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„Vereinbarkeit ergibt sich automatisch aus einer guten Unternehmenskultur“

Kurz bevor seine Zwillinge zur Welt kamen, begann Roman Gaida mit seinem europäischen Team die digitale Transformation des Geschäftsbereichs CNC (Computerized Numerical Control zur Steuerung von Maschinen) bei Mitsubishi Electric. Wie er als Top-Manager trotzdem für seine Kinder da sein kann, erzählt er in seinem Buch „Working Dad“. Mit uns hat Gaida darüber gesprochen, welche Gegebenheiten es in Unternehmen braucht, damit Väter Familie und Karriere vereinbaren können.

Personalwirtschaft: Herr Gaida, wie können Arbeitgeber Vereinbarkeit von Familie und Karriere fördern?
Roman Gaida
: Meiner Meinung nach ergibt sich Vereinbarkeit automatisch aus einer guten Unternehmenskultur. Sie muss nicht in einer Art „Seitenprojekt“ gefördert werden.

Durch welche Faktoren ist diese „gute Unternehmenskultur“ geprägt?
Unternehmenskultur ist für mich die Summe aller Gewohnheiten einer Organisation. In einer positiven Unternehmenskultur herrscht eine psychologische Sicherheit, die es allen erlaubt, ohne Rücksicht auf Hierarchien Feedback zu geben und anzunehmen.

Das klingt fast zu schön und einfach, um wahr zu sein. Wie genau entsteht eine solche Unternehmenskultur?
Eine Kultur entsteht nicht, sie ist schon vorhanden – außer man gründet ein Start-up. Deshalb gilt es zunächst, den Menschen zuzuhören und herauszufinden, warum eine Kultur so ist, wie sie ist. Auf welchen Annahmen und Erlebnissen und ungeschriebenen Gesetzen basiert sie? Wenn Antworten auf diese Fragen gefunden wurden, kann sie verstanden und gemeinsam umgestaltet werden.

Und wie genau?
Führungskräfte müssen zu Vorbildern einer neuen Unternehmenskultur werden. Sie sollten selbst von ihren Belangen erzählen und Feedback aufgeschlossen annehmen. Als ich bei Mitsubishi meine neue Aufgabe antrat, habe ich von Anfang an offen kommuniziert, dass ich bald Papa von Zwillingen werde, die Großeltern der Babys weiter weg wohnen und ich aktiv Vater sein wollte. Ich habe in Vollzeit gearbeitet, aber klargemacht, dass mir das Vatersein genauso wichtig ist, wie die digitale Transformation des Bereichs und ich daher auch mal die Kinder abholen und bringen werde.

Haben die rund 160 Mitarbeitenden, die Sie leiten, und Ihr Arbeitgeber das einfach so akzeptiert? Immerhin hatten Sie die Aufgabe, den kompletten Bereich umzubauen?
Meine Offenheit kam sehr gut an, weil sie mich vermutlich nahbar gemacht hat. Nur weil wir als Gesellschaft und gerade auch als Männer nicht über die Familie am Arbeitsplatz sprechen, heißt das nicht, dass sie nicht da ist. Väter haben sich mir hinsichtlich Themen rund um Vereinbarkeit mehr geöffnet, sobald sie wussten, dass ich selbst in einer ähnlichen Situation bin. Das haben sie interpretiert mit: Ich kann hier Karriere und aktive Vaterschaft vereinen, ohne als weniger engagiert zu wirken.

Welche Nachteile fürchten Männer, wenn sie äußern, dass sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen möchten?
Sie haben Angst, durch das Gender Pay Gap und Ehegattensplitting als Alleinverdiener den Lebensunterhalt der Familie nicht mehr bestreiten zu können. Zudem denken sie, dass sie als weniger engagiert gelten und weniger Wertschätzung durch die Gesellschaft erfahren werden, wenn ihr Fokus mehr auf den Kindern liegt. Denn als Mann erfährt man in der Gesellschaft immer noch mehr Bestätigung, wenn man sich an traditionelle Rollenbilder hält.  

Auf welchen Überzeugungen basieren diese Nachteile?
In dem Moment, in dem man sich bewusst dazu entscheidet, seine Partnerschaft auf Augenhöhe bei der Kinderbetreuung zu leben, ist man als Mann teilweise Vorurteilen ausgesetzt, unter denen bisher meist Frauen gelitten haben. Väter werden oft als weniger engagiert auf der Arbeit angesehen. Ihnen wird unterstellt, dass sie keine Karriere machen möchten, wenn sie auch mal um halb vier ihre Kinder abholen. Deshalb gilt: Genauso, wie wir Frauen in Vorständen brauchen, benötigen wir Männer, die sich um ihre Familien kümmern.

Wie kann man Vorurteilen entgegenwirken?
Als Führungskraft kann man einen Großteil der Vorurteile vermeiden, wenn man vorlebt, dass beides – Familie und Karriere – geht. Die Führungskraft kann Väter außerdem proaktiv ansprechen und klar nach ihren Vorstellungen fragen. Wir tun bei uns im Bereich genau das. Sobald mir ein Mitarbeiter – oder natürlich auch eine Mitarbeiterin – erzählt, dass er oder sie in Elternzeit gehen möchte, bauen wir dies in den Entwicklungsplan ein. Dadurch entsteht gar nicht die Angst, für eine Beförderung nicht mehr berücksichtigt zu werden.

Wie genau wird die Elternzeit Teil des Karriereplans?
Im Plan wird die Elternzeit zwischen beruflichen Entwicklungsschritten eingefügt. Nach ihr sind damit weitere Entwicklungs- und Promotionsschritte vorhanden. Das nimmt viel Druck bei den Eltern raus, denn sie sehen zumindest schon einmal schwarz auf weiß, dass Beruf und Familie vereinbar sind.

Und trotzdem steht uns nur eine begrenzte Zeit am Tag zur Verfügung. Klappt es wirklich, ein präsenter Vater zu sein und parallel Karriere zu machen? Oder müssen diese Dinge hintereinander geschehen?
Das ist schwer zu sagen. Aber eins weiß ich: Führungskräfte müssen nicht 50 Stunden aufwärts arbeiten, um erfolgreich zu sein. Zumindest nicht, wenn sie nicht mehr alles selbst entscheiden, sondern Mitarbeitende befähigen, auch Entscheidungen zu treffen. Wer die Möglichkeit hat, flexibel zu arbeiten, kann die eigene Arbeitszeit und die Zeit mit Care- und Hausarbeit besser ausbalancieren. Es ist natürlich auch wichtig, einen Beruf zu wählen, der einem Spaß macht. Das führt dazu, dass einem die Arbeit auch leichter von der Hand geht. Eine große Rolle spielt aber auch die eigene Definition von Erfolg. Eltern können sonst jeden Tag als Überforderung erleben und denken, sie würden ständig scheitern.

Warum hilft es dagegen, Erfolg zu definieren?
Damit wir unsere Priorität in all dem nicht verlieren. Wir müssen uns fragen, was Erfolg für uns persönlich bedeutet. Das ist sehr individuell. Erfolg kann ein Vorankommen in der Karriere sein, während man nur am Wochenende die Kinder sieht oder auch das gute Managen der Care- und Hausarbeit als Vollzeitpapa bei dem die Partnerin oder der Partner Vollzeit arbeitet. Es gibt keinen goldenen Weg. Ich kenne Männer, die wollten nie Führungskräfte werden oder Karriere machen und hätten viel lieber mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht. Aber das ist und war vor rund zwanzig Jahren von der Gesellschaft nur sehr bedingt zugelassen. Diesen gesellschaftlichen Zwang gilt es nun zu ändern.

Info

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.