff Lehnen ist Chefredakteur der Personalwirtschaft und unter anderem spezialisiert auf die Themen Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur, Innovations- und Veränderungsmanagement.