Frage an die HR-Werkstatt: Wie schaffen wir eine Arbeitsumgebung, in der alle ihr volles Potenzial ausschöpfen können?
Es antwortet: Cassandra Hoermann, Head of Employee Experience bei Personio
Die vergangenen zwei Jahre haben unser aller Arbeitsweisen, die Arbeitsorganisation und damit auch unseren Umgang mit Technologien auf die Probe gestellt. Um Effizienz, Produktivität und Motivation unter den Mitarbeitenden weiterhin aufrecht zu erhalten, müssen Unternehmen das Arbeitsumfeld an die veränderten Bedingungen und Erwartungen der Beschäftigten anpassen.
Personalabteilungen kommt hierbei eine ganz entscheidende Rolle zuteil: Wie können sie eine Arbeitsumgebung schaffen, die die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigert, so dass alle ihr volles Potenzial ausschöpfen können?
Es kommt auf die richtige Technologie an
Zwei Jahre ist es her, dass die Mehrheit der Unternehmen von heute auf morgen ihre gesamte Belegschaft ins Homeoffice schicken musste. Um Kommunikation und Kollaboration dennoch gewährleisten zu können, kamen zahlreiche neue Software-Anwendungen zum Einsatz. Mehr als 40 solcher digitaler Tools nutzen kleine und mittlere Unternehmen heute im Durchschnitt, von denen viele Personaldaten verarbeiten oder HR-Prozesse steuern. Doch spielen diese Lösungen nicht reibungslos zusammen, kann es bei Vorgängen wie Kündigungen, Beförderungen, Team- oder Standortwechsel schnell zu Fehlern oder empfindlichen Verzögerungen kommen. Das viele Wechseln von Software-Anwendungen oder die Verwendung nicht kompatibler Lösungen unterbricht Beschäftigte in ihren Arbeitsabläufen und sorgt häufig für Frustration, gefolgt von Demotivation und Produktivitätsverlust.
Prozesse, die hingegen tool- und abteilungsübergreifend funktionieren, beseitigen Verzögerungen, bündeln die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden und lassen sie effizienter und motivierter arbeiten. Hierfür sind Technologien erforderlich, die manuelle und fragmentierte Personalprozesse über verschiedene Teams, Tools und Kollaborationsplattformen hinweg automatisieren, um so für reibungslose Workflows zu sorgen.
Führung dezentraler Teams
62 Prozent der Arbeitgeber haben seit Ausbruch der Pandemie Schwierigkeiten, die benötigten Fachkräfte zu finden; gleichzeitig ist fast die Hälfte der Beschäftigten (45 %) offen für einen Jobwechsel, wie die Personio-Studie „Der große Wertewandel“ zeigt. Danach gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsort und der Wechselbereitschaft: 54 Prozent derjenigen, die hauptsächlich remote arbeiten, möchten sich in den nächsten 12 Monaten nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen. Von denjenigen, die an einem externen Arbeitsplatz tätig sind, sind es hingegen nur 42 Prozent, die sich einen neuen Job suchen möchten. Da Angestellte die Flexibilität hinsichtlich ihres Arbeitsortes jedoch schätzen, darf davon ausgegangen werden, dass viele Unternehmen auch künftig flexible Arbeitsmodelle anbieten werden. In dem Fall gilt es also umso mehr, verteilte Teams gut zu führen und an das Unternehmen zu binden.
Neue Arbeitsweisen bedürfen jedoch fester Richtlinien. Fragen wie „Wer darf wie oft remote arbeiten?“ oder „Wie fördern wir Wissenstransfer, Zusammenarbeit und Gemeinschaftsgefühl in remote oder hybrid arbeitenden Teams?“ sollten regelmäßig reflektiert und gegebenenfalls anhand von Daten und Feedback angepasst werden. Remote- und Hybridmodelle sind in vielen Unternehmen noch relativ neu, und Arbeitgeber sollten die wichtige Rolle von Unternehmenskultur und Führungsstilen nicht unterschätzen. Beide sind entscheidend, um die Bindung und Kommunikationswege zwischen Teams und Kolleginnen und Kollegen, die remote arbeiten, zu stärken.
Für 55 Prozent der Arbeitskräfte sind Möglichkeiten für die berufliche Weiterentwicklung seit der Pandemie beispielsweise noch wichtiger geworden. Klar definierte Rollen und Karrierewege, die auf die Anforderungen abgestimmt sind, bilden daher nicht nur die Grundlage, um Mitarbeitende zu bewerten und sie fortzubilden, sondern auch, um Talente zu gewinnen und zu binden. Dies wiederum wirkt sich auf die gesamte Unternehmenskultur aus.
Das Arbeitsumfeld als Wettbewerbsvorteil
Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Berufstätigen – darunter insbesondere die jüngere Generation – legt Wert darauf, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der einen höheren Zweck als die reine Gewinnerzielung verfolgt. Der Übereinstimmung von Werten, Normen und Zielsetzung zwischen Unternehmen und Beschäftigten kommt also eine wachsende Bedeutung zu. Auch das eigene, tägliche Wirken sollte als sinnvoll erachtet werden. Für viele spielen dabei die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Effizienz und Zugehörigkeit sowie Entwicklungsmöglichkeiten eine große Rolle und rücken das Arbeitsumfeld als Ganzes in den Vordergrund. Denn dazu gehören nicht nur die unmittelbare Umgebung im Büro oder Homeoffice, sondern eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich der verwendeten Technologien und Arbeitsmethoden, die die Voraussetzung für strukturiertes Arbeiten legen, sowie der Unternehmenskultur, die von den Teams und Standorten inspiriert wird.
Personio hat zum Beispiel neben dem Büro in München weitere in Amsterdam, Madrid, London und Dublin eröffnet, um einen breiteren Zugang zu Talenten zu haben und das Unternehmen effektiv zu skalieren. Team- und standortübergreifendes Arbeiten kann eine innovative und vielfältige Unternehmensmentalität fördern und einen globalen Kundenstamm anziehen. Die Vorlieben für Arbeitsumgebungen sind jedoch individuell.
Daher haben Beschäftigte in vielen Rollen die Wahl, wo sie arbeiten wollen. Einige bevorzugen ein ruhiges und entspanntes Arbeiten von zu Hause aus, während andere sich für die Standorte mit den größten Büros entscheiden und sich beispielsweise in Städten wie München mit einem breiten Angebot an Freizeit- und Kulturaktivitäten wohlfühlen. Oder in der schnelleren Umgebung einer vibrierenden, internationalen Stadt wie Dublin, mit vielen Möglichkeiten, Kontakte zu einer wachsenden Technologie-Community zu knüpfen. Individuell gestaltbare Optionen erweitern den Spielraum, um optimale Arbeitsverhältnisse für alle zu schaffen – und 60 Prozent der Arbeitskräfte wünschen sich mehr Flexibilität beim Arbeitsort seit der Pandemie. In jedem Fall tragen gut durchdachte und offen kommunizierte Werte zur Festigung der Unternehmenskultur bei.
Fazit
Bei der Schaffung eines Arbeitsumfeldes, das für möglichst alle funktioniert, ist die HR-Abteilung gefragt, einen ganzheitlichen Blick einzunehmen: Die veränderten Bedingungen für konzentriertes Arbeiten und die sich wandelnden Erwartungen der Beschäftigten sind ebenso zu berücksichtigen wie der Einsatz der richtigen Technologien und die Förderung einer durchdachten Unternehmenskultur, auch oder gerade bei team- und standortübergreifender Zusammenarbeit. Für Arbeitgeber sollte die Priorität schließlich nicht allein darin liegen, Abwanderung zu verhindern, sondern motivierte und produktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und zu fördern. Muss ein Teammitglied ersetzt werden, kann dies bis zu 33 Prozent des Jahresgehalts kosten.
Die Schaffung eines Arbeitsumfeldes, in dem alle ihr Potenzial ausschöpfen können, trägt dementsprechend grundlegend zum Ergebnis und Erfolg von Unternehmen bei.