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Kommentar zur Homeoffice-Debatte: Habt Vertrauen!

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Manchmal reicht ein Satz, um die HR-Szene (und nicht nur die) in Aufruhr zu versetzen: In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel sagte der Unternehmer Wolfgang Grupp: „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“ Grupp gilt inzwischen seit fast 50 Jahren als Vorzeigemittelständler – vor allem, weil sein Unternehmen Trigema nur in Deutschland produziert und damit erfolgreich ist. Und er traf offensichtlich einen Nerv. Der 81-Jährige übergibt die Firma zwar Ende des Jahres an Frau und Kinder, er ist mit dieser Meinung aber nicht allein. Vor einigen Monaten war an dieser Stelle von Elon Musk zu lesen, der seiner Belegschaft per E-Mail die Anwesenheit im Büro vorschrieb – die Überstunden gnädigerweise ausgenommen. Und gerade erst gaben bei einer Umfrage der Wirtschaftsprüfung und Beratung KPMG, rund zwei Drittel der deutschen befragten Firmenchefinnen und -chefs an, dass ihre Mitarbeitenden in den kommenden drei Jahren in Vollzeit wieder ins Büro kommen sollen. Dauerhafte Hybridmodelle kann sich lediglich ein Viertel vorstellen.

Die Argumente, mit denen die endgültige Rückkehr ins Büro in den Unternehmen begründet wird, sind altbekannt: Der ungezwungene Austausch am Kopierer ist durch digitale Tools wie Teams und Slack nicht zu ersetzen. Zusammengehörigkeitsgefühle entstehen über den Computerbildschirm nur sehr schwer. Und ein Großteil der Mitarbeitenden, zu dem der gesamte Blue-Collar-Bereich zählt, kann ohnehin nicht von zu Hause arbeiten und könnte sich benachteiligt fühlen.

Carsten Maschmeyer hat Recht!

All diese Argumente sind nicht falsch. Aber was ist mit jenen, die oft nur hinter vorgehaltener Hand geäußert werden? Zum Beispiel die Miete: Wenn das Unternehmen einen Schreibtisch vorhält und bezahlt, dann soll der gefälligst auch genutzt werden. Oder die Kontrolle: Wer zu Hause arbeitet, könnte ja während der Arbeitszeit kochen, Wäsche waschen oder auf dem Sofa Netflix schauen. Auch hier ist der Impuls nachvollziehbar, doch das macht die Argumente nicht stichhaltiger. Bei zu hohen Kosten und wenn ohnehin nie alle Plätze belegt sind, könnte das Unternehmen die Büroflächen verkleinern – manch eine Firma hat damit gute Erfahrungen gemacht. Und wer zu Hause stundenlang während der Arbeitszeit vor dem Fernseher sitzt, der dürfte auch im Büro entweder eher nicht zu den Top-Leistungsträgerinnen und -Leistungsträgern gehören – oder hat seine Arbeitslast schon immer in kürzerer Zeit als seine Kolleginnen und Kollegen bewältigt. Carsten Maschmeyer, ebenfalls Unternehmer, fasst es auf Linkedin passend zusammen: „Wenn ich jemandem nicht zutraue, von zu Hause zu arbeiten, hätte ich ihn oder sie gar nicht einstellen sollen.“

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Rund 90 Prozent der von KPMG befragten Unternehmenslenkerinnen und -lenkern können sich sogar vorstellen, ihre Beschäftigten mit der Aussicht auf Beförderungen und/oder mehr Gehalt zurück ins Büro zu locken. Das zeigt zwar die Verzweiflung, dürfte aber wenig bringen. Denn mehrere Umfragen in den vergangenen Jahren zeigten, dass die Mehrheit der Beschäftigten ohnehin annimmt, dass sich die Karrierechancen durch Anwesenheit im Büro verbessern. Zudem ergab eine weitere Umfrage, diesmal unter Beschäftigten und durchgeführt im Auftrag des Videokonferenztechnologieanbieters Owl Labs, dass viele Menschen für die Möglichkeit zur Heimarbeit sogar auf mehr Gehalt verzichten würden.

Regeln sollten auf Vertrauen basieren

Die gute Nachricht ist: Ganz so weit, wie die Diskussion es einen manchmal glauben lässt, liegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gar nicht auseinander. Denn kaum ein Mitarbeiter und kaum eine Mitarbeiterin möchte jeden Tag im Homeoffice arbeiten – auch das zeigt die Owl-Labs-Umfrage. Die meisten Beschäftigten wollen ihre Kolleginnen und Kollegen treffen und gemeinsam vor Ort arbeiten und mit ihnen direkt kommunizieren. Nur eben nicht jeden Tag.

Was es daher braucht in den Unternehmen: Flexible Regeln, die auf die Bedürfnisse beider Seiten eingehen. Anreize für die Beschäftigten, freiwillig ins Büro zu kommen – und sie dort nicht von morgens bis abends in Videokonferenzen hängen zu lassen. Sicher: Manchmal sind Vorgaben nötig, damit die Beschäftigten nicht aus reiner Bequemlichkeit zu Hause bleiben. Doch auch diese Regeln sollten auf Vertrauen basieren. Vertrauen darauf, dass die Beschäftigten (und ihre Führungskräfte) am besten selbst wissen, wann die Arbeit von wo am sinnvollsten ist und wie sie sich am produktivsten erledigen lässt.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.